Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Friedhof an der Reitbrake Vielleicht noch zwei weitere Skelette

In einem digitalen Vortrag hat die Landesarchäologie neue Erkenntnisse zu den Grabungen auf dem früheren Friedhof an der Reitbrake mitgeteilt. Unterdessen haben sich erstmals zwei neue Akteure zu Wort gemeldet.
02.02.2022, 18:09 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Vielleicht noch zwei weitere Skelette
Von Frank Hethey

Die Zahl der aufgefundenen Skelette auf dem früheren Friedhof an der Reitbrake muss möglicherweise nach oben korrigiert werden. Bislang war von neun Skeletten die Rede, laut Landesarchäologin Uta Halle könnte sich ihre Zahl aber auf elf erhöhen. Das sagte die 66-Jährige am Dienstagabend bei einem Online-Vortrag zur aktuellen Grabungssituation. Vor rund 100 Zuhörern äußerte sie sich zusammen mit Archäologin Cathrin Hähn im Rahmen der digitalen Vortragsreihe Fockes Forum. Der Vortrag war Teil des Gedenkprogramms zum 27. Januar, dem Tag der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz.    

Unterdessen haben sich im Streit um den künftigen Umgang mit der Reitbrake erstmals zwei weitere Akteure zu Wort gemeldet: der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge und die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN). Der Volksbund spricht sich für eine Umbettung der sterblichen Überreste auf den Osterholzer Friedhof aus. Dagegen schlägt sich die VVN mit der Forderung nach einer unabhängigen Historikerkommission auf die Seite der Bürgerinitiative Oslebshausen und des Bremer Friedensforums, die eine Bebauung des früheren Friedhofsbereichs mit einer Bahnwerkstatt strikt ablehnen.

Lesen Sie auch

Unabhängig von einer möglichen Bebauung müsse die Würde der Opfer im Mittelpunkt stehen, sagt Matthias Sobotta, Landesgeschäftsführer des Volksbunds. Deshalb halte der Landesverband den Senatskurs für den "richtigen Weg", die aktuellen Funde mit den bereits 1948 umgebetteten Kriegstoten zusammenzuführen. Denn: "Die Kriegsgräberstätten auf dem Osterholzer Friedhof würden die Ansprüche an eine würdevolle Ruhestätte in jeder Art und Weise erfüllen." Als Kriegsgräberstätte sieht der Volksbund das Areal an Reitbrake nicht an. Wegen der Beschlüsse und Umbettungen von 1948 sei dieser Status nach jetzigem Kenntnisstand nicht gegeben. 

Eine Kommission aus Historikern, Völkerrechtlern und Ethikern favorisiert die VVN. Diese soll eine Empfehlung zur Zukunft des Geländes für die Bürgerschaft erarbeiten. Zugleich bestärkt VVN-Sprecher Ulrich Struwe die Landesarchäologie, "sich nicht durch Dritte unter Zeitdruck setzen zu lassen". Nötigenfalls müsse die Untersuchung über den bisherigen Bereich ausgeweitet und die Mittel dafür bereitgestellt werden.   

Lesen Sie auch

Im Januar waren Halle zufolge "mehrere Skelette" gefunden worden. Die schwierige Fundlage erschwert eine exakte Zahlenangabe. Dass wider Erwarten überhaupt noch vollständige Skelette aufgetaucht sind, erklärt Halle mit einer Erdrampe, die 1948 bei der Exhumierung angelegt worden sei. Die darunter liegenden Gräber hätten die Exhumierer "schlicht und einfach vergessen oder nicht mehr berücksichtigt". Auf eine zeitliche Prognose zum Abschluss der Grabungen will sich Halle nicht einlassen. "Es dauert so lange, wie es dauert." Was mit den Skeletten geschieht, ist laut Halle noch nicht entschieden. Erst nach Ende der Ausgrabungen werde darüber in enger Abstimmung mit den Konsulaten der Herkunftsländer, dem Volksbund und der Politik beraten.      

Bislang sind nach Angabe der Landesarchäologie 85 Erkennungsmarken gefunden worden. Davon könnten 68 der russischen und fünf der ukrainischen Nationalität zugeordnet werden, zwölf seien noch nicht identifiziert. Zerstört ist laut Landesarchäologie der nordöstliche Friedhofsteil, wo eventuell Zwangsarbeiterinnen und deren Kinder beerdigt worden seien. Im mittleren Bereich haben sich keine sterblichen Überreste gefunden. Die 1946 von einem Polizisten angegebene Zahl von dort befindlichen 460 Gräbern hält Halle für unzutreffend: "Er hat die Fläche hochgerechnet, wie viele Reihen dort noch liegen könnten." 

Lesen Sie auch

BI und Friedensforum schließen nicht aus, dass auch jüdische Rotarmisten unter den Opfern sind. Eine Prüfung sei bisher unterblieben, heißt es in einem Schreiben an die Abgeordneten der Bürgerschaft. Von 1941 bis 1945 diente das Areal als Friedhof für sowjetische Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter, 446 Leichen wurden 1948 exhumiert und auf dem Friedhof Osterholz anonym bestattet. 

Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)