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Bioplastik Gut fürs Gewissen, nicht für die Umwelt

Biologisch abbaubares Plastik boomt. Mit Umweltschutz habe das aber nichts zu tun, sagen Experten.
22.01.2018, 09:31 Uhr
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Umweltfreundliche Produkte sind beliebt. Beschreibungen wie ökologisch und biologisch geben Verbrauchern ein gutes Gefühl. In Zeiten, in denen Land und Meer unter riesigen Mengen Müll leiden, rücken Verpackungen in den Fokus. Immer mehr Unternehmen werben mit umweltfreundlichem Bioplastik oder kompostierbaren Behältern.

Die Firma Velibre aus Bremen zum Beispiel verkauft biologisch abbaubare Kaffeekapseln für Nespresso-Maschinen. Solche Kaffeeautomaten werden nach Angaben der Firma Nestlé in mehr als 60 Ländern verwendet und von Stars wie George Clooney beworben. „Herkömmliche Kaffeekapseln produzieren eine gigantische Menge Müll“, sagt Velibre-Sprecher Walter Hasenclever. „Unsere Kapseln bestehen vollständig aus Rohstoffen, die sich im Erdboden oder im Kompost biologisch abbauen“, heißt es auf der Homepage.

Zersetzung dauert zu lange

Das klingt gut, doch wer genauer liest, erfährt, dass der Abbau der Kapseln von vielen Bedingungen wie Temperatur und Umgebung abhängt. In Laboruntersuchungen bei Raumtemperatur zeigte sich demnach, dass die Kapseln nach acht Monaten fast vollständig zersetzt waren. „Das ist zu lange“, sagt die studierte Biotechnologin Petra Weißhaupt vom Umweltbundesamt. „Streng genommen muss dieses Produkt in die schwarze Tonne, in den Restabfall.“ In industriellen Anlagen dauert die Kompostierung des Biomülls in der Regel maximal zwölf Wochen.

Auch Velibre hat das inzwischen erkannt und eine Kapsel aus Papier entwickelt, die dem Unternehmen zufolge zu 100 Prozent kompostierbar ist und sich innerhalb weniger Wochen zersetzt. Die Kapsel, die bis Ende März 2018 auf den Markt kommen soll, besteht aus Zuckerrohrfasern, die unter Zugabe von Wasser und natürlichem Bindemittel zu einem feinen Brei gemahlen und in Form gepresst werden. „Wir sind sicher, dass wir eine umweltfreundliche Alternative zu herkömmlichen Kaffeekapseln gefunden haben“, sagt Sprecher Hasenclever.

"Mit Umweltschutz hat das nichts zu tun"

Für Thomas Fischer von der Deutschen Umwelthilfe (DUH) sind kompostierbare Kapseln eine große Verbrauchertäuschung. „Grundsätzlich kann es nicht ökologisch sein, Kaffee grammweise zu verpacken“, sagt der Umweltwissenschaftler aus Berlin. „Die angeblich ökologischen – weil biologisch abbaubaren – Kaffeekapseln verändern nichts an der Umweltschädlichkeit eines ressourcenfressenden, klimaschädigenden und unnötigen Verpackungssystems“, sagt Fischer. „Mit Umweltschutz hat das rein gar nichts zu tun.“

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Ähnlich kritisch sehen Umweltbundesamt (UBA) und Deutsche Umwelthilfe Biokunststoffe. Fischer betont, dass die Ökobilanz von Biokunststoffen bislang keineswegs besser ist als die von Plastik aus fossilem Rohöl. Während herkömmliche Verpackungen im Gelben Sack landen und recycelt werden können, würden viele Biokunststoffe vor dem Kompostieren in einer Anlage aussortiert und letztlich verbrannt. Zudem benötigt der Anbau von Mais, Kartoffeln oder Zuckerrohr für Bioplastik nicht nur Sprit und Dünger, sondern oft auch Pestizide, wie das UBA erklärt. Nach der Ernte müssten die Pflanzen noch verarbeitet werden, was auch zu Umweltbelastungen führe. Der Dünger könne Gewässer verschmutzen.

Bioplastik-Markt boomt

Auch Einwegtüten aus Papier schneiden Umweltexperten zufolge in Ökobilanzen nicht besser ab als konventionelle Plastiktüten. Im Gegenteil: „Sie brauchen für die Papiertüte sehr lange, sehr reißfeste Zellstofffasern. Zu deren Herstellung ist sehr viel Wasser und Energie nötig, es müssen viele Chemikalien eingesetzt werden“, erklärt der Diplom-Umweltwissenschaftler Fischer. Ziel müsse sein, grundsätzlich auf Einwegtüten zu verzichten. Auch der Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, Jürgen Resch, sagt: „Wir brauchen keine Einwegverpackungen – egal aus welchem Werkstoff – sondern Mehrwegsysteme zur Schonung von Ressourcen und zum Schutz unserer Ozeane vor Müllteppichen.“

Nach einer Trendwende hin zu Mehrwegverpackungen sieht es derzeit allerdings nicht aus. Nach Angaben des EU-Projekts Bio-Cann-Do boomt der globale Markt mit Bioplastik. Experten erwarten demnach in den kommenden fünf Jahren ein Wachstum um 20 Prozent. (dpa)

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