Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Kurt Zech im Interview "Bremen kann mehr, als viele meinen"

Kurt Zech hat eine kleine Firma geerbt und daraus die Zech Group mit rund 10.000 Mitarbeitern gemacht. Sein Herz schlägt für Bremen. Im Gespräch beschreibt er, warum das nicht immer leicht ist.
25.06.2023, 10:00 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Von Silke Hellwig

Herr Zech, in welchem Verhältnis stehen Sie zu Bremen?

Kurt Zech: Ich habe ein sehr enges Verhältnis zu dieser Stadt. Ich bin hier geboren und nie länger als drei Wochen weg gewesen. Bremen ist meine Heimat. Ich hänge an ihr, an Werder Bremen, an allem, was die Stadt zu bieten hat. Mein Freundeskreis lebt hier. Bremen hat sehr schöne Seiten, aber die Stadt macht es einem nicht immer leicht, an ihr zu hängen. 

Inwiefern?

Vor Kurzem konnte man lesen, dass die Bremer unzufriedener mit ihrer Stadt sind als andere Großstädter. Das ist schade, man könnte viel tun, um dieser Stadt noch liebens- und lebenswerter zu machen. Ich denke, die Impfkampagne hat gezeigt, was gemeinsam möglich ist. Mit 1000 Impfungen am Tag hat die Stadt angefangen. Mit der konzertierten Aktion, die wir angestoßen haben, ist Bremen in der Impfstatistik auf Platz eins gelandet. Das zeigt, dass es geht, dass Bremen mehr kann, als viele meinen. In Bremen fehlt es an Visionen. 

Was meinen Sie damit?

Eines der meistfotografierten Gebäude in Bremen ist das Universum, in Bremerhaven sind es das Klimahaus und das Atlantic Hotel Sail City. Da wurde etwas gewagt, um Attraktionen zu schaffen. Von diesem Geist ist nichts mehr übrig. Das ist alles eingeschlafen.

Sie verfolgen Projekte in der halben Welt und kehren immer wieder nach Bremen zurück - nicht nur als Privatmann, sondern auch geschäftlich. Sie bauen Ihre neue Konzernzentrale im Europahafen. War das immer selbstverständlich?

Der Vorstand der Zech Group besteht aus zwei Hamburgern, einem Stuttgarter und jemandem aus dem Westerwald. Wir diskutieren in dieser Runde immer mal wieder, ob Bremen für uns der richtige Standort ist. Die Erreichbarkeit ist nicht optimal. Wenn der Flughafen eines Tages tatsächlich nicht mehr für Passagierflüge zur Verfügung stehen sollte, wie es die Grünen vor der Wahl einmal angedeutet hatten, würden wir uns gezwungen sehen, Bremen zu verlassen. 

Vor mehr als 20 Jahren wurde gegen Sie wegen Korruption ermittelt. Die Ermittlungen wurden eingestellt, der Untersuchungsausschuss kam zu keinem Ergebnis. Damals sollen Sie mit dem Gedanken gespielt haben, Bremen zu verlassen.

Das hat mich schon sehr getroffen. Ich hätte nicht für möglich gehalten, dass so viele Unwahrheiten so gezielt verbreitet werden können.

Ist das womöglich das Resultat aus einer Mischung aus Vorurteilen und Misstrauen gegenüber Unternehmern, das in Bremen gelegentlich aufblitzt?

Bremen ist besonders. Wenn ich auf Messen bin, beispielsweise auf der Expo Real oder der Mipim, treffe ich dort Bürgermeister aus verschiedenen deutschen Großstädten. Einen Bremer Bürgermeister habe ich noch nie auf einer dieser Messen gesehen. Das wäre ihnen offenbar zu nah am Geld.

Sie wollten sich in der Bremer Innenstadt engagieren und um das Parkhaus Mitte neue Gebäude unter dem Titel “City Galerie” entwickeln. Daraus ist nichts geworden – nach mehrjährigen Verhandlungen. Welches Fazit ziehen Sie daraus?

Wir haben eingehalten, was mit der Stadt vertraglich vereinbart war. Aber die Pläne, die notwendig gewesen wären und eine Sanierung des Kaufhofs beinhalten hätten, sind nie konkreter geworden. Es gab diverse Schwierigkeiten, die man aber hätte lösen können, trotzdem wurde das Projekt plötzlich komplett beerdigt. Wir haben aus der Zeitung erfahren, dass man uns kündigt und das Parkhaus wieder an die Stadt zurückgeht. Ich hatte den Eindruck, dass das Thema unbedingt aus der Wahl rausgehalten werden sollte. 

Haben Sie die Lust verloren, sich für die Innenstadt zu engagieren?

Wir konzentrieren uns jetzt auf das Karstadt-Projekt. Wir haben eine Lösung gefunden, die Karstadt in Bremen halten kann. Sie kostet uns viel Geld, aber das haben wir Bremen zuliebe getan. Wirtschaftlich interessanter für uns wäre eine Umnutzung gewesen.

Die Lösung beruht zumindest auch auf Lokalpatriotismus?

Wir wurden natürlich von allen Seiten bearbeitet. Und ich glaube, dass die Einschätzung stimmt: Wenn Karstadt zugemacht hätte, hätte das der Handel in der Innenstadt vermutlich nicht lange überlebt.

Wird eine Verkleinerung reichen? Es gibt auch andere Mängel, die man als Kunde täglich besichtigen kann.

Keine Frage. Wir haben Karstadt im Mietvertrag verpflichtet, das Haus auf einen gewissen Standard zu bringen und sich an einem Referenzobjekt – einem anderen Karstadt-Haus – zu orientieren. Nur dann hat das Haus eine Überlebenschance.

Man konnte lesen, dass Ihre Jacht und die von René Benko, Eigentümer von Galeria Kaufhof Karstadt, in Cannes nebeneinandergelegen haben. Dort sollen Sie über das Gebäude in Bremen verhandelt haben. Ist Ihnen unangenehm, wenn solche Details, die Klischees über Reichen entsprechen, an die Öffentlichkeit gelangen?

Ich habe kein Problem damit. Ich habe ein Schiff. Das habe ich mir selbst erarbeitet. Ich definiere mich aber nicht über mein Schiff oder über Geld, sondern über das, was ich tue, in und außerhalb Bremens. Die Vier-Augen-Gespräche in Cannes waren gut für ihn, gut für uns und gut für Bremen.

Ihnen wird auch vorgehalten, dass Sie darauf achten, dass sich Ihre Projekte bei allem Engagement für Bremen für Sie lohnen – durch Vermietungen an die öffentliche Hand beispielsweise.

Das erleben wir tatsächlich in keiner anderen Stadt so wie in Bremen. Die öffentliche Verwaltung wächst, sie ist ein großer Kunde auf dem Büromarkt. Uns wird nichts zugeschustert, sondern wir besitzen in Bremen viele Immobilien, deshalb stehen immer mal wieder Flächen von uns zur Debatte.

In einem Porträt im "Stern" wurden Sie zitiert mit dem Satz "Krisenfälle wecken meinen Ehrgeiz". Gemeint waren insolvente Unternehmen, die Sie kaufen und sozusagen wieder aufpäppeln. Ist Bremen auch ein Krisenfall, der Ihren Ehrgeiz weckt?

Bremen würde ich nicht als Krisenfall bezeichnen, aber man könnte vieles besser machen. Das gilt nicht nur für die Politik. Ich hoffe darauf, dass wir in dieser Stadt alle zusammenrücken und versuchen, die Innenstadt wieder auf Vordermann zu bringen, die Politik, die Wirtschaft, die Bürger, die Anlieger, die Medien. Die Innenstadt konkurriert mit dem Weserpark. Da ist alles picobello sauber, dort gibt es regelmäßige Aktionen, das ist eine ganz andere Atmosphäre. Und man kann mit dem Auto bis vor die Tür fahren und kostenlos parken. Im Vergleich schneidet die Innenstadt momentan miserabel ab.

Was vermissen Sie? Ein neues Leuchtturm-Projekt?

Großen Wagemut kann man in der bremischen Architektur in den vergangenen Jahren nicht entdecken. Offenbar fehlt der Mut dazu.

Im Eingang Ihres Firmensitzes in der Vahr steht das Modell eines Ihrer Projekte außerhalb Bremens: der Kö-Bogen in Düsseldorf, entworfen von Daniel Libeskind. Ist das Ihr Lieblingsprojekt?

Das Projekt ist inmitten der Finanzkrise entstanden, 2008/2009. Das war für uns gewissermaßen der Aufstieg in die Bundesliga. Inzwischen sind wir in der Champions League angekommen. Das Modell steht aus alter Tradition im Foyer, im Neubau wird es eingelagert.

Welches ist Ihr Lieblingsgebäude oder -projekt?

Das Universum gehört dazu, auch an unserem neuen Sitz am Europahafen-Kopf hängt viel Herzblut. Der Kö-Bogen gehört dazu. Das Ja der Stadt Düsseldorf zu diesem Gebäude war mutig, es hat die Stadt aber auch gewaltig nach vorne gebracht. Das sagen nicht wir, sondern vor allem die Düsseldorfer.

Vermissen Sie das in Bremen?

Ja, es fehlt an Willen zum Aufbruch. Beispiel Domshof: Seit mehr als 20 Jahren wird darüber geredet, dass dort etwas passieren muss. Geschehen ist so gut wie nichts. Dabei gibt es so viele Lösungen in anderen Städten, bei denen man sich etwas abschauen könnte. Aber die entsprechende Projektgruppe hat sich kürzlich erneut vertagt, nichts beschlossen und sich darauf verständigt, den Platz 2028 anzugehen. Das ist für mich symptomatisch für die Lage in Bremen.

Woran liegt es, dass in Bremen solche Schritte so schwerfallen?

Mir scheint, Bremen gibt sich inzwischen mit dem Mittelmaß zufrieden. Ich spüre keine Ambitionen, das Blatt zu wenden, ob bei den Problemen in der Innenstadt oder im Bildungsbereich. Es wird nicht einmal formuliert, dass wir in den nächsten Jahren bei schulischen Leistungsvergleichen im oberen Drittel landen wollen. Das ist ein Riesenproblem.

Als Sie das Unternehmen Ihres Vaters übernommen haben, hatte es zwei Mitarbeiter, heute sind es rund 10.000. Was treibt Sie an?

Ich habe das nicht bewusst angestrebt. Viele andere Unternehmen sind deutlich größer und schneller gewachsen. Aber wenn man sozusagen im Flow ist, entwickeln sich die Geschäfte weiter. Diesen Apparat zu stoppen, ist relativ schwer. 

Besteht nicht die Gefahr, dass man die Übersicht verliert, wenn man immer weiter und in die Breite wächst?

Wir fangen gerade an, uns neu zu ordnen. Wir haben lange Firmen an uns gebunden, von deren gutem Kern wir überzeugt waren, aus vielen Branchen. Inzwischen sind wir dabei, uns von Firmen zu trennen, die strategisch nicht in unser Kerngeschäft passen und uns auf weniger Aufgaben zu fokussieren. Ich war in jeden Deal involviert, deshalb fällt es mir leicht, die Übersicht zu behalten. Die nächste Generation im Vorstand und in der Geschäftsführung würde das deutlich schwerer fallen, deshalb stellen wir uns etwas anders auf.

Sie sind, heißt es, bundesweit der größte Immobilienprojektentwickler. Wie beurteilen Sie die Lage vor dem Hintergrund gestiegener Baukosten und Zinsen?

Die Zinsentwicklung ist ein Problem. Wir merken das, wir verkaufen weniger, aber wir haben eine gesunde Basis für unser Unternehmen. Wir waren während der Konjunkturhöhen nie die Erfolgreichsten, weil wir nie hoch gepokert haben. Das schont uns auch vor großen Ausschlägen nach unten. Wir haben immer vorsichtig und hanseatische agiert.

Die Zech Group ist auch mehr als Immobilienprojekte …

Wir sind gewissermaßen eine Spinne mit vielen Beinen. Das größte Haustechnik-Unternehmen Deutschlands gehört zu uns. Wir sind bundesweit einer der größten Biogasanlagen-Betreiber. Wir bewirtschaften 22.000 Hektar Land. Eines unserer Unternehmen fertig den Unterbau von höhenverstellbaren Schreibtischen an. Wir haben eine Firma, die einer der größten Hersteller für Unterkonstruktionen von Fotovoltaik-Anlagen ist.

Nicht überall, wo Zech drinsteckt, steht Zech drauf. Warum?

Das hat mehrere Gründe: den meisten übernommenen Unternehmen haben wir ihre Firmennamen gelassen, da diese im Markt bekannt waren. Unsere Beteiligungen in der Immobilienentwicklung haben die unternehmerische Freiheit sich so zu positionieren, wie es für ihr Geschäft zielführend ist.

Sie sind in Firmen eingestiegen, wenn sie Insolvenz anmelden mussten und Sie sich sicher waren, dass aus ihnen etwas zu machen ist. Wann schlagen Sie zu?

Die erste Firma habe ich 1983 aus einer Insolvenz übernommen. Mittlerweile sind es rund 80 Unternehmen. Meistens ist das gut gegangen, manchmal nicht so gut. Wir haben einen profunden Erfahrungsschatz und einen guten Ruf. Als familiengeführtes Unternehmen können wir sehr schnell entscheiden, und wir sind liquide. Zu 99 Prozent bündeln wir die administrativen Aufgaben der Firmen in Bremen, wir können sie also auch schnell integrieren.

Wenn man Ihnen völlig freie Hand ließe und ein unbegrenztes Budget zur Verfügung stellte, welches Projekt würden Sie gerne angehen?

Es wäre auf jeden Fall ein Projekt, das einen Mehrwert für alle Beteiligten darstellte. 

Wäre es in Bremen?

Vielleicht.

  • Das Gespräch führte Silke Hellwig.

Lesen Sie auch

Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)