Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Suding & Soeken Warum Bremer Farbe ins Weltall fliegt

Die Firma Suding & Soeken gibt es seit 1888. Das Unternehmen ist Bremens einziger Hersteller von Farben und Lacken mit seiner Marke Reesa. Ein neues Einsatzgebiet ist buchstäblich abgehoben.
28.01.2024, 07:24 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Warum Bremer Farbe ins Weltall fliegt
Von Lisa Schröder

Enzianblau ist nicht Capriblau und erst recht nicht Himmelblau. Für viele mag es sich einfach um drei Varianten einer Farbe halten. In der Welt von Andreas Philipp geht es jedoch um die feinen Unterschiede. Als Nuanceur beim Farbenhersteller Suding & Soeken schaut er genau auf die entstandenen Mischungen: Ist der Wunsch des Kunden getroffen?

Im Labor hilft bei der Farbbestimmung zwar die Technik. Doch auf seine Augen kommt es trotzdem an, wenn es etwa ums Nachtönen geht. Für die Aufgabe brauche es Talent, sagt Philipp: "Das ist kein Ausbildungsberuf. Man muss sich da reinfuchsen."

Seit 1888 gibt es das Unternehmen Suding & Soeken. Es ist bis heute unabhängig. "Das erfüllt uns schon mit ein bisschen Stolz", sagt Geschäftsführer Christian Reich. Am Markt hätten zwar einige Konsolidierungen stattgefunden. Bremens einziger Hersteller und zugleich Entwickler und Händler von Farben und Lacken sei aber weiter eigenständig. Für einen Mittelständler sei das schon eine Leistung.

Kunden für die hochwertigen Farben sind vor allem Profis. "Egal, ob es der Lackierer oder Maler ist – er braucht funktionierende Produkte", sagt Reich. "Wenn es beim Anstrich eine Störung gibt, hat der Hersteller echt ein Problem." Die Farbe soll mit dem ersten Auftrag decken. Auf die Qualität wird darum streng geachtet. Immer wieder stehen in der Produktion in Hemelingen kleine Pappbecher neben den Bottichen – zum Ziehen von Proben.

Ganz neu ist der erste Roboter in der Unternehmensgeschichte. Hinter einem Käfig wartet der Roboterarm geduldig auf den nächsten Farbeimer. Er hilft beim Stapeln der Ware auf Paletten. Christoph Grotzke kontrolliert die Abläufe. "Alle aus unserer Abteilung haben hier schon mal dran gearbeitet. Das ist Knochenarbeit gewesen", sagt er. Der Roboter bringe Erleichterung. Einen Spitznamen hat er auch schon bekommen: "Ich habe ihn Gregor getauft." So hieß ein Kollege, der früher viele Jahre die Aufgabe erledigt habe.

Suding & Soeken stellt neben Baufarben vor allem Industrielacke her. Das ist der größte Geschäftsbereich. Die Einsatzgebiete sind vielfältig: vom Container bis hin zum Anstrich für Nutzfahrzeuge. Von Suding & Soeken kommt auch der jüngste Anstrich für die Bremer Teerhofbrücke. "Farbe und Lacke verschönern eben nicht nur, sondern schützen auch Werte", sagt Reich.

Lesen Sie auch

Die Farbexperten haben auch so manche Sondermischungen entwickelt. "Wir sind immer auf der Suche nach Nischenprodukten", sagt Matthias Runge, ebenfalls Geschäftsführer. Zum Sortiment gehört zum Beispiel ein Markierungslack, der etwa bei Gerüsten als Schutz vor Diebstahl dient: "Das können Sie sich gar nicht vorstellen. Da wird sehr viel geklaut. Die Gerüste werden über Nacht abgebaut." Über den Lack könne ein Betrieb rechtssicher beweisen: Das ist unsere Ware.

Eine Besonderheit: Die Bremer stellen die Beschichtung für die Schutzschilde der Trägerrakete Ariane 6 her. So wird die Farbe des Unternehmens irgendwann ins All fliegen. "Das ist natürlich ein tolles Prestigeprojekt", sagt Runge. Viel Arbeit werde investiert. Die Ariane Gruppe überlege, noch weitere Bauteile der Rakete mit der Beschichtung auszustatten.

Gegenüber den Kunden tritt das Unternehmen nur noch mit seinem Markennamen Reesa auf. Suding & Soeken? "Im Bremer Raum war vielen das noch ein Begriff", sagt Reich. An den anderen Standorten habe damit niemand so richtig etwas anfangen können. In Zusammenarbeit mit dem Marketingexperten Christoph Burmann von der Uni Bremen schaute man sich beide Marken an. Die Entscheidung habe etwas wehgetan: Von Suding & Soeken mit dem Bremer Kaufmannschlüssel im Logo verabschiedete man sich schließlich zugunsten der moderneren Marke Reesa.

Lesen Sie auch

Der Name Suding & Soeken dürfte dennoch vielen Bremern bekannt sein – womöglich auch wegen des schmucken Standorts in der Innenstadt. Wenige Jahre nach der Gründung 1888 bezog das Handelsgeschäft das historische Kontorhaus in der Langenstraße. Später wurden hier auch die ersten eigenen Farben hergestellt – bis die Räume zu klein geworden sein müssen. Die Produktion in Hemelingen in der Funkschneise entstand.

Das Stammhaus blieb dennoch im Besitz der Familie. Im Ladengeschäft konnten sich Maler bis vor Kurzem weiter mit Farbe eindecken. Der Verkauf hier sei aber immer unattraktiver geworden, sagt Runge, weil Parkplätze fehlten. "So einen Eimer, der 20 Kilo wiegt, den tragen Sie nicht ins Parkhaus." So steht das unter Denkmalschutz stehende Gebäude im Stil der Weserrenaissance von etwa 1620 heute meistens leer. Reesa hat vor Kurzem im Spurwerk ein neues Geschäft eröffnet. 

Runge und Reich sind seit mehr als drei Jahrzehnten im Unternehmen. In den nächsten Jahren steigen womöglich auch wieder Nachfahren der Gründerfamilie Suding ein. Im November starb die langjährige Gesellschafterin und Geschäftsführerin Hannelore Kuhn im Alter von 98 Jahren. Ihre Anteile gehören zwei Enkelkindern, die Interesse am Familienunternehmen haben. Zur Gruppe Reesa mit seinen 135 Beschäftigten gehören auch Standorte in Kassel, Osnabrück, Neumünster, Magdeburg, Meißen und Kassel. In den Export gehen 15 Prozent der Produktion. Der Gründungsstandort ist dabei laut Runge weiter von großer Bedeutung: "Der Großraum Bremen ist nach wie vor der wichtigste Markt."

Töner Andreas Philipp ist wie seine Chefs schon seit mehr als 30 Jahren in der Welt der Farben daheim – und laut Reich mit seinen Fähigkeiten eine seltene Fachkraft. Eigentlich sei er Chemielaborant. "Das hatte hiermit nichts zu tun. Ich bin durch Zufall hierhergekommen", sagt Philipp. Eine Lieblingsfarbe? Die habe er nicht – eher im Gegenteil: "Es gibt welche, die verflucht man nach einer Weile, weil sie so schwer zu tönen sind." Die Kunden hätten dagegen oft den Wunsch nach der einen richtigen Farbe: "Ich hatte schon ganze Autotüren hier. Ich kann das anmischen. Kein Problem."

Lesen Sie auch

Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)