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Bei Heike und Birte Kaemena Warum Bäuerin? Zwei Bremerinnen erzählen

Mehr als jede dritte Arbeitskraft in der Landwirtschaft ist weiblich, aber nur jede Zehnte ist eine Führungskraft. Bei Heike und Birte Kaemena ist das anders. Ein Besuch auf ihrem Biohof im Blockland.
06.09.2024, 05:00 Uhr
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Warum Bäuerin? Zwei Bremerinnen erzählen
Von Marc Hagedorn

Die Schulklasse hat Pech gehabt. Sie ist eine Stunde zu früh dran. Das Hofcafé bei Kaemenas im Blockland öffnet erst um Zwölf. Chefin Birte Kaemena kann den Mädchen und Jungen anbieten, die Eistheke schon jetzt in Betrieb zu nehmen, aber dafür müsste die Gruppe 20 Minuten warten, bis das Eis servierfähig ist. So viel Zeit haben die unangekündigten Besucher aber nicht.

Um Kunden müssen sich die Kaemenas trotzdem nicht sorgen. Ihr Bio-Eis aus eigener Produktion mit der Milch der eigenen Kühe, Markenname Snuten Lekker, ist vielen Bremern bestens bekannt. 30 Grad sind für diesen Tag vorausgesagt, das heißt, dass nachher sehr wahrscheinlich viele Radfahrer auf dem Biohof Kaemena eine Pause einlegen werden.

Dass der Betrieb, 70 Kühe plus Nachzucht, 80 Hektar Grünwald und seit 600 Jahren im Familienbesitz, Eis verkauft, hat viel mit den Frauen des Hauses zu tun. Schwiegertochter Birte, 41, führt das Hofcafé, Seniorchefin Heike, 65, hatte vor knapp 20 Jahren die Idee mit dem Eis. „Käse wollte ich nicht, Backen ist nicht so mein Ding“, sagt sie, „da habe ich einfach Eis ausprobiert.“

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Gut möglich, dass eine USA-Reise kurz zuvor eine Rolle gespielt hat. Denn mit ihrem Mann Bernhard hatte sie in Vermont Ben&Jerry’s besucht. „Wir haben eine Kuh gesehen, es gab einen Eisstand, da haben wir gedacht: Das funktioniert auch im Blockland.“ Acht bis zehn Mitarbeiter sind inzwischen an den Wochenenden notwendig, um den Ansturm der Besucher zu bewältigen.

Frauen machen (Bio)Landwirtschaft. Das ist das Motto der Bremer Aktionstage Ökolandbau. Bis Ende des Monats öffnen sieben Betriebe in Bremen und umzu ihre Türen, in denen Frauen das Sagen haben beziehungsweise mindestens ein gewichtiges Wörtchen mitreden. Mehr als jede dritte Arbeitskraft in der deutschen Landwirtschaft ist dem Statistischen Bundesamt zufolge weiblich. Eine Führungskraft ist dagegen nur jede Zehnte.

„Wir Frauen können und machen hier alles.“

Bei den Kaemenas ist die Rolle der Frau im Betrieb durchaus ein Thema. „Mann kann alleine nicht arbeiten“, sagt Birte Kaemena. Sie ist studierte Bauingenieurin und hat mehrere Jahre in diesem Beruf gearbeitet. Seit gut zwei Jahren, die drei Kinder gehen zur Schule, ist sie in Vollzeit auf dem Hof im Einsatz. „Wir Frauen können und machen hier alles“, sagt sie, und die Schwiegermutter ergänzt: „Ich behaupte mal ganz frech, dass das für die Männer nicht gilt.“

Das Hofcafé ist eines von mehreren Standbeinen der Familie, in der Birte und ihr Mann Harje jetzt die Entscheidungen treffen. Die Kaemenas betreiben eine eigene Molkerei, mehrere Milchautomaten, eine Hofgalerie und veranstalten regelmäßig Führungen mit Kindergartengruppen und Schulklassen.

Auch bei der Erweiterung des Hofes Mitte der 1990er-Jahre um Ferienwohnungen, fünf sind es heute, hatte eine Frau die Hand im Spiel: Heike. Inspiriert von Ideen aus Österreich, wo im Waldviertel Dorfentwicklung aktiv gestaltet wurde, richteten die Kaemenas die erste Ferienwohnung ein. „Und als der erste Gast in bar bezahlte, hat sich das super angefühlt“, sagt Heike Kaemena, „so musste das sein.“

Umstellung auf Bio-Landwirtschaft

Die BSE-Krise, der Rinderwahnsinn, sei Anfang der 2000er-Jahre der Anstoß gewesen, den Betrieb auf Bio umzustellen. Seit 2005 ist er zertifiziert. Alle in der Familie packen mit an. „Jeder nach seinem Talent“, sagt Heike Kaemena, die selbst viele Jahre als Arzthelferin und Hausverwalterin gearbeitet hat, „und Sie wissen ja: Wenn man das tun darf, was man am besten kann, geht alles leicht von der Hand, und man findet für jedes Problem eine Lösung.“

Sieben Tage die Woche, 24 Stunden am Tag, 365 Tage im Jahr müssen Hof und Tiere versorgt werden. Dafür hilft es, dass sowohl Heike als auch Birte Kaemena von Bauernhöfen kommen. „Birte weiß, wie in der Landwirtschaft die Uhren ticken“, sagt Heike, „das ist eine Menge wert.“ Ein Coach hat der Familie dabei geholfen, dass sich die verschiedenen Generationen bei so viel Nähe nicht auf den Geist gehen.

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Auszeiten und Urlaube können sich alle Parteien auch dank einiger fest angestellter Mitarbeiter erlauben. „Wir können mit Stolz sagen, dass wir hier sehr gerne und zufrieden zusammenleben“, sagt Heike. „Die Kinder können im Freien laufen, wir erwirtschaften etwas aus der Natur, man sieht am Ende des Tages, was man geschafft hat. Das ist Lebensqualität“, sagt Birte.

Das heißt nicht, dass im Blockland alles Bullerbü wäre. Wie alle anderen landwirtschaftlichen Betriebe in Deutschland stehen auch die Kaemenas unter Druck. Investitionen in den Betrieb, nicht selten in sechsstelliger Höhe, sind weitreichende Entscheidungen. Und die ausufernde Bürokratie und Dokumentationspflicht frisst immer mehr Zeit, die für Tier und praktische Arbeit dann fehlt.

Trotzdem geht es immer weiter. Birte Kaemena hat zuletzt einen Trinkjoghurt erfunden. Geschmacksrichtungen Mango, Himbeere und Heidelbeere, zu haben im Hofladen, aber auch in ausgewählten Cafés, Restaurants und Supermärkten in Bremen und umzu. „Aber Vorsicht“, sagt Heike Kaemena, ganz Geschäftsfrau, „Suchtgefahr.“

Zur Sache

Bremer Aktionstage Ökolandbau

"Frauen machen (Bio)Landwirtschaft" lautet das Motto der 27. Bremer Aktionstage Ökolandbau, die der Verein Sozial-Ökologie veranstaltet. Sieben Höfe, auf denen Frauen eine entscheidende Rolle spielen, laden bis Ende des Monats ein, sie zu besuchen. Anmeldungen sind unter der Telefonnummer 0421/3499077 oder per Mail an info@verein-sozialoekologie.de möglich.

Anna Wagner-Puvogel betreibt einen Biohof in Fischerhude. In ihrem Milchviehbetrieb praktiziert sie kuhgebundene Kälberhaltung (Sonnabend, 7. September, 15 bis 17 Uhr).

Elisabeth Fresen vom Stoffers Hof in Verden-Eitze ist Mutter, Betriebsleiterin und in der Agrarpolitik aktiv (Dienstag, 10. September, 16.30 bis 18.30 Uhr).

Ada Fischer führt seit über 30 Jahren in Cuxhaven einen Hof mit Hühnern und Sattelschweinen. Ihre Angusrinder grasen auf den Salzwiesen an der Nordsee (Sonnabend, 14. September, 16 Uhr).

Nadia Bremer vom Biohof Bremer in Riepholm verkauft ihre Produkte jeden Freitag in der Feldstraße 103 in Bremen. Dort erzählt sie unter anderem von ihrem Projekt Modell-Acker (Freitag, 20. September, 18.30 bis 20 Uhr).

Auf dem Furthhof von Antje Manek in Schwanewede geht es um Kräuter. In einem Workshop verarbeitet sie Kräuter zu Kräuterbutter und Kräuterquark (Sonnabend, 21. September, 15 Uhr; Anmeldung erforderlich).

Im Blockland führen Heike und Birte Kaemena vom Biolandhof Kaemena über ihren Hof, zu Kühen, Milchautomat, eigener Molkerei und Eiscafé (Dienstag, 24. September, 15 Uhr).

Der Abschluss der Hofbesuche findet bei Carolin Seevers auf dem Buschhof in Syke statt. Zusammen mit ihrem Vater hat sie den Betrieb auf Bio umgestellt (Sonnabend, 28. September, 14 Uhr).

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