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Europäische Trägerrakete Letzter Test für die Ariane 6

Für die Ariane 6 geht es in die letzte Testrunde. Bald soll die Rakete zum ersten Mal zusammengebaut werden. In Bremen freut man sich derweil über einen weiteren Auftrag.
13.07.2021, 19:11 Uhr
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Letzter Test für die Ariane 6
Von Stefan Lakeband

Verglichen mit der Bauzeit, ist die Zeit in der Luft verschwindend kurz: Nur wenige Minuten wird die Ariane 6 brauchen, bis sie die Schwerelosigkeit erreicht hat. Wenige Minuten, die sie zwischen Erde und Weltraum trennen. Ein Kinderspiel, könnte man meinen. Doch wie viel Arbeit bis dahin in Europas neuer Rakete steckt, lässt sich bei einem Besuch im Integrationszentrum der Ariane Group in Bremen erahnen.

Fast versteckt – in einem riesigen Gerüst – hängt sie in einer Ecke des enormen Raums: die Oberstufe der Ariane-6-Rakete. Menschen mit Kittel, Mantel und Schuhschützern arbeiten daran. Sie testen, ob alle Rohrleitungen dicht sind, überprüfen die Elektronik, checken alles noch einmal. Denn bald steht für die Oberstufe, die intern CTM (Combined Test Model) genannt wird – eine weite Reise an. In wenigen Wochen wird sie in einem riesigen Container die Werkshalle in der Nähe des Bremer Flughafens verlassen und nach Südamerika gebracht. Genauer: Französisch-Guayana, das Übersee-Département, in dem seit den 60er-Jahren Europas Weltraumbahnhof steht und von dem aus die Ariane-Raketen starten.

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Es ist ein besonderer Moment, sagt Karl-Heinz Servos, Produktionschef bei der Ariane Group. „Wir können die letzte Runde einläuten. Und die ist ja meist die Spannendste.“ Denn in Französisch-Guayana wird zum ersten Mal die ganze Ariane 6 zusammengebaut. Auch die Bremer Oberstufe wird dann oben auf der Rakete sitzen, wie bei einem ganz normalen Start. Abheben wird sie aber nicht.

Das CTM ist nur zum Testen da. Beim Probezusammenbau wollen die Ingenieure sehen, ob alle Teile miteinander harmonieren und ob die Rakete und die Bodenanlagen im Weltraumbahnhof in Kourou zusammenspielen. Denn die wurde eigens für die Ariane 6 neu gebaut. Diese Startrampe ist nicht nur der Ort, von dem die Rakete abhebt, hier wird sie auch kurz vor dem Start betankt. Gezündet wird beim Test lediglich die Hauptstufe, die Ariane wird am Boden blieben. „So haben wir es jedenfalls geplant“, sagt Servos mit einem Lachen.

Dass der Erstflug dann nicht mehr lange auf sich warten lassen wird, ist in den Hallen am Bremer Flughafen auch zu erahnen. Hier stehen bereits die Bauteile, die bald zum FM1 der Oberstufe zusammengesetzt werden sollen – dem Flugmodell 1. Es ist die Oberstufe für den Premierenflug der Ariane 6. Mehrfach wurde er verschoben: Eigentlich hätte er Ende vergangenen Jahres stattfinden sollen, nun wird die zweite Hälfte des kommenden Jahres angepeilt. Ob der Plan eingehalten wird? Man sei auf bestem Wege, heißt es bei Ariane Group. In Bremen liegen jedenfalls schon die Tanks für die erste Flug-Oberstufe bereit, die – fertig zusammengebaut – ein Gewicht von zwölf Tonnen haben wird. Ist sie mit Wasserstoff und flüssigem Sauerstoff betankt, ist sie noch schwerer. 18 Tonnen Schub werden sie durch den Weltraum bringen.

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Die Ariane 6 ist ein langfristiges Projekt; eine Rakete, die etliche Jahre immer wieder starten soll. Das Vorgängermodell, die Ariane 5, ist seit 1996 im Dienst. Trotz dieses langen Zeithorizonts steht die Entwicklung der Rakete aber nicht still – im Gegenteil. An diesem Dienstag wurde ein Vertrag zwischen der Europäische Raumfahrtorganisation (Esa) und Ariane Group unterschrieben, der die Ariane fit für die Zukunft machen soll – und von großer Bedeutung für den Bremer Standort ist. Die sogenannte Kickstage soll als zusätzliche Stufe die Ariane 6 flexibler machen und offiziell Astris heißen. Der Auftrag hat einen Wert von 90 Millionen Euro und basiert auf einer Entscheidung der Esa-Ministerkonferenz im November 2019.

Im Vergleich zur normalen Ariane 6 soll es mit der Kickstage möglich sein, Satelliten leichter und schneller in ihre Umlaufbahn zu bringen – auch wenn diese in verschiedenen Höhen liegen. Auch für Missionen zum Mond und in die Tiefen des Weltraums soll das System ein wichtiger Baustein sein. Entwickelt wird es in Bremen und an den Standorten Ottobrunn und Lampoldshausen.

Der erste Einsatz für die Kickstage ist für 2024 geplant. Bis dahin soll sich die Ariane 6 bewährt haben und viele Male geflogen sein. Die letzte testrunde, die nun eingeläutet wurde, wird dann längst vorbei sein.

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Aus Rastede ins All

Er zählt zu den bekanntesten Menschen aus Rastede im Ammerland: Astronaut Thomas Reiter. Vor 15 Jahren flog er als erster Deutscher zur Raumstation ISS. Seine Rückkehr nach einem knappen halben Jahr verfolgte sein Heimatort beim Public Viewing im Ratssaal. Noch heute schwärmt der 63-Jährige von seinem Ausflug ins All und die Aussicht aus 400 Kilometer Höhe auf die Erde. „Natürlich geht einem der Blick auf unseren Planeten und die wunderschönen Sonnenauf- und -untergänge nie aus dem Sinn“, sagte Reiter kürzlich. Der Außeneinsatz im freien All sei „ein absoluter Höhepunkt“ gewesen. „Näher kann man dem Weltraum nicht kommen.“

Als nächster Deutscher fliegt der Saarländer Matthias Maurer im Herbst zur ISS. Der Astronaut der Europäischen Raumfahrtbehörde Esa wird der zwölfte Deutsche im All sein - und der vierte Deutsche im fliegenden Labor. Eine deutsche Astronautin gab es bisher nicht.

Das werde sich aber ändern, meint Reiter. „Je mehr Frauen sich an einem Astronauten-Auswahlverfahren beteiligen, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, in der Endrunde mit dabei zu sein.“ Im laufenden Auswahlverfahren der Esa seien sicher viele deutsche Kandidatinnen dabei - das hoffe er zumindest. „Bei Erfolg wäre eine Raumfahrtmission in der 2. Hälfte dieses Jahrzehnts vorstellbar. Es würde mich freuen, wenn in Deutschland der Anteil von Frauen in natur- oder ingenieurwissenschaftlichen Studiengängen weiter steigen würde.“

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