Herr Heyer, lassen Sie uns zunächst auf die Hansalinie schauen. Das Gewerbegebiet soll erweitert werden. Das ist besonders für die Automobilindustrie in Bremen wichtig. Der Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND) hat Kritik an den bisherigen Ausbauplänen geäußert. Wie viel Bauchschmerzen macht Ihnen das?
Andreas Heyer: Bauchschmerzen macht mir das eigentlich überhaupt nicht. Wir haben einen eigenen Anspruch, grüne Gewerbegebiete zu entwickeln. Das haben wir gemeinsam mit der Wirtschaftssenatorin mit einem eigenen Programm unterlegt. Die Planung der Hansalinie hat aber natürlich schon vor Jahren begonnen. Der heutige Status, wie wir Gewerbegebiete entwickeln wollen, ist da noch nicht vollumfänglich eingebunden. Die Politik wird das jetzt – auch in der Diskussion mit den Interessenverbänden – ausloten.
Welche Bedeutung hat das Vorhaben aus Ihrer Sicht?
Wir haben mit der Hansalinie die Möglichkeit, die positive Entwicklung der Automobilwelt – insbesondere von Mercedes, aber auch der vielen Zulieferer – zu begleiten. Es geht dabei um zukunftsweisende alternative Antriebe. Natürlich ist es unser Wunsch, dass wir den Zeitplan gemeinsam weiter einhalten können, um den Standort und die Beschäftigung zu sichern.
Zwar sehen die Pläne zum Beispiel Solaranlagen für viele Dächer vor. Unmut gibt es aber beim BUND, weil die Kompensationsmaßnahmen nicht ausreichten. Es sollen 50.000 Bäume gefällt werden.
Was soll ich sagen? Das ist dann so. Die Problematik ist, dass viele Gewerbeflächen über lange Jahre gereift sind. Da sind dann im Zweifel auch Bäume, weil man das Gebiet zeitweise der Natur überlassen hat. Am Ende sind es aber immer Gewerbegebiete gewesen. Die Diskussion haben wir vielerorts. Gerade die Hansalinie ist seit Jahrzehnten ausgerichtet auf eine Erweiterung. Wir sehen im Moment den Bedarf für die Flächen.
Sie nehmen sicherlich an den Gesprächen teil. Das Schwert ist schon scharf: Der BUND schließt eine Klage nicht aus.
Wir sind im Hintergrund beteiligt. Wir stehen da gerne mit Rat und Tat zur Seite, weil wir natürlich die operative Umsetzung planen. Die Verantwortung liegt aber ganz klar im politischen Raum – nicht bei uns.
Der neue Gewerbeflächenentwicklungsplan sieht eine höhere Bebauung in Gewerbegebieten vor. Warum ist das bei der Ausweitung der Hansalinie nicht vorgesehen?
Unabhängig von der Hansalinie müssen wir immer darüber reden, welche gewerbliche Nutzung gefragt ist. Im Bereich Logistik und Automobil gibt es aufgrund der Abläufe und Prozesse ganz wenige zweigeschossige Anlagen. Ich wünsche mir natürlich Hochpunkte in gewissen Bereichen, aber nicht unbedingt in der Produktion und Logistik. Schauen Sie sich das neue Werk von Tesla in Brandenburg an. Da geht es um unendliche Weiten, aber nicht um mehrgeschossige Anlagen.
Im vergangenen Jahr konnten Sie als Wirtschaftsförderung 17 neue Unternehmen für Bremen gewinnen. Ein erfreulicher Wert?
Ich bin damit aufgrund der Rahmenbedingungen sehr zufrieden. In den Vorjahren waren wir jedoch erfolgreicher – vor der Pandemie. Das Niveau haben wir noch nicht wieder erreicht. Ansiedlungen macht man nicht auf dem Papier. Die interessierten Unternehmen müssen hierherkommen können. Es muss einen persönlichen Austausch geben. Deshalb haben wir insbesondere im internationalen Bereich Fokusländer mit engen Verbindungen und Strukturen. Corona hat uns eingeschränkt. In China gibt es etwa immer noch keine Reisemöglichkeiten.
Wie viele Ansiedlungen gibt es sonst im Schnitt?
Wir liegen sonst bei 25 Ansiedlungen. In Spitzenzeiten hatten wir allein aus China um die zehn Ansiedlungen. Das ist schon ein enormer Wert.
Welche Unternehmen sind in jüngster Zeit in die Stadt gekommen?
Das ist sehr divers. Das chinesische Unternehmen Eco Medical finde ich sehr bemerkenswert. Es baut hier seine Europazentrale auf im Bereich der Mikrowellenablationssysteme: Das Unternehmen ist Weltmarktführer bei Operationen von Tumoren, Schilddrüsen und Krampfadern. Eco Medical hat die Reisebeschränkungen wegen Corona in Kauf genommen. Darum hat die Ansiedlung trotzdem geklappt.
Wer ist noch nach Bremen gekommen?
Sehr spannend finde ich auch Searover aus unserer Partnerstadt Izmir in der Türkei. Das Unternehmen ist nach Bremen gekommen, weil sie hier gute Rahmenbedingungen vorfinden und auch die Kompetenzen im Bereich künstliche Intelligenz. Das Unternehmen arbeitet an der Erforschung des Meeresbodens. Grundsätzlich geht es für uns um die Frage: Welche Unternehmen wollen wir künftig hier beheimaten? Welche Kompetenzen suchen die Unternehmen? Und welche Kompetenzen suchen wir? Wir haben in der Vergangenheit sehr breit gesucht, doch mittlerweile gibt es nicht mehr so ein großes Flächenangebot, weil wir vorher gut vermarktet haben. Das ist dann der Fluch der erfolgreichen Tat.
Rosinenpickerei trifft es vielleicht nicht ganz. Aber heißt das übersetzt, dass Sie ganz genau schauen, wer wirklich nach Bremen passt, weil der Platz knapp ist?
Genau. Wir konnten schon in den letzten Jahren nicht jeden Flächenwunsch bedienen. Darum benötigen wir die Erweiterung der Hansalinie und die Kooperation bei Achim-West. Uns geht es aber nicht allein um die Flächenvermarktung, sondern um Geschäftsideen für den Standort. Wir treten dazu mit Unternehmen in Kontakt und machen auf Bremen aufmerksam. Wir werden uns künftig primär um Geschäftsmodelle kümmern, die nicht nur die Fläche im Fokus haben, sondern die Innovation – auch mit Blick auf den Nutzen für die Stadtgesellschaft. Wir werden uns stärker noch auf Kooperationsmodelle mit Unternehmen konzentrieren.
Immer wieder flammt die Diskussion auf, dass es in Bremen nicht genug Gewerbeflächenreserve gibt. Unlängst forderte die Handelskammer in diesem Zusammenhang ein Sofortprogramm. Wie stehen Sie dazu?
Wir sind in der Umsetzung. Zum Beispiel geht es gerade auch um die Erweiterung des Bremer Industrie-Parks. Am Ende des Tages bleibt es aber dabei, dass es eine politische Entscheidung braucht, was Bremen künftig anbieten möchte für die gewerbliche Entwicklung. Es geht schließlich um Flächen, die der Freien Hansestadt Bremen gehören.
Die Aussage: Wir brauchen eine Vorhaltefläche von soundsoviel ...
...ist aus der Zeit gefallen. Weil es nicht mehr die Üppigkeit gibt. Eine Reserve können Sie planen, wenn Sie unendliche Weiten haben. Die Zeiten haben sich aber verändert, da wir wirklich eine tolle wirtschaftliche Entwicklung hingelegt haben in den letzten Jahren, die auch gut für Bremen war.
Die Frage nach den Grenzen des Wachstums stellt sich auch vor dem Hintergrund des Klimawandels. Wie sieht Ihr Plan aus, grüne Gewerbegebiete zu entwickeln?
Wir haben mit dem Wirtschaftsressort bereits vor zwei Jahren ein Programm zur Entwicklung grüner Gewerbegebiete verabschiedet. Da geht es auch um Bestandsgebiete. Wir alle wissen, dass die Bedürfnisse sich komplett verändert haben. Wir denken Gewerbegebiete heute ganz anders. Denn die Menschen erwarten dort Urbanität – Nahversorgung, Erreichbarkeit und Aufenthaltsqualität. Das wissen auch die Unternehmen.
Gewerbegebiet – dazu haben wir sicher alle ein bestimmtes Bild vor Augen. Vielleicht eher grau als grün, irgendwo dampft es, viele Autos stehen herum. Wie wird es aber in der Zukunft aussehen?
Also so nicht. Nehmen wir ein klassisches Gewerbegebiet, das sehr auf Versiegelung und Verkehr gerichtet ist, wie das Güterverkehrszentrum. Von der Funktion her ist es immer auf einem Spitzenplatz in Rankings. Für die BLG ist dort gerade ein neues Objekt gebaut worden. Die komplette Anlage ist mit Fotovoltaik besetzt, die Außenanlagen sind grün, es gibt viel Aufenthaltsqualität. Auch diese Gebiete entwickeln sich also weiter. Da braucht man gar keine großen Pläne. Denn schon die Investoren selbst haben den Wunsch, attraktive Immobilien zu entwickeln, die zukunftsfähig sind. Sonst könnten Sie das Objekt später auch gar nicht mehr verkaufen. Schnell ein Funktionsgebäude hinstellen? Das ist mir in den letzten Jahren überhaupt nicht mehr untergekommen.
Das Gespräch führte Lisa Schröder.