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Gericht lehnt Bebauungsplan ab Klimaschutzsiedlung in der Bremer Vahr droht Aus durch Vogelpaar

Eigentlich sollte 2023 Baubeginn für eine Klimaschutzsiedlung in der Vahr sein. Doch nun hat das Oberverwaltungsgericht den aufgestellten Bebauungsplan für ungültig erklärt. Eine Schlappe für das Bauressort.
07.12.2022, 17:37 Uhr
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Klimaschutzsiedlung in der Bremer Vahr droht Aus durch Vogelpaar
Von Christian Hasemann

Sperber gehören mit etwa 35.000 Exemplaren zu den Greifvögeln in Deutschland. Der bis zu 40 Zentimeter lange Vogel - die Weibchen sind übrigens größer - nistet mit Vorliebe im Wald, zu seiner Beute zählen kleinere Vögel wie Meisen oder Amseln. Durch die Aufnahme von Pestiziden über die Nahrung galten Sperber lange Jahre als gefährdet.

Ein Paar des in Deutschland unter Schutz stehenden Greifvogels könnte womöglich dazu beitragen, dass sich ein großes Bauvorhaben in Bremen verzögert oder sogar ganz gestoppt wird. Das Oberverwaltungsgericht Bremen hat in einem sogenannten Normenkontrollverfahren den Bebauungsplan 2518 für ein Grundstück an der Ostpreußischen Straße in der Vahr in seiner jetzigen Form gekippt.

Mit dem Urteil ist der geplante Baubeginn der sogenannten Klimaschutzsiedlung des Unternehmens M-Projekt aus Vegesack, das in Bremen-Nord bereits ähnliche Quartiere entwickelt hat, erst einmal in die Ferne gerückt. Eigentlich sollten auf dem brachliegenden Gelände ab dem kommenden Jahr unter anderem eine Senioreneinrichtung, eine Kita und 119 Wohnungen entstehen.

Walther Erwes hat als Vertreter der Bürgerinitiative Klimawald Gete-Vahr, die das Vorhaben ablehnt, die Verhandlung beobachtet. "Es sind vor allem zwei Punkte deutlich geworden: die Frage des Sperber-Paars und der rechtliche Status des Gumbinnenwegs." Auf dem Gelände war im Vorfeld die Greifvogelart entdeckt worden.

Bürgerinitiative mit eigenen Gutachten

Die Kläger, Anrainer des zukünftigen Baugebiets, hatten mit Unterstützung der Bürgerinitiative zwei eigene Gutachten zu Baum- und Artenschutz in Auftrag gegeben. "Die Bäume sind im vom Investor in Auftrag gegebenen Gutachten unzureichend kartiert worden", sagt Ewers. Viel zu wenig Bäume seien als schutzwürdig eingestuft worden.

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Der Anwalt der Kläger, Andreas Reich, bestätigt auf Nachfrage, dass dies ein Gesichtspunkt der Klage gewesen sei. "Relevant ist, dass dort ein Wald ist und viele Bäume abgeholzt werden müssten." Es sei unter anderem um die Frage gegangen, wie die Bäume zu bewerten seien, welche schutzwürdig seien und welche unter die Waldschutzordnung fielen. In der Verhandlung seien die Gutachterin der Kläger und der Gutachter des Angeklagten, die Baubehörde, vom Gericht gehört worden.

20 Sperber-Paare in Bremen

Anwalt Reich vermutet, dass auch das Sperberpaar für das Gericht relevant gewesen sein könnte. "Es gibt nur 20 Paare in Bremen und es ist ein europäisch geschützter Vogel."

Teil der Klage war auch der rechtliche Status des Gumbinnenwegs – dieser öffentliche Weg sollte künftig als Zufahrt für das Wohngebiet genutzt werden. "Ein öffentlicher Weg, der nicht so einfach privatisiert werden kann", so Ewers, ehemaliger Richter am Landgericht. Im verabschiedeten Bebauungsplan ist ein Teil des Gumbinnenwegs als private Verkehrsfläche ausgewiesen. Der Weg diente und dient Kleingärtnern als Zufahrt zum Parzellengebiet. Über die zukünftige Nutzung des Weges gab es deswegen Gespräche zwischen dem Investor und den Kleingärtnern.

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Welches der Argumente das Oberverwaltungsgericht zu seiner Entscheidung bewogen hat, ist offen. Nach Auskunft eines Gerichtssprechers soll die schriftliche Begründung des Urteils im Dezember veröffentlicht werden. Es würde nicht einer gewissen Ironie entbehren, sollte das Gericht den Bebauungsplan für die Klimaschutzsiedlung wegen naturschutzrechtlicher Bedenken gekippt haben.

Was ist eine Klimaschutzsiedlung?

Als sogenannte Klimaschutzsiedlung soll das Quartier weitgehend autofrei gestaltet werden. Um einen Innenhof herum gruppiert sieht der Architektenentwurf Mehrgeschossgebäude im Westen und an der Konrad-Adenauer-Allee vor. An der Allee sollen außerdem öffentliche geförderte Wohnungen entstehen, eine Kindertageseinrichtung für vier Gruppen sowie ein Seniorenheim mit einem Pflegebereich. Im südöstlichen Bereich des Gebiets sehen die Pläne Reihenhäuser vor.

In Bremen gibt es derzeit vier zertifizierte Klimaschutzsiedlungen. An diese werden besondere Maßstäbe im Hinblick auf die Energieeffizienz gestellt; sie sollen mehr als 50 Prozent weniger CO2-Ausstoß verursachen als herkömmliche Bauprojekte. Das Konzept der Bremer Klimaschutzsiedlung beruht auf dem Programm 100 Klimaschutzsiedlungen in Nordrhein-Westfalen.

Mit der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts ist der jetzige Bebauungsplan unwirksam. Das heißt allerdings nicht, dass er nicht noch nachgebessert werden kann und es doch noch zu einer Bebauung kommt. "Wir warten die Begründung des Gerichts ab und werten diese aus", sagt eine Sprecherin der Baubehörde auf Nachfrage. Danach setze man sich mit dem Investor zusammen. Im schlimmsten Fall müsste das gesamte Verfahren neu aufgerollt werden. Das gilt allerdings als unwahrscheinlich.  Der Investor war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.

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