Nach dem Skelettfund auf dem früheren Friedhof an der Reitbrake steht Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) laut Bürgerinitiative Oslebshausen und Bremer Friedensforum "unter erheblichem Druck". Bovenschulte wie auch Staatsrätin Carmen Emigholz hätten immer wieder betont, im Falle eines vollständigen Skelettfunds von einer Bebauung abzusehen, heißt es in einer gemeinsamen Pressemitteilung. Nun sollten die Abgeordneten der Bürgerschaft trotz schwerwiegender rechtlicher Bedenken "einer gewiss völkerrechtswidrigen Bebauung" zustimmen. "Das dürfen sich die Abgeordneten nicht gefallen lassen", sagt Dieter Winge, Sprecher der Bürgerinitiative.
Friedensforum und Initiative fordern erneut, unverzüglich eine unabhängige Kommission von Historikern, Völkerrechtlern und Ethikern einzurichten. "Diese soll der Bremischen Bürgerschaft eine verbindliche Empfehlung zum Umgang mit der Kriegsgräberstätte in Bremen-Oslebshausen geben", so Ekkehard Lentz vom Friedensforum. Denn: "Der Bremer Senat ist offenbar befangen." Wirtschaftliche Interesse seien dem Senat wichtiger als ein angemessener und geschichtsbewusster Umgang mit der Kriegsgräberstätte.
Bestärkt sehen sich die Senatskritiker durch ein zweites Rechtsgutachten, diesmal von neun Völkerrechts-Studierenden der Universität Gießen. Erarbeitet wurde das 26-seitige "Working Paper" am Institut von Professor Thilo Marauhn. Danach bleibt ein dauerndes Ruherecht nach abgeschlossener Verwesung bestehen. Zudem behalte eine Kriegsgräberstätte ihren Status auch dann, wenn keine sterblichen Überreste mehr aufzufinden seien. Ähnlich lautete die Kernaussage eines ersten Gutachtens der Universität Leiden im vergangenen Jahr.
Wie berichtet, wurde bei den Grabungen erstmals ein vollständiges Skelett gefunden. Es soll – wie die schon geborgenen Knochenteile – auf den Ehrenfriedhof in Osterholz umgebettet werden. "Entgegen der Annahme der Expertinnen und Experten wurde nun doch ein einzelner vollständiger Leichnam gefunden", sagt Bovenschulte. Das zeige die große Akribie des Teams der Landesarchäologin Uta Halle. Damit werde sichergestellt, dass alles, was auf dem Gelände an der Reitbrake gefunden werden könne, auch gefunden werde.
Bürgerinitiative und Friedensforum wehren sich gegen die Pläne des französischen Bahnkonzerns Alstom, auf dem Gelände eine Bahnwerkstatt zu errichten. Im Zweiten Weltkrieg waren sowjetische Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter an der Reitbrake beerdigt worden. 1948 wurden 446 Leichen exhumiert und in Osterholz beigesetzt. Bislang hatten sich bei den Grabungen ausschließlich Knochenfragmente und rund 60 Erkennungsmarken angefunden. Zwei Drittel des ehemaligen Friedhofsgeländes sind laut Behörde bis dato untersucht worden, etwas weniger als 1200 Quadratmeter stehen noch aus. Voraussichtlich bis Ende März werden die Nachforschungen andauern.