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Grill an der Liebfrauenkirche Kirche kündigt Kiefert den Mietvertrag

Nach 85 Jahren schließt Kiefert seinen Grill an der Liebfrauenkirche – nicht ganz freiwillig. Bei Problemen mit dem Brandschutz fanden die Gemeinde als Vermieter und Firmenchef Joachim Kiefert nicht zusammen.
30.11.2022, 05:00 Uhr
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Kirche kündigt Kiefert den Mietvertrag
Von Timo Thalmann

Silvester 2022 wird die letzte Gelegenheit sein, eine Bratwurst an der Liebfrauenkirche zu erstehen: Nach 85 Jahren schließt der Imbiss Martin Kiefert an dieser prominenten Stelle seine Pforten. Das Café, mit dem sich der Imbiss das direkt an die Kirche angebaute ehemalige Küsterhaus teilt, wird sich vergrößern und die Räumlichkeiten übernehmen.

Damit endet ein langes Stück Bremer Stadtgeschichte, das ein wirkliches Unikat darstellt. Nirgendwo sonst gibt es in Deutschland eine gegrillte Bratwurst mehr oder weniger direkt aus dem Kirchengebäude. Nur wenige Jahre existierten der 1937 eröffnete Kiefert-Imbiss und das traditionsreiche Nürnberger Bratwurstglöcklein direkt in einem Anbau an die dortige Moritzkapelle gleichzeitig. Kirche und Bratwurstbude in Nürnberg wurden 1944 im 2. Weltkrieg zerstört und nicht wieder aufgebaut.

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In Bremen überstand der Imbiss zwar den Krieg, aber jetzt nicht mehr die Vorgaben des modernen Brandschutzes. „Das ist uns nicht leicht gefallen, aber am Ende hatten wir keine Alternative mehr“, erklärt Michaela Am Wege vom Bauherrn-Kollegium der Liebfrauenkirche. Die Gemeinde hat Kiefert zum Ende des Jahres den Mietvertrag gekündigt. Nach ihren Angaben diskutiert man bereits seit Anfang 2021 mit dem heutigen Firmenchef Joachim Kiefert über den Brandschutz.

Auslöser waren seinerzeit heiße Fettspritzer auf den Holzdielen des Kirchturms aus dem 13. Jahrhundert. Dazu muss man wissen, dass die gesamte Abluft der Imbissküche über das Innere des Kirchturms abgeleitet wird. Nur wenige Meter neben der Orgel verbreitet die Lüftungsanlage Bratwurstgeruch im Südturm. Offenbar waren Rohre undicht geworden. Bei der letzten großen Modernisierung vor über drei Jahrzehnten haben Gemeinde und Kiefert aus Gründen des Denkmalschutzes entschieden, die Entlüftung durch das Gebäudeinnere zu verlegen. Gegen ein auffälliges Rohr an den Außenwänden der beiden mehrere hundert Jahre alten Gebäude hatte der Denkmalschützer sein Veto eingelegt.

Dadurch wurden allerdings Umstände geschaffen, die der heutige Brandschutz kaum mehr toleriert. Durch die Verlegung der Rohrleitung waren diverse Wanddurchbrüche zwischen Küsterhaus und Kirche nötig geworden, wo eine geschlossene Brandschutzmauer angezeigt ist. Davon abgesehen gelten Abluftanlagen ohnehin als Gefahrenquelle: Bei vollem Betrieb saugt schon eine kleinere Dunstabzugshaube stündlich bis zu 600 Gramm Fett ab – mehr als ein Pfund Butter. Fangen die Fettfilter nur die Hälfte davon auf, sickert stündlich ein halbes Butterpäckchen in den Abluftkanal. Das wird zur tickenden Brandbombe, die bei einem Fettbrand in der Küche auf das ganze Gebäude überzugreifen droht. „Ich will auf keinen Fall ein Notre-Dame in Bremen erleben“, macht Am Wege deutlich. Ein kleiner, wenn auch schnell gelöschter Fettbrand im Imbiss voriges Silvester setzte die Verantwortlichen zusätzlich unter Druck.

Notwendig wären am Ende wohl erhebliche Investitionen in eine zeitgerechte Lösung, die Kiefert nach seinen Angaben nicht allein tätigen wollte. Die Kirche wiederum, bei ihren Gebäuden ohnehin auf Sparkurs, sah sich nicht in der Verantwortung, die Lüftungsanlage ihres Mieters zu finanzieren. So wurde man sich trotz zahlreicher Gespräche am Ende nicht einig.

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Kiefert lässt durchblicken, dass bei seiner Entscheidung, den Standort nicht um jeden Preis zu erhalten, wohl seine berufliche Perspektive mit 66 Jahren eine Rolle gespielt habe, zumal ein unmittelbarer Nachfolger nicht in Sicht gewesen sei. Kiefert selbst hat das Unternehmen von seinem Vater und Namensgeber Martin übernommen, der es wiederum direkt nach dem 2. Weltkrieg vom Gründer Otto Kiefert geerbt hatte.

In seinen besten Zeiten gab es acht Bratwurst-Verkaufsstände von Kiefert in Bremen und rund 150 Angestellte, inklusive eigener Wäscherei für die Schürzen der Mitarbeiter. Der von 1931 bis 1998 auf dem Bahnhofsvorplatz platzierte ovale Bratwurstpavillon, viele Jahre ein Markenzeichen der Firma, soll nach einer mehrjährigen Zwischennutzung in der Markthalle als Teil der Bremer Stadtgeschichte bald auf dem Freigelände des Bremer Focke-Museums zu sehen sein.

Kiefert verbleiben nach der Schließung an der Liebfrauenkirche sein Standort am Hauptbahnhof sowie der Pavillon an der Ecke Philosophenweg und Bahnhofstraße. „Beim Umsatz dürfte ich mich durch die Schließung allerdings fast halbieren“, schätzt der Firmenchef. Er wird deswegen wohl auch seinen Küchenbetrieb schließen, bislang Lieferant des hausgemachten Kartoffelsalats, belegter Brote und anderer Extras neben der Bratwurst. Die muss ihre Hauptrolle bei Kiefert künftig alleine spielen.

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