Im Bereich Offshore-Wind sollen einmal 8000 Arbeitsplätze in Bremerhaven entstehen – in der Theorie. Doch statt diesem Ziel näherzukommen, wird die Zahl der Beschäftigten in diesem Segment immer kleiner – gerade auch in diesem Jahr. Dafür hat vor allem das Produktionsende beim Offshore-Turbinen-Hersteller Adwen gesorgt. Außerdem wurde das Werk des Rotorblattherstellers für Windanlagen Power-Blades geschlossen.
Wie viele der etwa 1140 Adwen-Beschäftigten, von denen rund die Hälfte Leiharbeiter und Mitarbeiter mit Werkverträgen sind, ihren Job verlieren, das hat das Unternehmen nicht kommuniziert. Ein Teil der Mitarbeiter könnte in der neuen Service-Abteilung von Adwen, die für die Wartung von vier Windparks zuständig ist, eine Weiterbeschäftigung finden. Und andere sollen weiterhin in der Turbinen-Herstellung tätig werden – allerdings in Cuxhaven, dort wo Siemens-Gamesa Renewable Energy in seinem neuen Werk seit Sommer die Produktion aufgenommen hat.
Auch bei Power-Blades ist nicht klar, wie viele Mitarbeiter ihren Job verlieren. Für einen Teil der in der Seestadt betroffenen gut 250 Mitarbeiter in der Rotorblatt-Fertigung soll zumindest die Aussicht bestehen, künftig in der Bremerhavener Gondel-Produktion beim Offshore-Anlagenhersteller Senvion zu arbeiten – dem Mutterkonzern von Power-Blades.
Ein Aushängeschild weniger
Trotz dieser Entwicklungen zählt Bremerhaven nach Ansicht von Dirk Briese immer noch zu den wichtigen maritimen Kompetenzzentren in Deutschland. In Bremerhaven gebe es nicht nur Adwen, sondern auch andere Hersteller und Dienstleister aus der Wind-Offshore-Branche wie Senvion, BLG Logistics, Eurogate und Fraunhofer-Institut für Windenergie und Energiesystemtechnik (IWES) und viele weitere, so der Geschäftsführer vom Bremer Marktforschungsinstitut Windresearch. „Allerdings war Adwen als Hersteller gewissermaßen eines der ,Aushängeschilder‘, welches nun fehlt.“
Die Aussichten für den Standort insgesamt bewertet Briese aber als schlecht – vor allem dann, wenn sich die aktuelle Auftragslage in der Branche nicht durch ein Anheben der Ausbauziele für Offshore-Windenergie in Deutschland verbessert. „Derzeit gibt es einen starken Kostendruck und viel Konsolidierung im Markt, andere Offshore-Unternehmen bauen Arbeitsplätze oder wandern ab oder werden geschluckt.“ Generell müssten nicht nur auf deutscher, sondern auch auf internationaler Ebene mehr Aufträge vergeben werden, um so die Lage zu verbessern und Unsicherheiten beziehungsweise Produktionslücken aufseiten der Hersteller zu vermeiden.
Dass der Offshore-Branchenführer Siemens-Gamesa auch der Mutterkonzern von Adwen ist, hat dem Unternehmen am Ende nichts genützt. Seit Siemens vor anderthalb Jahren für gut eine Milliarde Euro 59 Prozent der Anteile am spanischen Anlagenbauer Gamesa übernahm, war Adwen einfach mit in diesem Paket. Von vornherein war klar: Das Siemens-Interesse galt nur Gamesa. Denn so konnte Siemens mit einem Schlag auch im Windkraftanlagengeschäft an Land punkten – eine Domäne des spanischen Unternehmens, das in diesem Segment zu den führenden Unternehmen gehört.
Genützt hat es Adwen auch nichts, dass das Unternehmen eine Acht-Megawatt-Offshore-Anlage entwickelt hat. Lediglich der 205 Meter hohe Adwen-Prototyp steht. Die Anlage, die 100 Meter Luftlinie entfernt von der Adwen-Fertigungshalle auf dem ehemaligen Flughafengelände Luneort in den Himmel ragt, wurde erst im Mai aufgebaut und galt als Hoffnungsträger des Unternehmens. Mit einem Rotordurchmesser von 180 Metern ist sie die derzeit weltweit größte Offshore-Windmühle. Doch Siemens-Gamesa setzt auf seine eigene Acht-Megawatt-Offshore-Anlage, die in Cuxhaven hergestellt wird. Als Industrie-Ruine soll der Prototyp aber nicht enden: Das Fraunhofer-Institut nutzt ihn schon für technische Tests.
„In Anbetracht der Tatsache, dass Siemens das Werk in Cuxhaven bereits ab 2015 geplant hat und sich die Auftragslage für die gesamte Branche verschlechterte, wäre das Produktionsende bei Adwen wahrscheinlich so oder so gekommen“, sagt Windexperte Briese. „Hinzu kommen generell die Schwächen des Adwen-Standorts am Fischereihafen wie zum Beispiel die Größe des Grundstücks, die zu kleine Kaikante sowie die Wassertiefe und die nicht gegebene offene Verbindung zum Wasser.“
Ohne Zulieferer, Dienstleister und kleinere Betriebe gibt es laut der Bremerhavener Gesellschaft für Investitionsförderung und Stadtentwicklung aktuell etwa 1500 Arbeitsplätze, die in der Seestadt direkt der Offshore-Windindustrie zuzuordnen sind. Vor ein paar Jahren waren es mal um die 3000.
Was Bremerhaven als Offshore-Standort helfen würde, wäre ein weiterer Anlagen-Hersteller. Doch dieser Markt ist übersichtlich.
Theoretisch wäre es möglich, dass sich ein weiterer Hersteller in Bremerhaven ansiedelt, so Briese. Der Platz zum Beispiel im Gewerbegebiet Luneplate, fast direkt an der Kaikante des geplanten Offshore Terminals, ist vorhanden.“ Allerdings müsste dann ein Hersteller gefunden werden, der einen neuen Standort sucht. Und das sei derzeit wohl eher auszuschließen. Und Siemens hat sich bekanntlich für Cuxhaven entschieden. Außerdem müsste natürlich der als OTB bezeichnete Terminal gebaut werden.
Dieses 200-Millionen-Euro-Projekt gilt bekanntlich als sehr umstritten. Ob überhaupt und wenn, dann wann gebaut werden darf, damit sind die Gerichte beschäftigt.
Trotz der Entwicklungen in diesem Jahr hat Bremerhaven als Offshore-Standort aus Sicht von Briese durchaus noch Qualität. Zum einen gebe es noch Senvion als Anlagenhersteller und zum anderen seien noch viele Logistikunternehmen vertreten sowie viele Dienstleister im Bereich der Unfallverhütung, Wartung und Service. Des Weiteren seien am Standort auch Installations- und Tauchereidienstleister zu finden, ebenso wie Betreiber, Projektentwickler und Ingenieure. Eine ausgewiesene Stärke seien die Fraunhofer-Einrichtungen unter anderem mit den Gondelprüfständen.