Eigentlich ist das Bundeswehrhochhaus von innen jetzt nackt. Nur noch Stahlgerüst und tragender Beton sind übrig. Alles andere ist raus, abtransportiert. Knapp 120 durchweg geförderte Sozialwohnungen sollen die 13 Stockwerke am Ende wieder füllen. Es geht um Ein- bis Zwei-Zimmer-Appartements zwischen 30 und 50 Quadratmetern, eher für junge Menschen gedacht, Studenten und Auszubildende, die spätestens ab 2026 hier einziehen können. Im bislang obersten 14. Stock – früher war hier die Kantine – sind für jedermann anmietbare Konferenzräume vorgesehen.

Ausgegrabener Lüftungsschacht des inzwischen abgerissenen Atombunkers unterhalb des Areals. Er wird auch noch verschwinden.
Zu dem Hochhaus wird sich direkt daneben noch ein achtstöckiger Neubau gesellen. Hier wird es größere Wohnungen geben und zur Straße eine Ladenzeile. Zwischen den beiden Häusern wird ein Garten liegen. Als Q45 vermarktet die Gewoba das ganze, abgeleitet von der Hausnummer des Bundeswehrhochhauses. Das Q steht für Quartier. Als solches bewertet die Gewoba die über 6000 Quadratmeter Gesamtfläche im Viereck Falkenstraße, Daniel-von-Büren-Straße, Breitenweg und Kaufmannsmühlenkamp.
Aktuell braucht es für das alles aber noch etwas Fantasie. Momentan beherrschen Bagger und Sand die Szene. Von außen wächst an der Ostseite gerade ein Gerüst in die Höhe, denn auch die Fassade wird noch entfernt und vollständig erneuert. Dafür wird das Gerüst in den kommendem Monaten langsam um das Gebäude herumwandern. Insgesamt über 9000 Tonnen Baumaterial und Baugrund sind seit Beginn der Abbrucharbeiten angefallen. Das wenigste davon stammt allerdings aus den dem Hochhaus. Der Löwenanteil fiel beim Abriss der Tiefgarage und eines Atombunkers an, der unterhalb des ehemaligen Parkplatzes lag.

Die Projektleitet Johann Christian Plagemann und Dirk Sievers im entkernten Gebäude.
Ein kniffeliger Rückbau nach heutigem Wissensstand. "Das Gebäude ist von 1968, ein ganz schlechtes Baujahr hinsichtlich der Schadstoffe", sagt Johann Christian Plagemann, Projektleiter bei der städtischen Wohnungsbaugesellschaft Gewoba. Von Asbest bis Polychlorierten Biphenylen (PCB) habe man seinerzeit so ziemlich alles verwendet, was heute verboten ist. "Irgendjemand hat es damals sogar für eine gute Idee gehalten, Abstandshalter aus Asbest in den Beton einzuarbeiten", erzählt Plagemann. Eine aufwendige Prüfung ergab, dass das aber nur für einige Wände galt. "Unser Glück, denn der Asbest ist heute kaum noch vom Beton zu trennen und hätte uns bei flächenhaftem Einsatz einige Tausend Tonnen zusätzlichen Sondermülls beschert", sagt der Architekt. Schon so waren insgesamt 300 Tonnen Material als schadstoffbelastet gesondert zu entsorgen.

Das Treppenhaus wird saniert, aber ebenfalls weiter genutzt.
Ohne beständige Analysen des Materials von Wänden, Decken und vor allem der Statik ging es jedenfalls nicht. "Wir hatten nur einige wenige Pläne vorgefunden", berichtet Plagemann. Die waren von 1960, aber erst acht Jahre später wurde tatsächlich gebaut, erfahrungsgemäß abweichend vom ursprünglichen Plan. So stieß man immer wieder auf Überraschungen, die erst einmal Zeit kosteten. Um daraus nicht handfeste Verzögerungen werden zu lassen, wurden Außenarbeiten vorgezogen, während die Entkernung langsam vorankam.
Erhalten bleibt das alte Treppenhaus mit den groben Terrazzoböden, wie sie in den 60er-Jahren des vorigen Jahrhunderts gerne verwendet wurden. Die für ein Verwaltungshochhaus typischen durchgehenden Fensterfronten werden den Umbau ebenfalls überstehen. Allerdings werden die Fenster erneuert und sogar bodentief verlängert. Die neuen Wohnungen werden eine helle und mit höheren Stockwerken aussichtsreiche Angelegenheit, wenn auch ohne Balkone. Der vorhandene Fahrstuhlschacht wird wieder für neue Aufzüge genutzt.
In der Gebäudemitte wird aber noch ein neuer, zusätzlicher Fahrstuhl eingebaut, unter anderem aus Brandschutzgründen. Das heißt, für die Feuerwehr kann er im Ernstfall jedes Stockwerk anfahren. Sonst wird er im Alltag der Turboaufzug sein, der ohne Halt bis in den neuen 15. Stock fährt, aufs heutige Dach. Dort wurde ein Technikraum komplett abgebrochen. An seine Stelle soll ein Restaurant mit Dachterrasse und Blick über Bremen treten. Der neue Aufzug ist ein schwieriger Eingriff ins Gebäude, weil dafür tragende Decken durchbrochen werden müssen. "Für die Baustatiker heißt das, auch zwischenzeitliche Zustände in der Bauphase genau zu berechnen", sagt Dirk Sievers von der Bauleitung der Gewoba.

Die Fensterfronten werden auch in den neuen Wohnungen erhalten bleiben, dann sogar bodentief.
Plagemann spricht von einem insgesamt ehrgeizigen Projekt, denn aus dem über 50 Jahre alten Verwaltungsbau soll am Ende ein modernes Wohngebäude werden. Beim Energieverbrauch wird etwa der heutige Neubau-Standard KfW 55 angestrebt. "Da ist es mit ein bisschen zusätzlicher Dämmung nicht getan, da muss man wirklich bis an die Grundsubstanz." Die hat sich allerdings als ziemlich gut herausgestellt. Beton und Stahlskelett seien in einwandfreiem Zustand, weswegen kompletter Abriss und Neubau schon aus Klimaschutzgründen keine Alternative war. Plagemann empfindet das Vorhaben daher auch ein bisschen als Blaupause für die Zukunft. "Umbau und Aufwertung von Bestandsimmobilien wird uns in der Stadt künftig noch viel häufiger beschäftigen als Neubau."