Der Stahlhersteller Arcelor Mittal will Ende September einen seiner beiden Hochöfen in Bremen "bis auf Weiteres" stilllegen. Grund seien die "exorbitant gestiegenen Energiepreise", teilte das Unternehmen mit. Hinzu kämen eine schwache Marktnachfrage, ein negativer Wirtschaftsausblick sowie anhaltend hohe CO2-Kosten in der Stahlproduktion.
„Die hohen Kosten für Gas und Strom belasten unsere Wettbewerbsfähigkeit stark. Dazu kommt ab Oktober die geplante Gasumlage der Bundesregierung, die uns weiter belasten wird“, erklärt Reiner Blaschek, Chef von Arcelor Mittal Germany und des Werks in Bremen. „Als energieintensive Industrie sind wir davon extrem betroffen. Mit einer Verzehnfachung der Gas- und Strompreise, die wir innerhalb weniger Monate hinzunehmen hatten, sind wir nicht mehr wettbewerbsfähig. Wir sehen dringenden politischen Handlungsbedarf, um die Energiepreise umgehend in den Griff zu bekommen."
Bovenschulte: "Hochgradig alarmiert"
Bremens Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) hat sich aufgrund der aktuellen Lage an diesem Freitag in einem Brief an Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) gewandt: "Ich bin angesichts dieser Nachricht hochgradig alarmiert, sehe ich doch die Zukunft der Stahlwirtschaft in Deutschland, und damit eines Kerns der deutschen Industrie, als akut gefährdet an – sowohl in Bremen, als einem der größten deutschen Industriestandorte, als auch sicher deutschlandweit", heißt es in dem Schreiben, das dem WESER-KURIER vorliegt.
Die Stahlbranche befinde sich gerade in einem Transformationsprozess hin zu einer klimaneutralen Produktion. "Aber dieser Prozess benötigt Zeit und wir müssen verhindern, dass durch die explodierenden Energiekosten den Unternehmen diese Zeit genommen wird", schreibt Bovenschulte. Er begrüße Überlegungen zur Anpassung bestehender Entlastungsprogramme für Unternehmen, "daher ist es so immens wichtig, schnell zu einer Verständigung über ein 3. Entlastungspaket zu kommen", heißt es weiter.
Teil dieses Pakets müssten auch Maßnahmen sein, die sich generell deutlich dämpfend auf die Strom- und Energiepreise auswirkten – "insbesondere für diejenigen, die durch die aktuellen Entwicklungen in ihrer Existenz bedroht sind". Zudem müssten "alle in der derzeitigen Ausnahmesituation verantwortbaren Maßnahmen zur Ausweitung der Kapazitäten der Stromerzeugung ergriffen werden", so Bovenschulte an den Bundeskanzler.
Betroffen von den geplanten Stilllegungen ist auch das Hamburger Langstahlwerk, in dem Arcelor Mittal Walzdraht produziert. Dort wird ab dem vierten Quartal die Direktreduktionsanlage außer Betrieb genommen werden. In beiden Werken gebe es bereits jetzt Kurzarbeit, die durch die anstehenden Maßnahmen ausgeweitet werden müsse, teilte Arcelor Mittal mit. Auch an den Produktionsstandorten in Duisburg und Eisenhüttenstadt werde aufgrund der angespannten Lage bereits Kurzarbeit angewandt.
Arcelor Mittal fordert Entlastungen über einen europäischen Industriestrompreis. Ein erster Schritt müsse sein, das Strommarktdesign anzupassen, damit nicht der Erdgaspreis allein ausschlaggebend für die Strompreise ist. Die geplante Gasumlage dürfe außerdem nicht noch zusätzlich auf die bereits sehr hohen Spotmarktpreise aufgeschlagen werden. "Diese Maßnahmen müssen mit höchster Priorität vorangetrieben werden, um so schnell wie möglich eine Verbesserung der Situation zu erreichen", fordert Blaschek.