Außer Spesen nichts gewesen? Wer auf die jüngste Sonntagsfrage schaut, dürfte sich die Augen reiben. Im Vergleich zur Umfrage Anfang Februar hat sich der Zuspruch für die Parteien nämlich fast gar nicht verändert. Das ist erschreckend, denn lief in der Zeit nicht der Wahlkampf? Sind nicht seither Debatten geführt, Plakate geklebt, Wahlprogramme verabschiedet und Kugelschreiber verschenkt worden? Doch ob nun SPD, CDU, Grüne, Linke, FDP und AfD: Allesamt verbuchen sie nach drei Monaten kaum oder keine Gewinne. Die Grünen profitieren nicht mal von der Klimadebatte. Diese Kontinuität ist offensichtlich Ausdruck des wenig elektrisierenden Wahlkampfs. Ihre Deutlichkeit überrascht dennoch. Die Stimmung hat sich kein Stück gedreht. Dabei geht es um so viel. SPD und CDU liefern sich weiter ein enges Rennen kurz vor der Zielgeraden.
Offen ist der Ausgang der Wahl zugleich wegen der Zurückhaltung der Politiker, sich zu bekennen, welches Bündnis denn für sie das liebste oder immerhin vorstellbar ist. Schon jetzt zeichnen sich schwierige Koalitionsverhandlungen ab: Die Grünen sehen sich bei der Finanzpolitik mit den Linken weit auseinander. Probleme gibt es für sie auch mit der FDP. Die Liberalen dürften sich mit ihrem Vorstoß, Unternehmensbeteiligungen Bremens verkaufen zu wollen, in jeder Hinsicht keinen Gefallen getan haben. Damit steht die Partei ziemlich allein da.
Für Rot-Rot-Grün und Jamaika – sehr denkbare Szenarien – sind das alles ungünstige Vorzeichen. "Es hängt eher an den Dritten im Bunde", formulierte es Maike Schaefer just bei einem Zusammentreffen mit Carsten Meyer-Heder. Zu Koalitionen will sich die Spitzenkandidatin nicht bekennen. Das selbst auferlegte Schweigegelübde ist ein kluger Schachzug. Die Grünen können sich als gefühlte Königsmacher ein Stück zurücklehnen.
Wahlkampf wird emotional geführt
In einem Bunde der Dritte zu sein – in Friedrich Schillers "Bürgschaft" ist das ein ergriffen vorgebrachter Wunsch. In der Wahlkampfballade in Bremen ist dagegen wenig Pathos zu spüren. Jeder muss an sich selbst ganz allein glauben. Da hat keiner das Herz des anderen bezwungen. Obwohl der Wahlkampf emotional geführt wird: Die SPD liebt also Bremen. Und Meyer-Heder hat sich die Stadt sogar um seinen Finger gewickelt. Er trägt einen Ring mit ihrer Skyline und nimmt auf Instagram einen imaginären Antrag an: "Bremen: ja, ich will!" Doch offensichtlich bringt die Romantik wenig.
Der Schlagabtausch zwischen SPD und CDU bleibt höflich zurückhaltend. Zwist gibt es wegen der Bebauung der Galopprennbahn, auf Twitter flammt hin und wieder Streit auf, aber ein Kammerspiel fern großer Öffentlichkeit bleibt. Wer weiß schon, ob am Ende doch eine Große Koalition aus dem Koalitionswirrwarr entspringt? Diese Option im Wahlkampf offensiv ins Spiel zu bringen, wäre töricht. Das liegt nicht nur an der ungeliebten Groko auf Bundesebene. Ganz ausschließen will Meyer-Heder, der den Regierungswechsel will und deshalb Jamaika präferiert, sie aber nicht. Dagegen erteilte Fraktionschef Thomas Röwekamp dem Bündnis gerade eine Absage, sollte die SPD das Bildungsressort beanspruchen.
Geradezu Zuneigung der CDU widerfährt dagegen den Grünen. Im Interview mit der "Welt" sagte Spitzenkandidat Meyer-Heder, er sehe "die Grünen als die neue zweite Volkspartei neben der Union". Der Quereinsteiger nennt zuvor Daniel Günther als Vorbild, der in Schleswig-Holstein derzeit das einzige Jamaika-Bündnis führt. Zustimmung gibt es für Schwarz-Grün-Gelb derweil kaum.
In der Gunst am höchsten steht der Status quo: Rot-Grün. Eine Krux, wo die Fortsetzung doch derzeit ausgeschlossen scheint. Das Bekenntnis der Koalitionspartner zueinander bleibt dementsprechend aus. Jens Böhrnsen konnte da vor vier Jahren offenherziger sein. Carsten Sieling druckste im ersten Duell gegen seinen Kontrahenten herum und hielt sich zu Koalitionen ganz zurück: "Wir müssen hinterher verhandeln." Die Linkspartei wiederum setzt in ein Bündnis mit SPD und Grünen durchaus Hoffnungen. "Wir machen das", behauptet der Wahlslogan Tatkraft und negiert den Eindruck, da wolle eine Partei in die Opposition gehen.
Unterm Strich scheint alles möglich. Das hat zumindest einen positiven Effekt: Wo etwas zu entscheiden ist, werden Bürger zum Urnengang motiviert. Als sich 2015 alle Parteien eine Schlappe einfingen, weil nur die Hälfte der Bremer wählte, begründeten 40 Prozent der Nichtwähler, sie seien nicht zur Wahl gegangen, weil der Ausgang ohnehin klar gewesen sei. Das verhält sich nun anders. Der Wahlkampf packt die Wähler trotzdem nicht.
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