In zwei Jahren will Mercedes sein erstes Elektroauto in Bremen bauen. Dafür wird die Produktion schon jetzt vorbereitet. Ein Besuch im Werk.
Die Zukunft beginnt mit einem steilen Abstieg. Neben einer Waschanlage führt eine Treppe nach unten. Die Stufen sind schmal, man muss seinen Kopf einziehen. Doch genau an diesem unscheinbaren Ort sollen die Mitarbeiter des Mercedes-Werks in Bremen auf das vorbereitet werden, was in den nächsten Jahren noch alles auf sie zukommt.
„Zeittunnel“ nennt Werksleiter Peter Theurer den schmalen Gang, in den die Mitarbeiter treten, wenn sie das Werk kennenlernen sollen. Zeittunnel deshalb, weil die Reise in der Vergangenheit beginnt. Der Abstieg ist in der Nähe der alten Borgward-Halle, also da, wo die Autoproduktion in Sebaldsbrück begann. Der Tunnel endet hunderte Meter weiter. Dazwischen liegen 80 Jahre Automobilgeschichte in Bremen.
„Man muss wissen, wo man herkommt“, sagt Theurer. Deswegen ist der schmale Gang unter der Erde mit verschiedenen Stationen gespickt. Wichtige Meilensteine der Bremer Autovergangenheit. Als die ersten Borgwards vom Band liefen. Als 1977 der Bremer Transporter gebaut wurde. Als Mercedes in den 90er-Jahren viel Geld in das Werk gesteckt hat, um es zu modernisieren. Und bald soll ein neuer Meilenstein folgen. Darauf werden nicht nur die Mitarbeiter vorbereitet. Auch in der Produktion wird sich einiges ändern.
Mensch und Roboter als Team
Ab 2019 soll das erste E-Auto von Mercedes in Bremen gebaut werden. Neben der C-Klasse, der E-Klasse, dem GLC, dem SL wäre es das fünfte Modell für das Werk. „Das ist eine ganz besondere Herausforderung“, sagt Theurer. Denn das Elektroauto soll in die laufende Produktion integriert werden.
Was das heißt, zeigt Theurer bei einem Gang durch das Werk. In Halle 9 soll in zwei Jahren auch das erste E-Modell entstehen, das der EQC heißen soll. Hier schweben schon jetzt die Türen für die C-Klasse unter der Decke entlang, die Karosserien für den GLC fahren automatisch über die Förderbänder zu den Mitarbeitern.
Und bald sollen die Teile hinzukommen, die am Ende ein fertiges Elektroauto ergeben sollen. Für die Mitarbeiter heißt das: Sie müssen sofort erkennen, welches Modell gerade an ihre Arbeitsstation kommt. Jeder Handgriff muss sitzen, viel Zeit zum Überlegen gibt es nicht. Denn je nach Fahrzeugtyp müssen sie auch unterschiedlich arbeiten, beispielsweise anderes Werkzeug nehmen.
Werk wird immer digitaler
Um das den Angestellten so einfach wie möglich zu machen, wird auch das Werk immer digitaler. Tablets sagen den Mitarbeitern, welche Arbeitsschritte sie machen müssen. Schon jetzt arbeiten Menschen und Roboter zusammen. Etwa dann, wenn ein Plug-in-Hybrid gebaut wird.
Dann wird das Chassis in die entsprechende Arbeitsstation gefahren. Hier liegen schon die Samsung-Batterien gestapelt. Ein Mitarbeiter greift zur Bedienung des Roboterarms. Er gibt ihm auch den Befehl, die rund 120 Kilogramm schwere Batterie zu nehmen.
Dann schwenkt der Arm langsam herum und nähert sich automatisch dem Kofferraum des halbfertigen Autos. Millimeterarbeit. Langsam fährt der Arm von oben durch die Öffnung und setzt die Batterie da ab, wo sie hin soll. Die Menschen drum herum sind nur noch da, um zu prüfen, ob alles auch so abläuft, wie es soll.
Produktion passt sich ans E-Auto an
Dass der EQC auf der Produktionslinie gebaut wird, auf der auch die anderen Modelle entstehen, hat einen simplen Grund. „So können wir sehr flexibel sein“, sagt der Werksleiter. Wie wird sich der Markt entwickeln? In welchem Land wird das Elektroauto stark nachgefragt? Wie entwickelt sich der Absatz der anderen Modelle? Das seien alles Fragen, die in der Produktion eine wichtige Rolle spielen. Natürlich sei es einfacher, eine komplett neue Linie aufzubauen und Mitarbeiter abzustellen, die sich nur um Elektroautos kümmern, sagt Theurer. „Mit diesem Modell können wir aber perfekt auf die ungewisse Zukunft reagieren.“
Doch es ist nicht nur die Produktion, die sich an das E-Auto anpasst. Das Design des EQC orientiert sich auch am Bau. „Unsere Mitarbeiter arbeiten gerade mit der Entwicklungsabteilung zusammen“, sagt der Werksleiter. Zusammen überlegten sie, wie das Auto aussehen muss, damit es überhaupt in Bremen gebaut werden kann.
Wie viele Elektroautos von Daimler ab 2019 im Bremer Werk entstehen sollen, dazu schweigt der Standortverantwortliche. Generell plane Mercedes aber, dass der Anteil der Elektromodelle bis 2025 zwischen 15 und 25 Prozent liegen wird. „Das hängt natürlich von der Entwicklung der Infrastruktur und den Wünschen der Kunden ab“, sagt Theurer.
Keine Auswirkung auf die Zahl der Beschäftigten
Er gehe davon aus, dass auch noch in vielen, vielen Jahren Autos mit Verbrennungsmotor bei Mercedes gebaut würden. Daher werde sich die E-Autoproduktion auch nicht auf die Zahl der Beschäftigten auswirken – auch wenn rein technisch gesehen ein Elektroauto weniger aufwendig ist als eines mit Verbrennungsmotor.
Eine große, sichtbare Neuerung wird es dann aber doch in der Produktion in Halle 9 geben. Für den EQC wird momentan eine eigene Station für die sogenannte Hochzeit gebaut. So heißt es, wenn der Antriebsstrang und der Motor mit der Karosserie zusammengeführt werden. Für das Elektroauto wird es aber noch eine zweite Hochzeit geben – es wird der Moment sein, wenn die Batterie, das Herzstück des Fahrzeugs, eingesetzt wird. Sie ist etwa drei bis vier Mal so groß wie bei Plug-in-Hybriden und auch dementsprechend schwerer.
Noch ist davon aber wenig zu sehen. Die dafür vorgesehene Stelle sperren Bauzäune ab, an ihnen hängen Schilder: „Hier entsteht Zukunft.“