Im Februar kam die neue C-Klasse auf dem Markt, in der zweiten Jahreshälfte wird mit dem EQE ein neues E-Auto aus der Hansestadt erwartet. Genug zu tun wäre also im Bremer Mercedes-Werk. Doch stattdessen stehen seit der Nacht von Sonntag auf Montag die Bänder still, ein großer Teil der Mitarbeiter ist in Kurzarbeit. Bis Ende der Woche hätte die Pause dauern sollen, nun wurde sie nochmals um weitere sieben Tage verlängert, wie Elke Tönjes-Werner, stellvertretende Betriebsratsvorsitzende, auf Nachfrage bestätigt. Zudem gilt die Kurzarbeit nun auch für die Mitarbeiter des Presswerks, die zuvor davon ausgenommen waren. Seit Jahresanfang wurden die Beschäftigten mehrfach in die Zwangspause geschickt. Der Grund war immer der gleiche: Die Halbleiter haben gefehlt.
Ohne diese kleinen Bauteile geht es nicht im Automobilbau. Das merkt nicht nur Daimler, auch Volkswagen, BMW und Ford stehen vor den gleichen Problemen. Während vor zehn Jahren gerade eine Handvoll Chips in Autos verbaut waren, sind es mittlerweile Hunderte. Sie steuern das Licht, den Motor oder Fahrassistenzsysteme.
Die Autobauer sind aber nicht die Einzigen, die auf die Bauteile angewiesen sind. Auch andere Branchen spüren die Chip-Krise. Die Flugzeuge von Airbus etwa kommen auch nicht ohne die Halbleiter aus. Bislang habe es noch keine unmittelbaren Auswirkungen der Knappheit beim Flugzeugbauer gegeben. „Wir beobachten die Lieferkette aber genau“, teilte ein Sprecher mit.
Weitaus deutlicher spürt das Unternehmen Bruker Daltonik den Engpass am Chip-Markt. „Wir haben eine Lieferlücke von sechs bis acht Wochen“, sagt Thomas Brünjes, zuständig für die Produktion. Bruker Daltonik ist ein globales Unternehmen mit Hauptsitz in den USA, in Bremen gibt es eine Niederlassung. Der Spezialist für wissenschaftliche Instrumente wie beispielsweise Massenspektrometer ist bei der Produktion – wie viele andere Unternehmen auch – auf Zulieferer angewiesen. Und die, so Brünjes, hätten nun Probleme zu liefern, weil die Halbleiter fehlten. Ähnlich wie bei Mercedes kommt das für Bruker Daltonik zur Unzeit. „Unsere Auftragsbücher sind gut gefüllt“, sagt er. Denn durch die Corona-Pandemie seien die Geräte des Unternehmens gefragt. Anders als beim Autobauer mussten die Beschäftigten aber nicht in Kurzarbeit. „Wir haben unsere Produktion umgeplant und konnten somit alle Engpässe auffangen“, sagt Brünjes.
Zu Beginn der Corona-Pandemie, als die Folgen für die Wirtschaft kaum absehbar waren, habe Bruker Daltonik die Lager gefüllt. Viele andere Unternehmen haben ähnlich reagiert. „Das hat aber zu einer zusätzlichen Verknappung geführt“, sagt Brünjes. Das Unternehmen versucht, so gut wie möglich auf die aktuelle Situation zu reagieren. Teilweise würde man Geräte produzieren und diese dann erst mal zur Seite stellen – bis die fehlenden Bauteile geliefert würden. Das könne aber dauern. Brünjes sagt: „Manche Bausteine haben eine Lieferzeit von mehr als einem Jahr.“
Wann sich die Lage am Weltmarkt wieder normalisiert haben wird? Das ist laut Brünjes schwer zu sagen. Er geht davon aus, dass es noch mindestens ein Jahr dauern wird.
Bruker Daltonik ist mit der aktuellen Situation nicht alleine. Auch Faun aus Osterholz-Scharmbeck musste sich überlegen, wie es in der Chip-Krise weitergehen kann. „Wir sind knapp bei Elektronikbauteilen für unsere Steuerungen für die Müllfahrzeuge“, teilt Sprecherin Claudia Schaue mit. Probleme gibt es auch bei den Lastwagen-Herstellern, die Fahrgestelle für die Müllfahrzeuge des Osterholzer Unternehmens liefern. Hier kommt es zu Verzögerungen bei den Unterbauteilen für die Steuergeräte. Bei Faun habe man den Engpass aber abschätzen können, daher seien die Bestände und die Vorlaufzeiten rechtzeitig erhöht worden. Das Ziel: Alle Kunden sollen ihre Fahrzeuge pünktlich bekommen.
Harte sechs Wochen
Wie ernst die Situation ist, darauf lässt eine Aussage von Volkswagen-Vorstand Murat Aksel schließen. Im Interview mit dem „Handelsblatt“ sagte er vergangene Woche: „Wir stehen vor den härtesten sechs Wochen.“ Erst danach, glaubt er, dürfte sich die Situation am Halbleiter-Markt langsam bessern – aber noch lange nicht behoben sein. „Bis neue Produktionskapazitäten aufgebaut werden können, dauert es bis zu zwei Jahre.“
Aktuell arbeitet Bosch daran, die Fertigung von Halbleitern voranzutreiben. In Dresden eröffnete das Unternehmen Anfang Juni eine eigene Produktionsstätte. Ab Juli sollen hier zunächst die Halbleiter für Bosch-Elektrowerkzeuge produziert werden, ab September soll die Herstellung für die Autoindustrie starten. Der Fabrikbau wurde mit rund 140 Millionen Euro vom Bund unterstützt; etwa eine Milliarde hat Bosch investiert.