Dunkler Anzug mit weißen Turnschuhen, türkisfarbene Hoseneinteiler, Sakko mit Jeans, oder ganz klassisch der seidene Anzug mit Seidenkrawatte – jeder trug am Freitagabend zur Feier des Industrie-Clubs Bremen das, wonach ihm war. Sie alle wollten vor allem eines: Zum 41. Geburtstag ordentlich die Korken knallen lassen, als wäre es der 40. Geburtstag - die Pandemie macht vieles möglich. Und so holte der Industrie-Club Bremen im Heizwerk des Tabakquartiers in Woltmershausen das Event nach, mit dem die Mitglieder eigentlich schon 2021 den großen Geburtstag feiern wollten.
40+1 zu feiern, passt aber vielleicht auch ein wenig zur Entstehung dieses Vereins, bei dem Frauen und Männer aus allen Wirtschaftsbranchen zu finden sind. Präsident Kai Brüggemann stellte in seiner Rede nochmals klar, wie es zur Gründung des Industrie-Clubs kam: „Die Industrie fühlte sich damals nicht ausreichend von der Bremer Handelskammer vertreten.“ Das war Anfang der 1980er Jahre. Also gründeten als Antwort darauf einige den Industrie-Club. Zu ihnen gehörten der Bremer Auto-Logistiker Egon H. Harms und der Bremer Ölhändler Wilm Koopmann. Sie waren damals also eine Art „Kammerrebellen“, ohne dass sie sich damals so bezeichneten. Koopmann, der auch unter den Gästen war, lächelte zumindest kurz auf, als er mit dieser Bezeichnung konfrontiert wurde.
Dieser Begriff machte 2017 in Hamburg Furore, als eine Gruppierung mehrheitlich in die Plenarversammlung der dortigen Handelskammer gewählt wurde, um die Arbeit von dem Gremium mehr in ihre gewünschte Richtung zu lenken. „Heutzutage versteht man sich gut mit der Bremer Handelskammer“, stellte Brüggemann in seiner Rede fest. Denn seit Jahren setzt sie sich auch für die Interessen der Industrie ein.
"Kammerrebellen" im Bremer Industrie-Club
Dabei gab es vor fünf Jahren im Industrie-Club selbst einige „Rebellen“, die den Verein übernehmen wollten. Zum ersten Mal in der Geschichte des Clubs gab es bei der Präsidentenwahl einen Gegenkandidaten. Am Ende wurde zwar der amtierende Präsident wieder gewählt, dennoch machte sich der Club Gedanken, wie er auch für jüngere Mitglieder attraktiver sein könnte, um zum Beispiel für Start-ups mehr Anknüpfungspunkte zu bieten.
„Was ich sympathisch finde, ist, dass hier seit Jahren immer mehr Frauen Mitglieder sind“, stellte Bremens Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt (Linke) am Abend fest. Es gab aber auch Zeiten, in denen die Vorstände unter den Mitgliedern ihre Sekretärinnen zu einem speziellen Abend nur für sie schickten. In der Clubchronik wird dies erwähnt, aber diese Zeiten sind längst vorbei.
Und was findet Vogt noch sympathisch? Die Ecke für Raucher in den Clubräumen, die sich am Marktplatz nur wenige Meter vom Roland befinden. „Dort habe ich bereits als Fraktionsvorsitzende der Linken so manches interessante Gespräch geführt“, erinnert sie sich. Denn als Politikerin sei man ja auf Input angewiesen.

Während des Essens netzwerken - das ist seit mehr als 40 Jahren eine der Funktionen des Bremer Industrie-Clubs.
Auch der Industrie-Club ist an verschiedenen Blickwinkeln interessiert. So war unter den mehr als 250 Gästen neben der Grünen-Bundestagsabgeordneten Kirsten Kappert-Gonther auch der CDU-Bundestagesabgeordnete Thomas Röwekamp. Und der Abend zeigte auch, wie der Industrie-Club aufgestellt ist. Inzwischen gibt es einige Junioren, die Veranstaltungen auf die Beine stellen.
Als Ort für die Feier das Heizwerk im Tabakquartier zu wählen, sei kein Zufall gewesen, wie Club-Geschäftsführerin des Birgit Severin de Salinas sagte: „Von der alten Industrie sieht man noch etwas an diesem Ort, an dem etwas Neues entsteht.“ Doch egal, ob jung oder alt, es ging an diesem Abend auch um eines: Netzwerken. Und so wanderte so manche Visitenkarte über die Tische – auch von dem im klassischen Anzug zu dem in Jeans und Turnschuhen. Am 11. November wird für sie im Rathaus beim Roland-Essen nächste Gelegenheit sein.