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Interview über Windenergie-Branche Jens Eckhoff: „Groko bedeutet eher Stillstand“

Der Bremer CDU-Politiker Jens Eckhoff spricht im Interview über die Perspektiven der Windenergie-Branche im neuen Jahr und die Pläne der wahrscheinlichen neuen Bundesregierung.
16.01.2018, 06:00 Uhr
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Jens Eckhoff: „Groko bedeutet eher Stillstand“
Von Peter Hanuschke

Wie gut geht es der Offshore-Windbranche?

Jens Eckhoff: Auf den ersten Blick gut. Das Ergebnis der ersten Ausschreibungsrunde im vergangenen Jahr hat gezeigt, dass künftig Windparks auf See ohne staatlich garantierte Vergütung für Strom auskommen werden. Damit wird Offshore-Wind der günstigste Erzeuger der Erneuerbaren Energien. Die Kinderkrankheiten der jungen Industrie hat die Branche erfolgreich hinter sich gelassen. Die Industrie, die auch gerade in Norddeutschland gut verankert ist, ist für einen freien Wettbewerb in Europa gut aufgestellt. Deutschland ist Technologievorreiter.

Und auf den zweiten Blick?

Es hat sich gezeigt, dass es der Mittelstand immer schwerer hat, sich am Markt zu behaupten. Offshore-Wind wird immer stärker von international tätigen Großindustrieunternehmen dominiert. Zudem ist abzusehen, dass es aufgrund der Deckelung der Ausbauziele zu einer Auftragsdelle kommen wird, beziehungsweise sie schon eingesetzt hat. Und das wird fatale Folgen für einen Teil der deutschen Windanlagenbauer und Zulieferer haben. Es droht ein Fadenriss in der Industrie, die gerade erst richtig in Schwung gekommen ist und im Grunde genommen die Industrie ist, die Deutschland aus Sicht der Energieversorgung sicher in die Zukunft bringen kann. Das gilt nicht nur für die Offshore-, sondern auch für die Onshore-Windbranche.

Wird die Energiewende von Politik nicht ernsthaft betrieben? Wie groß ist Ihre Hoffnung, dass eine mögliche Große Koalition (Groko) das Thema stärker in den Fokus rückt?

Die Große Koalition bedeutet für die Energiewende nach jetzigem Stand und aus meiner Sicht eher Stillstand. Schon in der vergangenen Legislaturperiode wurde das Thema nur halbherzig vorangetrieben. Es deutet momentan in Berlin wenig darauf hin, dass da etwas mehr Bewegung reinkommt. Meine Hoffnung ist aber immer noch, dass die Energiewende als Chance gesehen wird, weil sie Deutschland mittel- und langfristig nicht nur von fossilen Brennstoffen unabhängig macht, sondern auch für Arbeitsplätze sorgen wird.

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Wie bewerten Sie in diesem Zusammenhang, dass eine mögliche Groko das Klimaschutzziel 2020 aufgeben will?

Wenn das so kommen sollte, wäre das natürlich fatal und sendet ein völlig falsches Signal aus. Wahrscheinlich ist es zwar so, dass Deutschland dieses Ziel nicht mehr erreichen wird, es deshalb aber aufzugeben, entzieht sich meiner Logik. Wenn wir es zwei, drei Jahre später erreichen würden, wären doch trotzdem alle zufrieden. Ohne Ziel ist man auf jeden Fall orientierungslos - das kann doch keiner ernsthaft wollen. Vor allem: Wie stehen wir auch in Europa da, wir galten bisher immer als verlässliches Land mit einer Vorreiterrolle – gerade auch im Hinblick auf Klimaschutz.

Ist die Energiewende für Politik zu unattraktiv?

Mit der Energiewende kann man keine Wahl gewinnen, sondern nur Wahlen verlieren. Das ist genauso wie in der Gesundheitspolitik.

Fehlt für ein Gelingen der Energiewende der große Plan?

Die Wind-, Sonnen- und Wasserenergie muss auf jeden Fall ganzheitlich betrachtet werden. Es geht darum, diese Bereiche noch weiter auszubauen, und den Strom zu den Kunden zu bringen. Es müssen auch Speichermöglichkeiten, Elektromobilität und die Wärmeversorgung in diesem Zusammenhang berücksichtigt werden. Für ein Gelingen sind auf jeden Fall mehrere Legislaturperioden notwendig. Im Grunde genommen fehlt ein Ministerium, das sich ausschließlich um diese Thematik kümmert.

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Aber gerade der Stromtransport bereitet doch Probleme?

Dass Stromtrassen fehlen, die Nord und Süd verbinden, steht außer Frage. Doch die Zeit bis sie fertig sind, könnte auch mit den bestehenden Netzen überbrückt werden – vorausgesetzt es ist gewollt. Die Netze sind nur zu 50 Prozent ausgelastet, durch intelligente Schaltungen wäre eine ausreichende Optimierung möglich. Wichtig ist ebenfalls eine schnelle Europäisierung der Netze.

Erneuerbare Energien machen den Strom viel zu teuer, ist häufig von der Industrie als Kritik zu hören. Wie ordnen Sie das ein?

Was der Bundesverband der Industrie da regelmäßig von sich gibt, entbehrt jeglicher Grundlage - das ist völliger Nonsens. In Europa gibt es bis auf Skandinavien keine Länder, die günstigeren Strom als Deutschland inklusive der erneuerbaren Energien für Unternehmen anbieten. Wenn dieser Strom teurer geworden ist, dann für private Verbraucher, die sich nicht wie viele Unternehmen von der EEG-Umlage befreien lassen können. Wobei diese Umlage ab 2023 sinken wird. Insgesamt können wir froh sein, wenn Strom auf dem jetzigen Preisniveau in den nächsten Jahrzehnten bleiben wird – das wird uns aber nur mit einem weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien gelingen.

Zurück zu Offshore. Wie beurteilen Sie die Entwicklung in Bremerhaven, wo beispielsweise der Anlagenhersteller Adwen im vergangenen Jahr seine Produktion eingestellt hat.

Das ist schon traurig. Es zeigt, dass sich der Offshore-Markt jetzt schon konsolidiert. Bremerhaven ist dennoch weiterhin ein wichtiger Standort für Offshore. Es gibt Senvion, Zulieferer und wichtige Forschungseinrichtungen sowie Logistiker. Dass sich Marktführer Siemens mit seinem Werk in Cuxhaven angesiedelt hat, muss als Chance für die Region gesehen werden. Es ist wichtig, sich als kompetentes Nord-West Cluster darzustellen, um so im internationalen Wettbewerb mitzuhalten.

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Jetzt frage ich Sie nicht als Vorsitzender der Offshore-Stiftung, sondern als Bremer Politiker: Benötigt Bremerhaven immer noch einen Offshore-Terminal?

Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass er mit seiner bestehenden Planung vor Gericht abgelehnt wird. Dennoch bin ich überzeugt davon, dass er benötigt wird – nicht allein als Offshore-Terminal, sondern als seeseitige Umschlagsmöglichkeit für Schwerlastgüter aller Art. Das macht Sinn, gerade wenn dort ein großes Gewerbegebiet entstehen soll. Und Standorte sind klar im Vorteil, die einen seeseitigen Zugang haben, weil immer mehr Unternehmen dort produzieren wollen, um Schwerlasttransporte auf der Straße zu vermeiden. Und für diese Überlegungen sollte auf jeden Fall ein Plan B her, doch den hat der Senat leider nicht.

Was wünschen Sie sich als Präsident der Offshore-Stiftung?

Ich denke, dass eine mengenmäßige Begrenzung des Ausbaus nicht mehr notwendig ist und damit auf einen Deckel gänzlich verzichtet werden kann. Ich wünsche mir, dass der Ausbau künftig in klar definierten Größenordnungen erfolgt, die ausschließlich über den planmäßigen Ausbau der Netzanschlüsse gesteuert werden. Ein zentrales Modell ist verzichtbar, und die Projektentwickler können sich im Rahmen von Ausschreibungen entlang der Netztrassen mit ihren Projekten entsprechend bewerben und Netzanbindungen gegebenenfalls auch selber mit anbieten.

Und sprechen Sie auch für Onshore?

Da muss genauso nachjustiert werden. Die bisherigen Ausschreibungen haben gezeigt, dass das Ziel, den Preis der Marktentwicklung anzupassen, funktioniert hat. Allerdings muss das Design der Ausschreibungen geschärft werden und sich künftig nur noch auf genehmigte Projekte konzentrieren. Außerdem müssen die Mengen nach oben angepasst werden. Durch eine ergänzende Ausschreibungsrunde in 2018 für Projekte, die eine Anschlussgarantie bis zum 31. Dezember 2019 geben, würden nicht nur Maßnahmen für die Klimaziele 2020 erweitert, sondern auch ein Fadenriss in der Industrie vermieden.

Das Gespräch führte Peter Hanuschke.

Zur Person:

Jens Eckhoff ist seit 2005 Präsident der Stiftung Offshore-Windenergie. Der CDU-Politiker, Jahrgang 1966, war in Bremen unter anderem Bausenator von 2003 bis 2006.

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