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Made in Bremen Warum ein Bremer Ersatzteile für Flipperautomaten verkauft

Alter Flipperautomaten sind mittlerweile Sammlerstücke. Wenn etwas kaputt geht, hilft Michael Kranz. Der Bremer betreibt einen Onlineshop für Flipper-Ersatzteile.
11.10.2020, 05:00 Uhr
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Warum ein Bremer Ersatzteile für Flipperautomaten verkauft
Von Stefan Lakeband

Michael Kranz geht zum Lachen in den Keller – beziehungsweise dann, wenn er etwas Spaß haben will. Treppe runter, dann nach links. Da wo es blinkt, wo die Musik aus der Jukebox kommt, da wartet das Vergnügen. Es ist der Inbegriff eines Hobbykellers, was Kranz da im Untergeschoss seines Altbaus hat. Und auch ein Stück weit sein Büro.

Michael Kranz sammelt alte Flipperautomaten. Dieses Hobby hat er zwar nicht zum Beruf gemacht, aber immerhin zum Nebenerwerb. Er ist Inhaber von flipperteile.de, einem Onlinehändler für – nun ja – Flipperteile.

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Es gibt viele Menschen, die die Leidenschaft von Kranz teilen. Auf der ganzen Welt haben die alten Spielautomaten Freunde, da stehen die Maschinen in Kellern, Lagerhallen und in die Jahre gekommenen Bars. Und wie es nun mal so ist mit Sachen, die alt sind und häufig gebraucht werden: Irgendwann geht immer etwas kaputt. Mal reißt ein Gummi, mal wird etwas porös, mal verschleißt die Mechanik. Für all diese Fälle hat Kranz mit seinem Onlineshop Ersatzteile. Dazu gekommen ist Kranz aus einem einfachen Grund: Er hatte die gleichen Probleme wie alle Flipperfreunde.

Michael Kranz, 1970 geboren, im Hauptberuf Projektmanager, war nie jemand, der sich in Spielotheken rumgetrieben hat, nie gezockt hat. Zum Flippern kam er durch Zufall. „Mit meinen Freunden habe ich mich früher in einem Bistro getroffen“, erzählt er heute. In der Ecke habe ein Flipperautomat gestanden, der defekt gewesen sei. Kranz und seine Freunde konnten spielen, ohne eine Münze einwerfen zu müssen. „Und ab da war ich angefixt“, sagt Kranz.

Über den Tisch gezogen

Mit einem Freund zusammen will er sich einen Flipper kaufen. Sie suchen und werden bei den Kleinanzeigen in der Zeitung fündig. Zuhause stellen sie fest: „Wir wurden über den Tisch gezogen.“ Die Platine des Flippers sei hinüber gewesen. Keine Kugeln, die über die Spielfläche sausen, nichts blinkt. Game Over.

Anstatt das Projekt Flipper zu begraben, packt Kranz der Ehrgeiz des Bastlers. Er organisiert sich eine alte Gebrauchsanleitung und repariert den Spielautomaten. Dabei kommt ihm eine Idee: „Wenn es mir so geht mit dem Flipper, dann geht es sicher noch mehr Leuten so.“ Mitte der 90er-Jahre eröffnet der Projektmanager daher eine Online-Tauschbörse für Gebrauchsanleitungen. Die Plattform wird zu einer beliebten Anlaufstelle für Flipperfreunde. Daraus erwächst die nächste Idee: „Wer Flipper repariert“, denkt sich Kranz, „der braucht auch Ersatzteile.“ Er gründet einen kleinen Shop – vor rund 20 Jahren war das.

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Mittlerweile ist flipperteile.de ein lukrativer Nebenerwerb mit Kunden auf der ganzen Welt. Mehr als 3000 Ersatzteile hat er im Angebot: Elektronik, Federn, Knöpfe und natürlich Kugeln. Einmal, so erzählt es Kranz, habe er einem Hotelbesitzer in Thailand geholfen. Der hatte einen alten Flipper, doch durch die hohe Luftfeuchtigkeit rosteten die Kugeln zu schnell. Ob Kranz nicht helfen könne? „Mittlerweile habe ich ein großes Netzwerk“, sagt er. Er kennt Sammler, aber auch Hersteller von Ersatzteilen. So kommt er an passende, nicht rostende Kugeln.

Und weil Kranz selbst eine Leidenschaft für Flipper hat, kennt er die Wünsche seiner Kunden genau. Bis zu drei Mal täglich bringt er Pakete zur Post. „Mein Ehrgeiz ist es, so schnell wie möglich zu verschicken“, sagt er. Denn wer einen Flipper auseinander gebaut habe, will nicht lange auf das nötige Ersatzteil warten. Mehrere Dutzend Bestellungen gehen pro Tag bei ihm ein. Dafür arbeitet er auch manchmal bis spät in den Abend.

Preise sind explodiert

Dass man jetzt noch einen Flipper in „freier Wildbahn“ finde, sagt Kranz, sei äußert selten. Früher hätten sie in Kneipen und Spielotheken gestanden und sollten den Betreibern Geld bringen. Mittlerweile wurden sie häufig von elektronische Spielautomaten abgelöst. Viele Flipper von damals seien verschrottet – oder eben in Sammlerhand. Zuletzt seien die Preise explodiert. „Zwischen 500 und 10.000 Euro ist alles möglich“, sagt der Shopinhaber.

Auch wegen dieser hohen Preise pflegten und hegten Flipperbesitzer ihre Geräte. Besonders dann, wenn die Tage kürzer werden. „Es ist ein Saisongeschäft“, sagt Kranz. Im Herbst und im Winter, wenn man draußen weniger machen könne, bekomme er mehr Bestellungen. Dann würden sich die Leute um ihre Flipper kümmern. Doch in diesem Jahr war einiges anders – auch Kranz spürt die Corona-Krise: Im Frühjahr und im Sommer – als wahrscheinlich viele seiner Kunden von zu Hause aus gearbeitet haben oder durch Kurzarbeit mehr Freizeit hatten – habe er mehr Bestellungen als sonst bekommen. So gesehen ist er ein Profiteur der Krise.

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Selbst flippert Kranz nur noch wenig, obwohl er einen voll ausgestatteten Keller hat. Da steht Batman neben Arnold Schwarzenegger neben Dracula. Popkultur sei ein beliebtes Motiv für Flipper gewesen, sagt Kranz. Sein Lieblingsgerät sei die „Creature from the Black Lagoon“, angelehnt an den gleichnamigen Horrorfilm aus dem Jahr 1954.

Optisch unterscheiden sich die Spielgeräte – häufig auch spielerisch. Umso tragischer erscheint da ein Satz, den Kranz sagt und der sich banal anhört, aber eine bittere Wahrheit in sich trägt. „Jeder Flipper, den es nicht mehr gibt, ist weg.“ Geht einer für immer kaputt, kommt kein neuer nach. Wie ein Oldtimer, der in der Schrottpresse landet, so ähnlich sei es bei den Flippern. Auch deswegen sind Kranz’ Ersatzteile so gefragt.

Beim Flippern lernen sich alle kennen

An so einem Flipper hängt aber noch mehr. Es sei nicht nur der Zeitvertreib, das bloße Spiel. Kranz geht es auch um die Geselligkeit. „Beim Flippern lernen sich alle kennen“, sagt er. Bei Feiern sammle sich immer eine kleine Gruppe um einen der Flipper. Man gebe sich gegenseitig Tipps, spiele gegeneinander und lache gemeinsam. „Das macht für mich auch die Faszination aus.“

Kranz selbst fehlt oft die Zeit zum Flippern. Er hat Familie, Haus und Job – „der typische Flippersammler“ eben. Und dann ist da natürlich auch sein Onlineshop, der irgendwie sein Hobby ist beziehungsweise das Hobby, das auch sein Onlineshop ist. Egal, wie man es sehen möchte. Für Kranz zählt, dass die Kugel rollt.

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