Der Markt für medizinisches Cannabis wächst: In den kommenden drei Jahren könnte sich die Liefermenge in die Hansestadt mehr als verdoppeln. Davon geht der Cannabisimporteur Cansativa aus. Das Geschäft bleibt eine Nische, in den vergangenen zwei Jahren wurde etwas mehr als ein Kilogramm an Bremer Apotheken geliefert. Apotheken in Niedersachsen erhielten in dem Zeitraum 60 Kilogramm.
Zahlen der Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK) Bremen zeigen, dass der Markt klein ist. In den ersten fünf Monaten des Jahres 2021 seien zehn Anträge für Cannabisblüten und zwei Anträge für sogenannte Cannabiszubereitungen bewilligt worden, sagt AOK-Sprecher Jörn Hons. Dabei handelt es sich um noch nicht zu Medizin verarbeitete Ausgangsprodukte. In den vorherigen Jahren seien meist etwa 30 Anträge gestellt und 60 Prozent davon bewilligt worden. Im Bundesland kann medizinisches Cannabis in jeder Apotheke mit einem entsprechenden Rezept gekauft werden. Wie viele Bremer auf Cannabis angewiesen sind, ist nicht bekannt. Zahlen aus Niedersachsen liegen ebenfalls nicht vor.
"In Deutschland werden Cannabis-Präparate vor allem gegen Schmerzen und Spastiken verordnet oder zur Behandlung von chemotherapiebedingtem Erbrechen", erklärt Panagiota Fyssa, Sprecherin der Apothekerkammer Niedersachsen. Die größten Liefermengen erhalten die Bundesländer Bayern, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen. "Das macht über 50 Prozent unseres Absatzes aus", sagt Tim Schäfer, Sprecher von Cansativa. Das Unternehmen aus der Nähe von Frankfurt am Main importiert als Großhändler Cannabis für den Verkauf an Apotheken. Nach einem Ausschreibungsgewinn darf das Unternehmen zudem als einziges das hierzulande hergestellte Cannabis vertreiben.
Seit März 2017 können Ärzte mit Inkrafttreten des entsprechenden Gesetzes Cannabis-Produkte verschreiben. Dafür müssen "nach Einschätzung des behandelnden Arztes diese Mittel spürbar positiv den Krankheitsverlauf beeinflussen oder dessen Symptome lindern", schreibt das Bundesgesundheitsministerium auf seiner Webseite.
Die Importmenge ist in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen. Im ersten Quartal 2020 wurden 1776 Kilogramm Cannabis nach Deutschland eingeführt, im ersten Quartal dieses Jahres 3259 Kilogramm, teilt das Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte (BFARM) mit. Importieren kann jedes Unternehmen, das über entsprechende arzneimittelrechtlichen und betäubungsmittelrechtlichen Genehmigungen von den Landesbehörden respektive der Bundesopiumstelle verfügt.
"Insgesamt sind im Jahr 2020 für medizinische Zwecke 9.231 Kilogramm Cannabisblüten nach Deutschland eingeführt worden – 37 Prozent mehr als im Jahr davor", sagt Jakob Sons, Co-Gründer von Cansativa. Das habe den Bedarf nicht komplett decken können. Laut der Bundesapothekerkammer wurden 2020 gut 350.000 Verordnungen für gesetzlich Versicherte bewilligt, davon waren 284.000 Cannabiszubereitungen und -blüten sowie 68.000 fertige Arzneimittel. Zum Vergleich: 2017 wurden 80.000 Verordnungen ausgestellt.
Auf Grundlage des Gesetzes von 2017 können auch Unternehmen in Deutschland Cannabis für die Medizin anbauen. Drei Firmen haben eine Lizenz: Aurora aus Sachsen-Anhalt und Aphira RX aus Schleswig-Holstein sind Tochterfirmen kanadischer Unternehmen; Demecan aus Sachsen ist ein deutsches Unternehmen. Aphira hat in der vergangenen Woche erstmalig deutschen Cannabis ausgeliefert. Die Anlagen der Mitbewerber sind noch nicht einsatzbereit. Bei Demecan, wo die größte Indoor-Produktion in Europa entsteht, soll es im dritten Quartal 2021 so weit sein, bei Aurora ist noch kein Termin bekannt. Das Cannabis wird für 4,30 € pro Kilogramm an Apotheken weitergegeben.
Über einen Zeitraum von vier Jahren dürfen die drei Produzenten 10.400 Kilogramm herstellen – 2600 Kilogramm pro Jahr. Das ist bereits jetzt zu wenig, um den Markt zu decken. Importe sind deshalb weiterhin uneingeschränkt möglich. Sollten im Übrigen wider Erwarten die 2600 Kilogramm aus deutscher Produktion nicht vollständig abgerufen werden, müssten diese "mit Ablauf der Verfallsfrist vernichtet werden", sagt Cansativa-Sprecher Schäfer.
Parallel zur Legalisierung von medizinischem Cannabis 2017 hat das BFARM eine Studie zum Gebrauch von Medizinalcannabis gestartet. Teilergebnisse dazu wurden im Mai 2020 im Ärzteblatt veröffentlicht. Demnach erhielten 6485 Teilnehmer Dronabinol, auch bekannt als THC. Die Teilnehmer waren im Durchschnitt 60 Jahre alt. Bei der Schmerzbehandlung zeigte sich bei 68 Prozent der Teilnehmer eine Verbesserung; bei einem Prozent verschlechterte sich die Situation. 37 Prozent brachen die Behandlung ab – meist wegen unzureichender Wirkung (47 %). 26,7 % beklagten zu viele Nebenwirkungen, 12,7 % verstarben. Die Todesursachen sind nicht aufgeschlüsselt. Weitere Patienten erhielten Cannabisblüten, -extrakt, Sativex oder Nabilon. Die Patienten, die Blüten erhielten, waren mit 46 Jahren im Schnitt im jüngsten. Die Abbruchs- und Erfolgszahlen waren ähnlich wie bei THC.