Das "Moin" geht Christiane Benner schon ganz flüssig von den Lippen. Die Hessin ist zweite Bundesvorsitzende der IG Metall und hatte sich am Mittwoch auf den Weg nach Bremen gemacht, wo sich die Delegierten des Bezirks Küste zu ihrer jährlichen Konferenz trafen. Das Motto: "Moin 2030 – Gute Arbeit in einem solidarischen Norden". Für Benner und die Führungsspitze der Metaller-Gewerkschaft ist Bremen nicht nur geografisch zurzeit ganz weit oben: Mit der Ausbildungsabgabe, die die Bürgerschaft im März gegen den erbitterten Widerstand von Handelskammer und Unternehmensverbänden durchgesetzt hat, steht Bremen aus Sicht der Gewerkschaft als bundesweites Vorbild da.
Denn die Lage auf dem Ausbildungsmarkt sei "alarmierend", meint Benner. 2,64 Millionen Menschen zwischen 20 und 35 haben in Deutschland keinen Ausbildungsabschluss, rechnet die Gewerkschaftsfunktionärin vor, ein neuer Höchststand. Gleichzeitig klagten die Unternehmen über einen Mangel an gut ausgebildeten Fachkräften. "Wer Fachkräfte will, darf aber nicht jammern, sondern muss ausbilden", fordert Benner.
In Bremen will man den Unternehmen dabei auf die Sprünge helfen. Alle Betriebe sollen in einen Topf einzahlen, der sich "Ausbildungsunterstützungsfond" nennt. Aus diesem Topf sollen dann diejenigen Unternehmen bedacht werden, die tatsächlich ausbilden – sie bekommen also Geld zurück. Wer nicht ausbildet, geht leer aus.
Das Bremer Modell will die IG Metall jetzt in ganz Deutschland durchsetzen. "Die Forderung erheben wir bereits seit Jahren: Wer nicht ausbildet, soll zahlen", erinnert Benner. Bremen habe jetzt gezeigt, wie es geht. "Von Bremen lernen, heißt siegen lernen", stellt die Spitzengewerkschafterin aus Frankfurt fest – was man in Bremen jedenfalls seltener zu hören bekommt als ein fröhliches Moin.
Von Region zu Region unterschiedlich
Dabei ist die Lage von Region zu Region unterschiedlich, weiß man auch bei der Gewerkschaft: Mancherorts gibt es zu wenig Ausbildungsplätze, andernorts zu wenig Bewerber. Auch von Branche zu Branche stellt sich die Situation unterschiedlich dar: Im Handwerk erscheinen manchem die Arbeitsbedingungen nicht attraktiv, einige Branchen stehen vor einer unklaren Zukunft. Viele Betriebe würden zudem lieber junge Menschen mit hohen schulischen Abschlüssen wie dem Abitur einstellen, während die mit einem niedrigeren Abschluss nicht einmal zum Vorstellungsgespräch eingeladen würden, beklagen die Gewerkschafter. Die duale Ausbildung aus betrieblicher Lehre und Berufsschule – einst ein deutsches Vorzeigemodell – sei in Gefahr.
"SOS Ausbildung" schrieben die Metaller des Bezirks Küste deshalb über ihre Resolution, die sie am Ende einstimmig verabschiedeten. Ihre Forderungen: mehr Ausbildungsplätze, bessere Förderung von Haupt- und Realschülern, bessere Ausbildungsbedingungen, besonders im Handwerk, Stärkung der dualen Berufsausbildung – und eine Ausbildungsabgabe nach Bremer Vorbild: "Nur eine Umlagenfinanzierung schafft wirksame Anreize, damit Unternehmen mehr Ausbildungsplätze bereitstellen", heißt es in der Resolution.
In der Handelskammer hat man zwar nichts gegen eine Vorreiterrolle Bremens hier und da, sehr wohl aber etwas gegen die Ausbildungsabgabe: Die bringe nur Bürokratie und zusätzliche Kosten, aber keinen Nutzen, lautet das Urteil. Nachdem eine monatelange Kampagne das Gesetz nicht verhindern konnte, will man nun klagen. ""Wir lassen die Klageschrift zurzeit erarbeiten, das braucht wegen der Komplexität des Themas einige Wochen", erklärt der Hauptgeschäftsführer der Handelskammer, Matthias Fonger. Ende Mai/Anfang Juni wollen die Juristen die Klage beim Staatsgerichtshof des Landes Bremen einreichen. Das Verfahren könnte ein halbes oder sogar ganzes Jahr in Anspruch nehmen. So lange sollte die Umsetzung des Gesetzes unterbleiben, empfiehlt Fonger. "Sonst besteht die Gefahr, dass hier Steuergelder in den Sand gesetzt werden."
Die IG Metall jedoch will sich von dem Rechtsstreit nicht bremsen lassen. "Ich bin die Krokodilstränen der Arbeitgeber leid", schimpft Daniel Friedrich, Leiter des IG-Metall-Bezirks Küste. Die Klage über vermeintlich ungeeignete Azubis kenne er noch zu gut aus seiner eigenen Lehrzeit, und die ist bald 30 Jahre her. Er will das Thema auch in den anderen vier Bundesländern seines Bezirks forcieren – das sind Niedersachsen, Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern. Und auch das SPD-geführte Bundesarbeitsministerium plant die Einführung einer bundesweiten Ausbildungsplatzgarantie – allerdings ohne finanzielle Umlage für die Betriebe. Aus Sicht der Gewerkschaft ist das ein Mangel, den es zu beheben gilt – und zwar nach Bremer Vorbild.