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Auf dem Weg zum grünen Stahl EWE will Bremer Hütte mit Wasserstoff versorgen

Für den "grünen Stahl" der Zukunft benötigt die Bremer Hütte Wasserstoff – und zwar jede Menge. Jetzt haben die Stahlmanager einen ersten Liefervertrag auf den Weg gebracht.
15.01.2024, 12:33 Uhr
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EWE will Bremer Hütte mit Wasserstoff versorgen
Von Christoph Barth

Der Energieversorger EWE will das Bremer Stahlwerk ab 2028 mit umweltfreundlichem Wasserstoff beliefern. Eine entsprechende Absichtserklärung haben EWE und der Stahlkonzern Arcelor-Mittal jetzt unterschrieben. Klimaneutral erzeugter Wasserstoff gilt als eine der entscheidenden Voraussetzungen dafür, die Hüttenwerke auf die Produktion von "grünem Stahl" umzustellen. Das Bremer Stahlwerk, das zurzeit für die Hälfte der CO2-Emissionen im Land Bremen verantwortlich ist, will ab Mitte der 2020er-Jahre mit der Herstellung von klimaneutral erzeugtem Stahl beginnen.

Wofür brauchen die Stahlwerke Wasserstoff?

Zurzeit entsteht Stahl in einem zweistufigen Verfahren: Im Hochofen wird Eisenerz mithilfe von Koks zu Roheisen "geschmolzen" (oder technisch korrekt: reduziert). Im Stahlwerk wird dieses dann in großen Konvertern durch Aufblasen von Sauerstoff zu Stahl veredelt. Vor allem im Hochofen entstehen dabei große Mengen an Kohlendioxid. Deshalb soll das Roheisen künftig in einer sogenannten Direktreduktionsanlage (DRI) erzeugt werden – mit Wasserstoff statt mit Koks. Der so gewonnene Eisenschwamm wird dann zusammen mit Schrott in einem Elektrolichtbogenofen zu Stahl eingeschmolzen.

Wo kommt der Wasserstoff her?

Wasserstoff lässt sich durch die Aufspaltung von Wasser in seine Einzelbestandteile gewinnen: Wasserstoff und Sauerstoff. Das geschieht in einem Elektrolyseur, der dafür große Mengen Strom benötigt. Wenn dieser Strom aus erneuerbaren Quellen stammt (Sonne, Wind), entsteht klimaneutraler "grüner Wasserstoff".

Warum eignet sich Norddeutschland besonders gut für die Wasserstoffproduktion?

Norddeutschland bietet nach Ansicht von EWE-Chef Stefan Dohler die besten Voraussetzungen für die Produktion von grünem Wasserstoff. Die Windräder an der Küste und auf dem Meer lieferten reichlich Strom, der wegen fehlender Leitungen oft gar nicht abtransportiert werden könne. Diese überschüssigen Strommengen will Dohler für die Produktion von Wasserstoff einsetzen, den man gut speichern und transportieren könne. "Ich halte es für sinnvoller, den Strom hier bei uns für die Produktion von Wasserstoff zu verwenden, als immer mehr Stromleitungen in den Süden zu bauen", sagt er. "Wir können hier der Ruhrpott von morgen, nur in sauber, werden.

Welche Standorte plant EWE für seine Elektrolyseure?

Bereits im Bau befindet sich ein Elektrolyseur auf dem Gelände der Bremer Hütte, den EWE zusammen mit seiner Tochtergesellschaft SWB betreiben will. Leistung: 10 Megawatt (MW). Er soll dieses Jahr in Betrieb gehen. Ein zweiter Elektrolyseur mit einer Leistung von 50 MW ist in Planung. Die vorerst größte Anlage soll in Emden entstehen, wo viel Offshore-Windstrom angelandet wird. Investitionskosten: rund 600 Millionen Euro. Der Elektrolyseur soll eine Leistung von 320 MW haben. "Zusammen hätten wir dann eine Kapazität von rund 400 Megawatt an Elektrolyseleistung", rechnet Dohler vor. "Das reicht für die Produktion von 40.000 Tonnen Wasserstoff im Jahr."

Reicht das für die Versorgung der Bremer Hütte?

Nein. "Wir brauchen ungefähr das Dreieinhalbfache", sagt Frank Hohlweg, Vorstandsmitglied von Arcelor-Mittal Bremen und verantwortlich für die Eisen- und Stahlerzeugung der Hütte. Die Ingenieure rechnen mit einem Bedarf von 140.000 Tonnen Wasserstoff im Jahr für die geplante DRI-Anlage und diverse Öfen. Dazu kommen 1500 Megawatt an elektrischer Leistung für die beiden neuen Schmelzöfen im Stahlwerk. EWE traut sich einen Ausbau seiner Wasserstoff-Kapazitäten bis in den Gigawattbereich (1000 MW) zu. "Deutschland wird aber in seiner Energieversorgung nie autark und auch in Zukunft auf Importe angewiesen sein", räumt EWE-Chef Dohler ein.

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Woran hapert es zurzeit?

Sowohl EWE als auch Arcelor-Mittal warten weiterhin auf die Fördermittel für ihre Projekte. Bund und Land sind bereit zu zahlen. Was fehlt, ist die Genehmigung der staatlichen Förderung durch die EU-Kommission. "Ein Trauerspiel", schimpft EWE-Chef Dohler. Der 320-MW-Elektrolyseur in Emden sollte 2026 in Betrieb gehen, jetzt wird es vor 2027 nichts mit der ersten Wasserstoff-Lieferung. Auch bei Arcelor-Mittal wartet man seit zweieinhalb Jahren auf grünes Licht aus Brüssel – der geplante Starttermin für die grüne Stahlproduktion im Jahr 2026 ist nicht mehr zu halten. Das Problem: Die Konkurrenz von Thyssen-Krupp, Salzgitter und Saarstahl hat ihre Förderbescheide bereits bekommen und kann die Anlagen in Auftrag geben, Arcelor-Mittal muss sich hinten anstellen. "Wir haben unsere ,Pole Position' verloren", beklagt Produktionschef Hohlweg.

Wird der Stahl teurer?

Ja, denn grüner Wasserstoff ist teurer als Koks, und auch die Strompreise steigen. Wie viel teurer der grüne Stahl sein wird, lasse sich noch nicht genau sagen, so Hohlweg. "Das hängt natürlich davon ab, wie viel grüner Wasserstoff und Strom aus erneuerbaren Energien am Ende kosten", erklärt er. "Das Wichtigste ist: Wir brauchen Klarheit über die künftige Energiestrategie der Bundesregierung." Denn die Bremer Hütte konkurriert im weltweit agierenden Arcelor-Mittal-Konzern mit anderen Standorten um die Milliardeninvestitionen in die neue Technik.

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