Im vergangenen Jahr hat es in Bremen und Bremerhaven insgesamt 1440 Energiesperren gegeben. Gegenüber dem Vorjahr hat sich die Zahl damit halbiert – trotz schwieriger Zeiten für viele Menschen. Im Zehnjahresvergleich handelt es sich mit Abstand um den Tiefstwert. Eigentlich habe man befürchtet, dass es einen Anstieg bei den Strom-, Gas- und Wassersperren geben werde, sagte Andrea Klähn von der Senatorin für Soziales und Arbeit bei der Vorstellung der Bilanz. Gerade Lebensmittel und Energie hätten sich stark verteuert: „Vor allem Haushalte mit wenig Einkommen sind besonders von den enormen Preissteigerungen betroffen.“
Bevor eine Energiesperre droht, werden die betroffenen Verbraucherinnen und Verbraucher vom Energieversorger mehrfach auf die Rückstände hingewiesen. Erst zum Schluss folgt die Ankündigung der Sperre – beim Bremer Energieversorger SWB der sogenannte „Gelbe Schein“. Es bleiben dann acht Tage Zeit für eine Reaktion, um die Sperre doch noch abzuwenden.
Energieschulden fallen höher aus
Die Verbraucherzentrale Bremen ist eine der Anlaufstellen, die Betroffenen in ihrer schwierigen Lage helfen. Was hier laut Rechtsexpertin Nicole Bahn zuletzt aufgefallen ist: Die Energieschulden waren höher als in den Vorjahren. Das dürfte unter anderem auch am Anstieg der Preise für Strom und Gas liegen. Im Schnitt ging es demnach um 2300 Euro pro Fall.
Ein Runder Tisch samt Kampagne „Zappenduster!“ soll dafür sorgen, dass es gar nicht erst zu dem bedrohlichen Schritt kommt – was über Bremens Grenzen hinaus wahrgenommen wird. „Andere Bundesländer schauen nach Bremen“, berichtet Klähn von Nachfragen zu den Erfolgen des Netzwerks. Energieversorger melden sich dazu bei der SWB. Gut 20 Akteure wie die Jobcenter in Bremen und Bremerhaven oder das Aktionsbündnis Menschenrecht auf Wohnen beteiligen sich daran.
In der Vergangenheit waren die Fallzahlen im Bundesland wesentlich höher. 2014 und 2015 gab es in Bremen jeweils deutlich mehr als 7000 Energiesperren. Der Runde Tisch habe sich vor Jahren das Ziel gesetzt, die Zahl der Fälle „auf ein Minimum“ zu reduzieren, erinnerte der SWB-Vertriebsbereichsleiter Frank Steinhardt. Ganz wichtig sei, dass die Verbraucher sich frühzeitig Hilfe suchten und nicht den Kopf in den Sand steckten: „Wenn die Briefe einfach nicht aufgemacht werden, löst sich das Problem nicht von alleine." Sämtliche Ansprechpartner listet die Seite "Zappenduster!" auf.
Sondereffekte verstärken Rückgang
Warum Menschen in die Lage geraten? Das hat laut Bahn von der Verbraucherzentrale ganz verschiedene Gründe. In extremen Fällen, in denen ein Abstottern der Schulden über Raten nicht funktioniert, helfen in Bremen zwei verschiedene Härtefallfonds. Einer richtet sich seit Kurzem auch an Menschen mit geringem Einkommen. Die Verbraucherzentrale berät zu den Fonds. „Wir versuchen, nachhaltige Lösungen zu schaffen“, sagte Bahn. Hilfe sei kurzfristig möglich. Auf Termine müssten Betroffene nicht warten: „Kommen Sie direkt zu uns in die Beratungsstelle.“ Die Energiebudgetberatung im Haus ist kostenlos.
Eine Prognose dazu, wie die Energiesperren sich in Bremen weiterentwickeln, ist den Experten zufolge schwierig. Das hänge unter anderem auch davon ab, ob der Gesetzgeber weitere Änderungen vornehme. Im vergangenen Jahr spielte beim Rückgang unter anderem auch eine Rolle, dass es in Deutschland nun bei Zahlungsverzug das neue Instrument der Abwendungsvereinbarung gibt. Der offene Betrag kann dabei über 24 Monate zurückgezahlt werden, was Steinhardt zufolge für die Betroffenen „leistbarer“ sei. Außerdem musste die SWB aufgrund der Preisbremsen für Energie und der Mehrwertsteueränderung die Systeme anpassen. Ein Zusatzaufwand, der für einen Sondereffekt sorgte: Dadurch seien weniger Sperrankündigungen versandt worden und diese auch später als üblich.ls üblich.