Einige Gaskunden der Stadtwerke Augsburg haben Post bekommen. In dem Schreiben kündigt ihr Versorger das Ende der Gasbelieferung an – nicht sofort, immerhin, sondern mit Vorlaufzeit: In zehn Jahren soll Schluss sein. Das Beispiel könnte Schule machen bei deutschen Regionalversorgern: Denn je mehr Hausbesitzer in den kommenden Jahren auf Wärmepumpen oder Fernwärme umsteigen, desto weniger Kunden bleiben an der Gasleitung hängen – bis sich deren Betrieb irgendwann nicht mehr lohnt.
Das Thema treibt die Manager der Stadtwerke und Regionalversorger bereits seit einiger Zeit um. Noch hängt rund die Hälfte aller Haushalte in Deutschland an einem insgesamt 500.000 Kilometer langen Verteilnetz für Erdgas. Spätestens mit dem Gebäudeenergiegesetz der Berliner Ampelkoalition jedoch ist klar: Am 31. Dezember 2044 soll Schluss sein mit den Gasheizungen – jedenfalls mit denen, die fossiles Erdgas als Brennstoff nutzen. Doch schon vorher stellt sich für die Versorger die Frage, ob und wie sie ihr weitverzweigtes Gasleitungsnetz mit immer weniger Abnehmern wirtschaftlich betreiben können – und ob Teile davon stillgelegt werden sollen. "Der Umgang mit den Gas- und Stromnetzen ist für uns eine der zentralen Fragen bei der anstehenden Transformation der Wärmeversorgung", sagt Ingbert Liebing, Hauptgeschäftsführer des Verbands Kommunaler Unternehmen (VKU).
Und auch die Gaskunden sollten sich über das Thema schon mal Gedanken machen. Denn wenn ihre Versorger unrentabel gewordene Teile des Netzes stilllegen, gucken die Abnehmer am Ende in die Röhre. Wer sich nicht rechtzeitig nach einer Alternative zum Erdgas umgesehen hat, könnte dann vor einer kalten Heizung sitzen.
Das nächste Aufregerthema
Im Bundeswirtschaftsministerium ist man sich der Brisanz des Themas bewusst. Nach der hitzigen Debatte um das Ende der Gasheizungen ("Habecks Heizhammer") droht mit der Stilllegung des Gasnetzes bereits das nächste Aufregerthema. Das Ministerium unter Führung des Grünen Robert Habeck hat deshalb ein Diskussionspapier ("Green Paper") verfasst, das zurzeit in der Fachöffentlichkeit zirkuliert. Darin listen die Experten die wichtigsten Fragen auf – vorläufig noch ohne die nötigen Antworten. Die sollen jetzt in einem Beteiligungsprozess mit Unternehmen und Interessensverbänden gefunden werden.
Das Dilemma wird in dem "Green Paper" aus dem Habeck-Ministerium klar beschrieben: "Bei abnehmender Zahl der Gasverbraucher und/oder der Abnahmemenge von Erdgas sind die Kosten für den Betrieb und die Instandhaltung des Gasverteilernetzes von zunehmend immer weniger Kunden zu tragen", stellen die Autoren fest. "Ohne Gegensteuerung ergäben sich sehr stark steigende Netzentgelte für den Gasnetzbetrieb" – sprich: enorm hohe Kosten für die verbleibenden Gaskunden. Ziel müsse aber sein, "eine bezahlbare, wirtschaftlich tragfähige und sichere Energieversorgung auch in der Übergangsphase zu sichern", plädieren die Ministerialbeamten.
Für die kommunalen Versorger ist klar: Sie wollen nicht auf den Kosten aus dem Netzbetrieb sitzenbleiben. Notfalls sollen – siehe Augsburg – unrentabel gewordene Teile der Netze stillgelegt werden. "Wir werden im Regelfall auf Dauer keine parallelen Leitungsnetze für Gas und Fernwärme unterhalten können", mahnt VKU-Funktionär Liebing.
Neubaugebiete erhalten keine Gasleitung mehr
Beim Oldenburger Regionalversorger EWE wird das Papier aus dem Bundeswirtschaftsministerium bereits intensiv studiert. Es schiebe einen notwendigen "Dialogprozess" an, lobt Unternehmenssprecher Dietmar Bücker. Eine Entscheidung hat man bei EWE bereits getroffen: Neubaugebiete werden schon jetzt nicht mehr mit Gasleitungen ausgestattet.
Der Bremer Energieversorger SWB verweist auf die kommunale Wärmeplanung: Bis 2025 will Bremen festlegen, welche Stadtteile in Zukunft wie mit Wärme versorgt werden können – Fernwärme, Industrieabwärme, Nahwärmenetze. "Nach diesen Planungen werden Gebiete übrigbleiben, für die noch andere Lösungen gesucht werden müssen, bevor man dort ein Gasnetz außer Betrieb nehmen könnte", sagt SWB-Sprecher Marcel Hamann. Bis diese Planungen abgeschlossen sind, könne man keine Aussagen zu einem möglichen Rückbau machen. SWB betreibt in Bremen und Bremerhaven ein rund 2900 Kilometer langes Gasnetz. Das Versprechen lautet: Bis 2035 soll die Energieversorgung klimaneutral sein – und alle Menschen im Land Bremen sollen ein technisches Angebot erhalten, ihr Zuhause mit klimaneutraler Wärme zu versorgen.
Unklar ist, inwieweit das alte Gasnetz für CO2-freie Gase wie Wasserstoff oder Biomethan genutzt werden könnte. Bei EWE setzt man auf Wasserstoff, den man in großem Stil mit Hilfe von Windenergie herstellen will. "In dem Zusammenhang bleiben unseres Erachtens Teile des heutigen Gasnetzes auch weiterhin von Bedeutung", glaubt EWE-Sprecher Bücker.
Allerdings dürfte Wasserstoff eher für industrielle Großabnehmer infrage kommen. Als Brennstoff für die Gasheizung im Keller bleibe er zu knapp und teuer, prognostizieren die Habeck-Ministerialen.