Die Straßenbahn bleibt aller Voraussicht nach in der Innenstadt und wird die Neustadt nicht als Umfahrung nutzen. Das ist nach Informationen des WESER-KURIER Ergebnis eines Workshops, der zur Aufgabe hatte, das Untersuchungsfeld einer Machbarkeitsstudie zur Verlegung der Bahn abzustecken. Geprüft wird demnach nur noch, die Linien 2 und 3 künftig durch die Martinistraße zu führen und nicht mehr, wie bisher, durch die Obernstraße.
Neustadt-Vorstoß kam von den Grünen
An dem Workshop nahmen die Behörden, die Bremer Straßenbahn AG (BSAG) und die Koalitionsfraktionen teil. Der Vorstoß, auch die Neustadt-Variante mit der Verbindung durch die Westerstraße in Betracht zu ziehen, war von den Grünen gekommen. „Wir sollten uns das ernsthaft anschauen“, hatte Ralph Saxe gefordert. Saxe ist verkehrspolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion. Seine Parteikollegin, Bau- und Verkehrssenatorin Maike Schaefer, war nicht begeistert von dem Vorschlag, stimmte der Prüfung letztlich aber zu: „Wenn wir schon alles untersuchen, dann eben auch das“, sagte die Senatorin. Die Strecke wäre von der Domsheide über die Wilhelm-Kaisen-Brücke zur Westerstraße verlaufen und von dort über die Bürgermeister-Smidt-Brücke zum Brill. Doch das ist nun erst einmal passé.
"Die Variante ist raus", bestätigt Saxe. Zwei Gründe, die dafür den Ausschlag gegeben hätten: "Zum einen die Tragfähigkeit der beiden Brücken, sie reicht wahrscheinlich nicht aus. Zum anderen würden sich die Straßenbahnen vor allem am Brill möglicherweise stauen." Saxe hatte vor der Entscheidung hervorgehoben, wie vorteilhaft die City-Umfahrung wäre. Es gebe zwar einen Zeitverlust für Fahrgäste, die in Richtung Viertel oder Überseestadt unterwegs sind. Dafür könne diese Lösung im Gegensatz zu einer Verlegung in die Martinistraße aber relativ schnell und kostengünstig realisiert werden, weil in der Westerstraße die Schienen bereits liegen.
Die Grünen bekamen für ihre Initiative viel Zustimmung, zum Beispiel von der Handelskammer, der City-Initiative und der FDP. Auch Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt (Linke) war angetan: "Dass die Prüfung der Verlegung aus der Obernstraße in die Neustadt – die ich seit Längerem für die schlankeste Variante halte – nun Teil der Machbarkeitsstudie sein wird, begrüße ich ausdrücklich", erklärte Vogt. Skepsis dagegen bei der SPD und der BSAG: Gegen die Prüfung hatten sie zwar nichts ("dann gibt es wenigstens Klarheit"), das Ergebnis stand aus ihrer Sicht aber schon fest: „Das ist keine gute betriebliche Lösung.“
Ganz aufgeben will Saxe noch nicht: "Das Amt für Straßen und Verkehr hat die Statik der beiden Brücken nachgerechnet und wird demnächst das Ergebnis präsentieren. Sollten sie ertüchtigt werden müssen, könnte das unter Einbezug von mehr Straßenbahnverkehr passieren." Dann, meint der Abgeordnete, wäre die Umfahrung "wieder im Skat".
Maike Schaefer, die an dem Workshop nicht teilgenommen hat, ist im Grunde schon die jetzt angeschobene Machbarkeitsstudie zu viel. „Man kann sich auch zu Tode prüfen“, klagt sie. Ginge es nach der Senatorin, würde die Straßenbahn weiterhin durch die Obernstraße fahren. Schaefer bekommt dafür aber keinen Konsens in der Koalition aus SPD, Grünen und Linken. Der Streit schwelt seit mehr als zwei Jahren und wird nach Einschätzung aller Beteiligten in der laufenden Legislaturperiode wohl nicht mehr beigelegt. Nach der Bürgerschaftswahl im Mai kommenden Jahres werden wieder ganz neue Pakete geschnürt.
In den Konflikt eingeschlossen ist die geplante Neuordnung der Domsheide als Knotenpunkt der Straßenbahnen. Schaefer will sie künftig gebündelt vor dem Konzerthaus Glocke halten lassen. Ihre Koalitionspartner sind eher für die Balgebrückstraße. Die Senatorin hält als zentrales Argument dagegen, dass dieser Teil der Domsheide dann nur noch von den Bahnen genutzt werden könne und kein Platz mehr für Radfahrer, Fußgänger und Autoverkehr wäre. Der Glocke-Halt sei auch unter städtebaulichen Gesichtspunkten zu bevorzugen. Und wer für das Konzerthaus mehr Lärm und Erschütterung befürchte – diese Beeinträchtigungen könnten durch die geplanten Flüsterschienen minimiert werden.
Sollte es, wie erwartet, bis zur Wahl keine Einigung geben, würde eine neue Koalition in dieser Angelegenheit gleich mit gewaltigem Druck ans Werk gehen müssen. Schienen und Weichen auf der Domsheide haben ihre besten Tage hinter sich, ein Austausch steht an – spätestens 2025, sagt die BSAG. Klingt nach viel Zeit, ist es aber nicht. Um rechtzeitig an das Material zu gelangen, muss das Verkehrsunternehmen nach eigenen Angaben im kommenden Jahr seine Bestellung aufgeben. Doch auf welcher Grundlage? Und reißt man die neuen millionenteuren Gleise nach wenigen Jahren wieder raus, weil sich die Planung verändert hat?