Kreative Konzepte sind das A und O in Zeiten von Corona – vor allem für kleinere Geschäfte. Die Vegesacker Fußgängerzone ist aktuell zwar recht verwaist, hinter den Kulissen herrscht jedoch rege Betriebsamkeit. Das weiß Anne Köhler, Chefin der Vegesacker Webdesign-Firma „Vegenet“.
Bereits nach dem ersten Lockdown im März hätten viele Händler die Zeit genutzt, sich mit dem Online-Handel zu befassen und eigene Webseiten auf die Beine zu stellen. Auch via Facebook, Whatsapp, oder Instagram werde Kontakt zu alten und neuen Kunden hergestellt. Köhler: „Der aktuelle Umbruch hat also auch was Positives. Die Leute gucken nach vorn.“ Auch die Kundschaft lote neue Wege aus. „Die meisten Leute wollen jetzt online shoppen, tun dies aber bewusst regional“, meint die 41-Jährige. Vielen sei es ein Dorn im Auge, dass beispielsweise Amazon keine Steuern zahle und seine Mitarbeiter schlecht entlohne.
„Jahrelang vernachlässigt, macht die Digitalisierung nun Fortschritte“, freut sich die Webdesignerin. Und dabei seien die Geschäftsleute jenseits der 60 mitunter umtriebiger als die Jüngeren. Rein statistisch seien immerhin 75 Prozent der Bremer Senioren online. „Die Nutzung digitaler Medien hat also nichts mehr mit dem Alter zu tun.“
Gülseren Güzelkücük, Inhaberin von „Juwelier Eckelt“, ist gerade unterwegs. Sie bringt einem Kunden ein Schmuckstück vorbei - rechtzeitig zum Fest. „Bei uns ist Weihnachten das Hauptgeschäft“, sagt sie und erklärt: „Auf Wunsch liefern wir die Ware während des Lockdowns auch ohne Aufpreis nach Osterholz-Scharmbeck oder Ritterhude. Das wollen wir nach Corona auch so weitermachen.“
Gleich muss die Vegesacker Geschäftsfrau wieder ein Geschenk verpacken. „Dieser Kunde komme allerdings selbst vorbei“, sagt die 50-Jährige. Kurz vorm Fest kämen vornehmlich Anfragen von Männern, die zur Bescherung nicht mit leeren Händen dastehen möchten. „Wir machen unseren Hauptumsatz immer drei bis vier Tage vor Weihnachten“, sagt Gülseren Güzelkücük, „und das ist auch in diesem Jahr nicht anders.“
Neu ist allerdings das Schaufenster-Shopping, für das die Juwelierin auf der Homepage wirbt: „Machen Sie ein Foto von Ihrem Lieblingsteil aus unserem Schaufenster. Senden Sie das Foto per Whatsapp oder rufen Sie uns an. Ihr Geschenk wird liebevoll verpackt“ steht dort. Vernetzt sind Gülseren Güzelkücük und ihr Team zudem auch via Facebook, Instagram und Facebook. „Da haben wir wegen Corona unsere Präsenz verstärkt. Und es kommen tatsächlich viele Anfragen.“
Martin Mader, Inhaber der Buchhandlung „Otto und Sohn“, ist kurz vor dem Fest im Weihnachtsmann-Outfit auf Tour, um Buchbestellungen auszuliefern. „Der soziale Umgang ist den Leuten jetzt besonders wichtig, das Ganze hat auch eine soziale Komponente, man macht deshalb viele Sachen, die man vor Corona nicht gemacht hat“, sagt der Buchhändler.
Als weiteres Beispiel nennt er die Videos, die seit März unter dem Titel „Corona-Chroniken“ täglich neu auf Youtube zu sehen sind. „Social Media habe ich bisher immer abgelehnt. Das ist deshalb Neuland für uns. Aber wir haben uns schulen lassen.“ Zwar habe der Kanal nur 77 Abonnenten, es entstünden aber neue Kontakte – auch zu jüngeren Kunden. „Mir macht Social Media jetzt auch Spaß“, betont Mader.
Tatsächlich überzeugt er schauspielerisch in der Episode 271 vom 18. Dezember. Mader tritt hier mit Strickmütze und Vollbart als „Aal-Hinnerk“ auf. Zum Super-Sonderpreis „kloppt“ er etliche Bücher in eine Tüte und preist die Ware marktschreierisch an. Unmissverständlich verweist Mader so auf die prekäre Lage des Buchhandels.
"Wir haben Einbußen", betont er. "Normalerweise haben wir zwischen dem 16. und 24. Dezember so viel Umsatz wie im gesamten Mai. Der geht uns dieses Jahr flöten. Kalender lassen sich beispielsweise nicht an den Mann bringen." Zum Glück gebe es viele Kunden, darunter auch jüngere Neukunden, die über die sozialen Medien Bücher in der Vegesacker Buchhandlung bestellen. Der Online-Shop ist exponentiell nach oben gerauscht", so Mader. Bei Bedarf wird den Kunden die Ware auch geliefert. "Aber das ist nicht zwingend rentabel. Das ist Kundenbindung. Wir machen das Beste draus."