Wie man Strom produziert und verkauft, damit kennen sich Karsten Schneiker und Gunnar Geise aus. Die beiden Energiemanager sind seit vielen Jahren im Geschäft, der eine als Techniker, der andere als Kaufmann. Doch was sie in den ersten Monaten in ihrem neuen Job als Führungsduo des Bremer Energieversorgers SWB erlebten, war auch für sie eine neue Erfahrung: Mitten in der größten Energiekrise der letzten 50 Jahre die Strom- und Gasversorgung einer Großstadt sicherzustellen – der eine nennt es einen "turbulenten Einstieg", der andere fand es "sehr abwechslungsreich". Nimmt man die Zahlen, die sie am Donnerstag in ihrer ersten Jahresbilanz vorlegten, scheint der Einstieg gelungen zu sein.
Wie erfolgreich waren die Bremer beim Energiesparen?
Zu den Absurditäten des Neuanfangs gehört, "dass sich der Vorsitzende eines Energieversorgers hinstellt und seine Kunde auffordert, weniger Energie zu verbrauchen", stellt Technikvorstand Schneiker fest. Zwar bildet das Energiesparen seit Jahren einen festen Bestandteil der Strategie im Kampf gegen den Klimawandel – im vergangenen Winter jedoch entschieden die Einsparerfolge darüber, ob es in den Wohnstuben warm bleibt und ob die Bäcker weiter Brötchen backen können. Beides war bekanntlich der Fall, und so konnten die SWB-Manager ein dickes Minus als großen Erfolg verkaufen: Im Vergleich zum Vorjahr strömten 14,5 Prozent weniger Gas durch ihre Leitungen und 13,7 Prozent weniger Heizwasser für die Fernwärme. "Wir wissen nicht, wie viel davon auf den milden Winter zurückzuführen ist", räumt Finanzvorstand Geise ein, "aber der Großteil geht mit Sicherheit auf das veränderte Verbrauchsverhalten der Kunden zurück."
Weniger Gas, weniger Fernwärme – verhagelt das einem Energieversorger die Bilanz?
Offenbar nicht. Wenn die Preise stark steigen, kann man auch mit weniger Ware mehr Umsatz machen: Um fast 23 Prozent stiegen die Umsatzerlöse von SWB – auf gut 1,5 Milliarden Euro. Und der operative Gewinn stieg sogar um fast die Hälfte: genau genommen um 48,9 Prozent auf 113,9 Millionen Euro (vor Steuern). Zurückzuführen sei das im Wesentlichen darauf, dass SWB das bereits eingekaufte, aber nicht benötigte Erdgas zu Top-Preisen an den Energiebörsen wieder verkaufen konnte, erklärt Geise. Dass das Jahresergebnis dennoch einen Verlust ausweist (minus 64,2 Millionen Euro), habe mit Bewertungseffekten zu: Das Auf und Ab an den Energiebörsen könne an bestimmten Bilanzstichtagen für Verzerrungen sorgen, die jedoch nur "temporär und nicht zahlungswirksam" seien, versichert der Finanzvorstand.
Was haben die SWB-Kunden von dem guten Ergebnis?
Mit einem Gaspreis von 12,5 Cent pro Kilowattstunde in der Grundversorgung gehörte SWB auch auf dem Höhepunkt der Energiekrise zu den vergleichsweise günstigen Anbietern im Land – der Preis liegt nur einen halben Cent über dem von der Bundesregierung festgelegten Preisdeckel. Und zum 1. Juli will SWB die Gaspreise wieder senken, kündigt Geise an – um 2,2 Cent pro Kilowattstunde. "Wir wissen nach wie vor nicht, was an den Märkten passiert", räumt er ein. Besorgte Stimmen warnten bereits vor neuen Engpässen und Preissteigerungen. Aber bis zum 31. Dezember sollten sich die SWB-Kunden auf die niedrigeren Gaspreise verlassen können, stellt er in Aussicht. Die Strompreise bleiben wie gehabt.
Der Kohleausstieg verzögert sich – wird es also nichts mit der klimaneutralen Energieerzeugung?
Das letzte SWB-Kohlekraftwerk in Hastedt, das Fernwärme und Strom erzeugt, ist wegen der drohenden Energieknappheit am Netz geblieben und soll nun erst 2024 abgeschaltet werden, kündigt Technikvorstand Schneiker an. Denn auch im kommenden Winter könnte es noch einmal eng werden mit der Energieversorgung. Es bleibe jedoch bei dem Ziel: Bis 2035 will SWB Bremen und Bremerhaven klimaneutral mit Strom und Wärme versorgen. Dafür werde das Unternehmen in den kommenden zehn Jahren eine Milliarde Euro investieren. "Wir wollen allen Menschen im Land Bremen technische Möglichkeiten anbieten, in Zukunft ihr Zuhause oder ihr Unternehmen mit klimaneutraler Wärme zu versorgen", verspricht Schneiker.
Was muss dafür geschehen?
Den Anteil der Haushalte mit Fernwärmeversorgung will SWB bis 2040 verdoppeln – von jetzt 15 auf 30 Prozent. Auch die Innenstadt soll ans Fernwärmenetz angeschlossen werden. Abwärme der Industrie, die Verbrennung von Klärschlamm, Großwärmepumpen und synthetische Gase sollen als Wärmequellen dienen. Für Haushalte, die über eigene Wärmepumpen beheizt werden, muss das Stromnetz verstärkt werden. "Es gibt im Moment kein Stromnetz für Wärmepumpen", stellt Schneiker fest. Dafür sei ein "erheblicher Ausbau" notwendig – was das am Ende kosten wird, weiß auch der SWB-Chef noch nicht. Im vergangenen Jahr gingen 90 Prozent der Investitionen des Energieversorgers in den Ausbau der Strom- und Wärmenetze – mehr als 132 Millionen Euro.