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Feuerwerk an Silvester Sorge um Arbeitsplätze: Böllerverbot bringt Hersteller in Existenznot

Das zweite Verkaufsverbot von Silvesterfeuerwerk bringt die Branche in Existenznot. Kommunen und Umweltschützer sehen dagegen viele Vorteile.
17.12.2021, 07:38 Uhr
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Von Wolfgang Mulke Florian Schwiegershausen

Für die großen Fans von Pyrotechnik ist der 29. Dezember der zweitwichtigste Tag im Jahr. Ihr Ritual: Früh morgens machen sie sich auf den Weg nach Bremerhaven in die Nähe der Container-Terminals. Dort warten sie dann stundenlang in der Kälte, bis der Feuerwerkshersteller Comet seinen Werksverkauf eröffnet. Doch daraus wird wohl auch dieses Jahr wieder nichts.

Wegen der Pandemie soll auch in diesem Jahr bundesweit der Verkauf von Böllern wegfallen. Comet hatte auf die drei Verkaufstage vom 29. bis 31. Dezember hingearbeitet. Sprecher Jens Thomas sagte: "Wir haben bis zuletzt dafür plädiert, privates Feuerwerk in einem kleinen Kreis von Menschen zu ermöglichen." Was das für die 200 Beschäftigten beim Zweitgrößten der Branche bedeutet, lasse sich derzeit nicht sagen.

Wie viele Arbeitsplätze gehen verloren?

Beim größten deutschen Hersteller ist die Stimmung ebenso auf dem Tiefpunkt. Das Unternehmen Weco in Eitorf östlich von Bonn hat schon unter dem Verkaufsverbot des vergangenen Jahres schwer gelitten und nach eigenen Angaben einen zweistelligen Millionenbetrag verloren. Ein Werk im sächsischen Freiberg musste schließen. 100 Jobs gingen verloren. Nun geht auch bei den verbliebenen 350 Beschäftigten die Angst vor der Schließung um, wenn der Bundesrat an diesem Freitag das vom Bund verordnete Verkaufsverbot für Feuerwerk zum Jahresende bestätigt.

Das Verbot trifft die Branche hart. Denn in den Tagen vor Silvester werden bis zu 95 Prozent des Umsatzes erzielt. Einen dreistelligen Millionenbetrag jagen die Deutschen zum Jahreswechsel in die Luft. Das dürfen sie in begrenztem Umfang auch in diesem Jahr. Nur der Verkauf wird untersagt. Was noch im Regal daheim liegt, darf verballert werden, sofern die jeweilige Kommune kein generelles Verbot ausspricht. Das ist vielerorts der Fall. „Das Feuerwerksverbot bedeutet mit aller Wahrscheinlichkeit den Todesstoß für die gesamte Feuerwerksbranche in Deutschland und damit auch die Arbeitslosigkeit von 3.000 Beschäftigten“, befürchtet Klaus Gotzen, Sprecher des Verbands der pyrotechnischen Industrie (VPI). 

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Händler will gerichtlich vorgehen

Der Online-Händler Pyroland aus Scheeßel will das Verbot rechtlich aushebeln. Gemeinsam mit anderen Firmen und Verbänden habe man dafür gute Argumente gesammelt, teilt das Unternehmen mit. Noch verpackt und versendet der Händler die bestellten Feuerwerkskörper wie gewohnt. Und kann sich vor Anfragen nach eigener Aussage nicht retten.

Gute Laune herrscht dagegen in der polnischen Grenzstadt Slubice. Ein örtlicher Händler musste zu Wochenbeginn sogar schließen, um mehr Kapazitäten für die Abholung der Böller und Batterien durch die Kundschaft aus Deutschland zu schaffen. Dabei warnen Fachleute gerade vor dem Einkauf in Polen, weil manche Knallkörper mit hoher Sprengkraft in Deutschland verboten sind und als gefährlich eingestuft werden. Auch deshalb hält Weco das Verbot für Unfug. Laut Weco-Geschäftsführer Thomas Schreiber bewirkt es das Gegenteil vom erwünschten Effekt: "Nämlich, dass viele Menschen illegale und lebensgefährliche Feuerwerkskörper im Ausland oder sogar auf dem Schwarzmarkt kaufen."

Kaum Verletzungen durch Böller

Damit trifft Schreiber einen wunden Punkt. Bund und Länder begründen das Verkaufsverbot damit, dass die ohnehin stark belasteten Krankenhäuser rund um Silvester nicht noch zusätzlich mit Böllerunfällen belastet werden. Das Argument sei haltlos, kritisiert Schreiber. Die wenigsten Krankenhausbesuche zum Jahreswechsel stünden in Zusammenhang mit Feuerwerk. Auch der VPI sieht eher Alkoholmissbrauch oder Schlägereien als Ursache für die vollen Notaufnahmen an Silvester.

Die Branche pocht auf weitere Hilfen. Das Feuerwerk kann zwar für den Verkauf im kommenden Jahr eingelagert werden. Doch Lager- oder Finanzierungskosten belasten die Unternehmen. Comet beklagt, dass die Firma die Ausgleichszahlungen der Regierung aus diesem Jahr noch nicht erhalten habe. Eigentlich sollte das Unternehmen zwölf Millionen Euro erhalten. Auf diese Summe hatte sich Bremens Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt (Linke) zum Jahresanfang mit dem Bundeswirtschaftsministerium und dem Bundesfinanzministerium verständigt.

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Umwelthilfe fordert Verbot auf Jahre

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) begrüßt, wie berichtet, das geplante Verkaufsverbot. Der Verein fordert schon lange ein völliges Verbot der Knallerei, weil darunter Haustiere leiden und die Luft durch Stickoxide belastet wird. DUH-Chef Jürgen Resch fordert eine Ausweitung des Verbots auf die nächsten Jahre. Während übrigens die Niederlande auch ein Verbot verhängt haben, hält Dänemark bisher am Feuerwerksverkauf fest.

Erfreut sind auch die kommunalen Entsorgungsunternehmen. Denn ohne Böller und Raketen reduziert sich das Müllaufkommen zum Jahreswechsel erheblich. Nach Angaben des Verbands Kommunaler Unternehmen (VKU) fallen allein in den fünf größten deutschen Städten jährlich zwischen 134 und 183 Tonnen Silvestermüll an. Im vergangenen Jahr – also ohne Knallerei – kam gerade einmal ein Drittel zusammen.

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Polizei und Ordnungsamt kontrollieren Böllerverbot

An Silvester darf von 18 Uhr bis 3 Uhr in Bremen auf den Straßen und Plätzen am Weserufer, also auch der Schlachte, kein Feuerwerk gezündet werden. Gemäß des bundesweiten Sprengstoffrechts gelte ein Böllerverbot bereits auf dem Marktplatz, am Flughafen, in der Nähe von Krankenhäusern, vor dem Zoo Bremerhaven sowie seit dem vergangenen Jahr auch im Schnoor. Polizei und Ordnungsamt werden das Verbot kontrollieren - in welchem Umfang, wollte das Innenressort aus einsatztaktischen Gründen nicht nennen.

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