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Made in Bremen Des Meisters bestes Stück

Die Firma Mysterstyck bietet handgefertigte massive Möbel und filigrane Accessoires aus Holz an - dabei geht es vor allem darum, die persönlichen Meisterstücke von Tischlern zu würdigen.
03.02.2018, 20:43 Uhr
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Von Tobias Meyer

180 Stunden. So lange haben Tischlergesellen Zeit, um ihr Meisterstück zu fertigen. 180 Stunden, in denen sie sich den Kopf zermartern, das richtige Holz aussuchen, es sägen und feilen und polieren. Und schließlich nicht nur ein Prüfungsstück bauen, sondern ein persönliches Unikat mit eigener Handschrift schaffen. Oft nur, um es anschließend irgendwo hinzustellen, wo Platz ist, und wo es dann meist kaum noch Beachtung findet.

„Ein Jammer!“, sagt Michael Holst. Deswegen hat er mit Torsten Gätjens die Firma Mysterstyck gegründet: Gemeinsam wollen sie Meisterstücken die Aufmerksamkeit verschaffen, die sie eigentlich verdienen. Seit Oktober 2016 stellen die beiden Gründer eine Auswahl an Möbeln in ihrem Onlineshop aus, jedes ein Einzelstück, vom Couch-Tisch bis zum Schrank, vom Regal bis zur Kommode.

Die Idee kam Holst und Gätjens jedoch bereits früher – kurz nachdem Holst 2011 selbst sein eigenes Meisterstück fertiggestellt hatte. Dass er sich überhaupt an den Titel wagte, hat er seiner Frau zu verdanken: Sie hatte ein handgearbeitetes Messingbecken gekauft. „Ein schönes Ding“, sagt Holst. Es gab jedoch ein Problem: „Ich konnte keinen passenden Unterschrank dafür finden. Also musste ich eben selbst einen entwerfen.“

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Holst, ausgebildeter Holzbootbauer und als Tischler viele Jahre für den Bau von Möbeln für Schulen, Kindergärten und andere öffentliche Einrichtungen in Bremen zuständig, hat schon vieles selbst kreiert, auch einiges für sein Zuhause – etwa die Küche oder das Bett. Nur dieses Mal denkt er sich: Wenn er schon so viel Zeit in ein Möbelstück steckt, dann kann er es auch gleich als Meisterstück anmelden. Außerdem: „Mit den 180 Stunden hatte ich auch ordentlich Druck, es möglichst schnell zu schaffen.“

Weil der Vater von drei Kindern seinen Meister in Bremen absolviert, selbst aber in Hilgermissen lebt, fragt er seinen langjährigen Freund Torsten Gätjens, ob er während der drei Wochen bei ihm unterkommen kann, wenn es mal später wird in der Werkstatt. Klar, sagt dieser, und schnell zeigt sich: Es wird öfter mal später, denn die Zeit ist knapp. Und Holst, dessen letzte Prüfung schon ein paar Jahrzehnte zurückliegt, auch etwas aufgeregt.

Ein Faible für alte, hochqualitative Möbel

Während die beiden zum Feierabend bei einem Wein zusammensitzen, merkt Gätjens, wie begeistert sein Freund von der Arbeit und wie gespannt er selbst auf das Ergebnis ist. „Da habe ich gesagt: Du, Michael – wie viele Tischlermeister haben schon etwas genauso Wunderbares geschaffen, und keiner sieht das! Das ist doch traurig, wenn da so viel harte Arbeit reingesteckt wurde.“

Gätjens, der selbst mal als Restaurator gearbeitet und ein Faible für alte, hochqualitative Möbel hat, überlegt, was man da tun könnte. Und weil er bei einem großen Bremer E-Commerce-Unternehmen tätig ist, denkt er über einen Onlineshop nach. Es dauert vier Jahre, bis die beiden ihre Idee zu Mysterstyck entwickelt haben, und ein weiteres, bis der Shop schließlich 2016 online geht.

Heute finden sich 14 Meisterstücke auf der Plattform. Auch das von Holst ist dabei: Ein Waschtisch aus amerikanischem Nussbaum, die Blenden und Innenteile aus hellem Eschenholz. Handgezinkte Schubkästen, die im Profil nach oben schlanker auslaufen, ein Wäschekorb mit feinem Holzgeflecht an den Seiten, mechanischer Volleinzug mit Einzugdämpfern.

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Und natürlich das marokkanische Messingbecken von seiner Frau. Es reiht sich ein zwischen vielen weiteren Meisterstücken: Einer Bar aus Teak und Esche nach dänischem Vorbild von Meister Sebastian Gläser, ein Sideboard aus Edelkastanie und Whitewood von Meister Tobias Wiechmann, ein massiver Vitrinenschrank aus Kirschbaumholz von Meister Nikolai Kußerow und vielem mehr.

Die Möbel suchen sich Gätjens und Holst selbst aus, fahren zu Meisterausstellungen und Tischlereien, entdecken echte Schmuckstücke abgedeckt oder verstaubt in Werkstätten und Arbeitszimmern. „Das ist eine der schön­sten Aufgaben“, sagt Holst. „Auf Schatzsuche zu gehen bei diesen begabten Meistern – und auch mitzubekommen, wie dankbar sie sind, dass sich jemand für ihr Meisterstück interessiert.“

Viele Tischlereien hätten gar keine oder nur sehr altbackene und einfache Internetseiten, sodass sie ihr Handwerk nicht richtig präsentieren können. „Wir können das auf Mysterstyck.de mit hochwertigen Fotos und Produktbeschreibungen zeigen – und gleichzeitig auch die Geschichte hinter den Meisterstücken erzählen“, sagt Holst. „Viele freuen sich über diese Sichtbarkeit.“

Zwischen 7000 und 20.000 Euro

Manche reagieren jedoch auch skeptisch, vor allem, wenn es dann um die Verträge geht. „Tischlereien sind im Moment sehr gut ausgelastet“, gibt Gätjens zu bedenken. „Manche haben Angst, dass sie die Nachfrage nicht in der genannten Frist bedienen können und wollen sich dann nicht binden.“

Bei jedem Meisterstück steht dabei, wie viele Werktage der Bau des Möbels in Anspruch nehmen würde – bei dem Waschtisch von Holst sind es beispielsweise 45 Tage. Gebaut wird es auf Bestellung von den Meistern selbst oder nach deren Dokumentation in einer Partnerwerkstatt. „Am Ende schaut jeder Meister dann noch mal genau drauf, ob auch alles korrekt ist“, betont Gätjens. Holzart und spezielle Details können die Kunden selbst wählen.

Die Meisterstücke haben ihren Preis: Zwischen 7000 und mehr als 20.000 Euro kosten sie, Preise erfahren Interessierte auf Anfrage. „Man muss dabei bedenken: Man investiert quasi in ein Erbstück“, sagt Gätjens. „Das sind Möbel für die Ewigkeit.“ Für jeden Kauf über den Onlineshop geht ein individuell festgelegter Prozentsatz an die Gründer.

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Doch auch Gätjens weiß: Die Zielgruppe ist klein. Deswegen haben die beiden Mysterstyck-Gründer ihr Geschäftsmodell noch etwas ausgeweitet: Neben Meisterstücken gibt es jetzt auch „meisterhafte Stücke“, also aus Sicht von Holst und Gätjens außergewöhnliche Schöpfungen aus Holz.

Die reichen vom Schneidebrett mit herausnehmbarer Schale bis zum eigenwilligen Aufbewahrungsmöbel für Schmuck und Schuhe. Und seit wenigen Monaten vertreiben die beiden Unternehmer auch die Leuchten von Woodmosphere, einem Bremer Start-up, das Lichtobjekte aus hauchdünnem Echtholzfurnier herstellt.

Ihr ganz persönliches Meisterstück

Nun geht es den beiden darum, sichtbarer zu werden und noch mehr Kooperationspartner zu gewinnen. „Wir müssen die Besucherzahlen auf unserer Seite noch erhöhen“, gibt Gätjens zu. Doch das sei ziemlich schwierig, denn bei den Internetsuchmaschinen landen meistens die milliardenschweren Industriemöbel-Anbieter auf den ersten Plätzen.

„Wir wissen, dass wir uns da gedulden müssen – aber wir werden unseren Kreis langsam und sicher erweitern“, so Holst. Und Mysterstyck betreiben sie schließlich auch nur nebenbei, in der Freizeit: Beide befinden sich noch in einer Vollzeitanstellung. Aber so ist es ja auch bei der Prüfung: Am Anfang steht eine Idee, und dann muss sie umgesetzt werden. Dieses Mal dauert es länger als 180 Stunden. Aber am Ende schaffen sich Gätjens und Holst, so die Hoffnung, mit dem Onlineshop ihr ganz persönliches Meisterstück.

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