Das Neun-Euro-Ticket wurde im ersten Monat deutschlandweit und auch in Bremen gut angenommen. Die Folgen sind nicht nur vollere Züge, Busse und Straßenbahnen – auch in anderen Bereichen hat das Aktionsangebot Auswirkungen.
Verkaufszahlen: Die Bremer Straßenbahn AG (BSAG) hat einem Sprecher zufolge im Juni etwa 129.000 Neun-Euro-Tickets verkauft. Rund 123.000 bestehende Abos wurden auf den Preis von neun Euro reduziert. Der Verkehrsverbund Bremen/Niedersachsen (VBN) hat laut eigenen Angaben über die VBN-App etwa 56.000 Tickets abgesetzt – wie hoch der Bremer Anteil ist, lasse sich nicht sagen. Die Zahl enthalte auch Verkäufe für Juli und August. Von bundesweit mehr als zehn Millionen Verkäufen berichtet die Deutsche Bahn (DB). Einer Firmensprecherin zufolge liegen keine Zahlen für einzelne Bundesländer vor – der Bremer Anteil dürfte aber nach gängigen Schätzwerten zwischen 50.000 und 100.000 Tickets liegen.
Auch wenn bei der DB schon Verkäufe für Juli und August eingerechnet sind, deuten die vorliegenden Zahlen in Summe darauf hin, dass rund die Hälfte aller Bremerinnen und Bremer den ÖPNV im Juni für neun Euro genutzt haben könnte. Bundesweit seien bislang 21 Millionen Neun-Euro-Tickets verkauft worden, teilte der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen am Donnerstag mit.
Nutzung:
Die Fahrgastzahlen im Juni hätten – verglichen mit Mai – um 15 bis 17 Prozent höher gelegen, sagt BSAG-Sprecher Andreas Holling. Insgesamt sei im Juni das Vor-Corona-Niveau erreicht worden. Erkennbar sei, dass das Neun-Euro-Ticket neue Kunden angelockt habe, die den ÖPNV im „Freizeitverkehr“ nutzten. Weniger attraktiv ist das Angebot offenbar für Pendler: „Einen starken Wechsel, beispielsweise vom Auto zum ÖPNV, beobachten wir in dieser Personengruppe nicht“, so Holling.
Die Nordwestbahn (NWB) sei stärker ausgelastet als üblich, wobei genaue Fahrgastzahlen für den Juni noch nicht zur Verfügung stünden, sagt Robert Palm, der bei der NWB für die Regio-S-Bahn und das Weser-Ems-Netz verantwortlich ist. Besonders hoch sei die Auslastung an Wochenenden. Dass Fahrgäste stehen müssen, komme regelmäßig vor, so Palm. In Einzelfällen hätten auch nicht alle Passagiere mitgenommen werden können. Eine Liste mit solchen Fällen liegt dem WESER-KURIER vor. Die Deutsche Bahn meldet für den Juni einen Fahrgastzuwachs von zehn bis 15 Prozent im Regionalverkehr – verglichen mit einem Zeitraum Ende 2019.
Verkehr: Eine Analyse des Verkehrsdatenspezialisten Tomtom zeigt für 23 von 26 untersuchten Städten im Juni einen Rückgang von Staus im Vergleich zum Mai – darunter auch Bremen und Hannover. In beiden Städten hat sich die Gesamtstauzeit demnach um vier Prozent verringert. Die Daten „lassen vermuten, dass dieser Rückgang in Zusammenhang mit der Einführung des Neun-Euro-Tickets steht“, sagt Tomtom-Verkehrsexperte Ralf-Peter Schäfer. Vor allem Pendler hätten fast überall weniger Zeit verloren als im Mai.
Wenig begeistert vom Neun-Euro-Ticket ist das Fernbusunternehmen Flixbus: Firmensprecher Sebastian Meyer bestätigt eine sinkende Nachfrage nach Busfahrten und Umsatzeinbußen, ohne diese näher zu beziffern. Das Neun-Euro-Ticket werde sich „als Strohfeuer entpuppen, das keine nachhaltigen Effekte in Bezug auf das Mobilitätsverhalten der Menschen haben wird“. Der E-Scooter-Anbieter Tier sieht laut eigener Aussage in Bremen keine Anzeichen dafür, dass Nutzer in großer Zahl vom Roller zum ÖPNV wechseln. Im Gegenteil: Unternehmenssprecher Patrick Grundmann berichtet, dass sich die Nachfrage vor allem in Bahnhofsnähe und an Haltestellen verstärkt habe.
Innenstädte: In einigen Innenstädten zeigen Zählungen, dass seit Einführung des Neun-Euro-Tickets die Besucherfrequenz zugenommen hat. Nach Informationen des WESER-KURIER gibt es auch in Bremen Hinweise auf einen solchen Effekt, wobei genaue Zahlen noch nicht vorliegen. Im Aufwind ist offenbar die Tourismusbranche: Die Hotelauslastung liege derzeit bei rund 75 Prozent, sagt Juliane Scholz von der Wirtschaftsförderung Bremen. Damit belege man bundesweit den vierten Platz – die Tendenz sei in Richtung Sommerferien weiter steigend. „Nach unserem Eindruck ist die Stadt zurzeit sehr gut besucht“, sagt Scholz.
Inwieweit das auf die Werbekampagne der Bremer Touristik-Zentrale (BTZ) zurückzuführen ist, lasse sich noch nicht genau sagen. Die BTZ wirbt mit dem Slogan "Moin für neun" und verschiedenen Vergünstigungen um Touristen, die das Neun-Euro-Ticket nutzen.