Eine unmögliche Situation, für die schnelle Abhilfe geschaffen werden muss – das ist die weitverbreitete Haltung zu einer Baustelle in Bremens sogenannter guter Stube. Das Bankhaus Neelmeyer, direkt am Marktplatz gelegen, wird seit August aufwendig saniert. Die Arbeiten an dem 20-Millionen-Euro-Projekt ziehen sich noch bis ins kommende Jahr hin – solange muss an dem exponierten Ort mit Bauzäunen, Gerüsten und parkenden Autos gerechnet werden. Ein Problem insbesondere für die Böttcherstraße. Sie wird in der städtischen Werbung als „Bremens heimliche Hauptstraße“ angepriesen und kann zurzeit nur durch einen schmalen Gerüstgang betreten werden. Tourismuswirtschaft, Gewerbetreibende und das Bremer Projektbüro Innenstadt fordern vor der Sommersaison Veränderungen und haben bereits Vorschläge erarbeitet.
Bauherr an dieser Stelle ist die Gustav-Zech-Stiftung. Sie hat das Bankhaus, das aus drei zusammengelegten Gebäuden besteht, vor zwei Jahren von Neelmeyer erworben und lässt die Immobilie gerade entkernen. Nach der Fertigstellung wird die Privatbank, eine Tochter der Oldenburgischen Landesbank, als Mieterin zurückkommen; in den oberen Geschossen ist Platz für weitere Unternehmen.
Carl Zillich freut diese Entwicklung zunächst einmal: „Einfach mal machen ist gut für die City“, erklärt Bremens Innenstadtbeauftragter. Den Sanierungsstau in derart zentraler und sichtbarer Lage zu beheben, sei wichtig für alle Beteiligten. „Das Bekenntnis zum Standort und die sicher beachtlichen Investitionen sollten aber in guter Nachbarschaft geschehen“, so Zillich. Der Leiter des Projektbüros wünscht sich mehr Engagement, um die Baustelle verträglicher zu machen: „Der Bremer Marktplatz und das gegenüberliegende Welterbe haben mehr verdient, als Bauzaun und der Gerüstgang in die Böttcherstraße zurzeit hergeben.“
Besuchermassen müssen unter einem Gerüst hindurchgehen
„108 Meter Kunst, Kultur und Gastronomie“ – ein Werbeslogan der Böttcherstraße GmbH, die sich als Generalmieterin der Gebäude um den Betrieb der fast 100 Jahre alten Gasse mit ihrer aufsehenerregenden, expressionistischen Architektur kümmert. Kino, Museum, Touristen-Information, Handwerkerhof, Glockenspiel, Himmelssaal, – das sind neben den diversen Läden und Gastronomiebetrieben die Attraktionen der Straße, die vom Marktplatz zur Martinistraße führt. „Wir haben im vergangenen Jahr 2,7 Millionen Besucherinnen und Besucher gezählt, allein im August waren es 312.000“, berichtet Böttcherstraßen-Geschäftsführerin Susanne Gerlach. Ihr werde mulmig zumute, wenn sie bei solchen Massen daran denke, wie die Menschen unter dem Gerüst vom Marktplatz in die Gasse strömen. Zu wenig Platz, meint sie, schlechte Beleuchtung und lieblose Gestaltung. „Am Eingang sieht man nicht, wo man landet“, kritisiert Gerlach.
Sie hat sich etwas überlegt, will darüber aber zuerst mit dem Bauherrn sprechen. Nur so viel: „Es könnte am Marktplatz ein großes Portal geben, als deutlicher Hinweis für die Touristen.“ Vielleicht den Lichtbringer vorziehen, schlägt Gerlach vor. Das großformatige, vergoldete Bronzerelief, ein Kunstwerk von Bernhard Hoetger, prangt seit 1936 über der Böttcherstraße. Das wird Geld kosten, die Rede ist von einem mittleren fünfstelligen Betrag. Wer bezahlt? Der Bauherr?
„Wir sind in einer Großstadt, und dort wird gebaut“, stellt Gerlach klar, dass sie durchaus bereit sei, Beeinträchtigungen hinzunehmen. Der Geschäftsführerin geht es nach ihren Worten mehr um das Fingerspitzengefühl an einem so sensiblen Ort. Sie hätte sich mehr Entgegenkommen gewünscht.
Einen ähnlichen Tenor hat die Stellungnahme der Handelskammer, die mit dem Schütting an die Baustelle grenzt: „Grundsätzlich sind Baumaßnahmen wie die auf dem Marktplatz ein positives Zeichen, dass in die Innenstadt investiert wird“, erklärt Kammer-Syndikus Stefan Offenhäuser, „aber natürlich sollte bei solchen Projekten darauf geachtet werden, dass die Behinderungen so gering wie möglich ausfallen.“
Die Zech-Stiftung jedoch erkennt keine Versäumnisse: „Wir waren wiederholt in Gesprächen mit der Böttcherstraßen GmbH“, versichert Projektleiter Jens Christian Weiland. Sollte es Vorstellungen geben, zum Beispiel die Bauzäune anders zu gestalten, sei der Bauherr offen dafür. Das ist genau das, was sich Bremens Tourismus-Chef Oliver Rau wünscht: „Wenn jemand so etwas in unserer guten Stube plant, muss man sich vorher zusammensetzen. Ich würde mich freuen, sollte es jetzt dazu kommen.“