Wenn es nach der Bundesregierung geht, sollen bis 2030 in Deutschland 15 Millionen vollelektrische Autos unterwegs sein. Im April waren knapp 1,5 Millionen E-Autos zugelassen. Dennoch stellt die Regierung die Weichen für den weiteren Ausbau der E-Mobilität: Große Tankstellenketten sollen verpflichtet werden, an jedem Standort eine Schnellladesäule zu installieren.
Ab wann soll das Gesetz gelten?
Von 2028 an soll laut Gesetzentwurf an jeder öffentlichen Tankstelle mindestens eine Schnellladesäule mit einer Leistung von mindestens 150 Kilowatt vorhanden sein. Das Bundesverkehrsministerium, aus dem der Entwurf stammt, begründet dies so: „Die Mineralölwirtschaft hat bereits begonnen, Ladesäulen zu errichten und dieses Geschäftsfeld neu für sich zu erschließen. Bisher sind jedoch erst rund drei Prozent der Tankstellen in Deutschland mit Schnellladeinfrastruktur.“ Der Ausbau erfolge nicht flächendeckend und sei regional sehr unterschiedlich. In einigen Regionen sieht man also Nachholbedarf.
Sind alle Tankstellenketten betroffen?
Ketten mit weniger als 200 Tankstellen sind vom Gesetz ausgenommen. Für die Unternehmen in der Region bedeutet das: Die Hoyer-Gruppe in Visselhövede mit bundesweit mehr als 250 Tankstellen ist betroffen. Die Lühmann-Gruppe in Hoya mit gut 190 Classic-Tankstellen nicht und auch nicht der Bremer Mineralölhandel. Er kommt mit seiner Unternehmensmutter, der Pfennings-Gruppe, auf 115 Tankstellen. „Damit werden nur die größten und leistungsfähigsten Unternehmen innerhalb des Tankstellenmarktes verpflichtet“, so das Bundesverkehrsministeriums. Laut Entwurf wird das Gesetz die Firmen nicht überfordern.
Gibt es weitere Ausnahmen?
Das Gesetz erlaubt es den Ketten, die Schnellladepunkte bis zur Hälfte in einem Umkreis von bis zu 1000 Metern um die Tankstellen herum zu errichten. Oder sie dürfen die Ladepunkte zusätzlich an einer anderen Tankstelle errichten.
Was erhofft sich der Staat?
Das Ministerium geht von gut zwölf Unternehmen aus, die durch das Gesetz aktiv werden müssen. Zusammen verfügen sie über 8800 Tankstellen, was fast zwei Dritteln aller Tankstellen in Deutschland entspricht. 800 würden bereits über eine Schnellladesäule verfügen, 8000 weitere würden entstehen.
Wie fallen die Reaktionen aufseiten der Tankstellenketten aus?
Der Sprecher der Hoyer-Unternehmensgruppe, Thomas Hartmann, hält das Prinzip von Angebot und Nachfrage für den besseren Weg als das Eingreifen des Staates: „Wenn die Kunden an einem der Standorte nach einer Ladesäule fragen, dann bekommen sie die auch. Wir prüfen alle unsere Tankstellen, wo das aus unserer Sicht Sinn macht.“ Für viel dringender hält Hartmann den Ausbau der Stromnetze: „Wir brauchen entsprechend die Netzanschlüsse für eine Schnellladesäule. Denn die sind nicht da. Das muss die Politik lösen.“ Bei einer Hoyer-Anfrage nannte der örtliche Energieversorger einen siebenstelligen Betrag, der nötig sei, um das Netz stark genug auszubauen. „Wenn außerdem beispielsweise in Hamburg sieben Tankstellen nah beieinander alle eine Schnellladesäule errichten, dann gibt es dort ein Stromversorgungsproblem.“ Deshalb sei das Gesetz nicht der richtige Weg.
Wenngleich der Bremer Mineralölhandel nicht vom Gesetz betroffen ist, sagt Geschäftsführer Ronald Rose: „Bis 2028 haben wir an all unseren Tankstellen eine Schnellladesäule errichtet, wo es von der Nachfrage her Sinn macht.“ Rose mutmaßt, dass das geplante Gesetz auch dazu führen könne, Tankstellen zu schließen, die sich gerade so rechnen, aber bei denen die Investition in eine Ladesäule keinen Sinn mache.
Was tut der Staat selbst?
Das Ministerium verweist auf das Deutschlandnetz, mit dem man 9000 zusätzliche Schnellladepunkte schaffen möchte. Sie sollen an unbewirtschafteten Rastanlagen an der Autobahn entstehen sowie in bisher unterversorgten Regionen. Das Ministerium peilt das Jahr 2026 für die Fertigstellung an.
Wie viele Schnellladesäulen gibt es momentan?
Im April waren laut Ministerium von den 115.000 öffentlich zugänglichen Ladepunkten rund 22.000 Schnellladesäulen - rund ein Fünftel davon durch das Ministerium gefördert. Dabei wird auf das Register der Bundesnetzagentur verwiesen, auf dem alle Ladesäulen per Liste und auf einer Landkarte verzeichnet sind. Zum Jahresanfang verzeichnete die Behörde für das Bundesland Bremen 105 öffentlich zugängliche Schnellladepunkte sowie 695 herkömmliche Ladesäulen. Der Gesetzentwurf wird als Nächstes im Bundestag behandelt.