Das paillettenbesetzte Kleid aus aquamarinblauem Satin und Tüll, das glitzernde Krönchen auf der weizenblonden Zopffrisur: eine Erscheinung wie aus einem modernen Märchen. Seit gut einem Jahr besucht Anna Ibelherr als Schneekönigin auf Einladung Geburtstagsfeiern, Stadtfeste, Jahrmärkte und Freizeiteinrichtungen, um etwas von ihrer Magie zu verbreiten. „Annas Märchenzeit“ ist ein One-Woman-Start-up für die Jüngsten aus Bremen und der Region, und Ibelherr hat damit noch viel vor. Ihre großen und kleinen Gastgeber sind für ihren Einsatz überaus dankbar, erzählt die angehende Grundschullehrerin – und für sie selbst ist es die schönste Nebensache der Welt.
Es mache ihr einfach so viel Spaß, mit Kindern zu arbeiten, sagt die 28-Jährige, die in vollem Ornat zum Gespräch erscheint – als sei es das Normalste auf der Welt. Ibelherr erzählt, dass sie in Verden aufgewachsen sei und nach dem Abitur zunächst ein Studium der Gesundheitswissenschaften absolvierte, das sie mit dem Bachelor in Public Health abschloss. „Schon während des Studiums interessierten mich besonders diejenigen Veranstaltungen, die sich mit Kindern befassten“, erklärt Ibelherr.
Statt sich anschließend beruflich in der Gesundheitsbranche zu etablieren, schloss sie direkt ein Studium für das Grundschullehramt an, im Oktober beginnt das Masterstudium. Die Kinder aus der Hemelinger Grundschule, an der sie zurzeit ganztägig als Vertretungskraft tätig ist, wissen nicht, mit wem sie es zu tun haben. „In Wirklichkeit sehe ich gar nicht aus wie Elsa, sondern eher wie Anna", verrät die Schneekönigin.
Kinder und Eltern wissen natürlich sofort, wer damit gemeint ist: Es geht um die beiden zauberhaften Schwestern aus dem Märchen „Frozen“, ein Hit nicht nur auf der Kinoleinwand, sondern auch auf internationalen Musicalbühnen. Und eine starke Marke für Spielwaren oder auch Kleidung. Dass ihre Schneekönigin von diesem Vorbild inspiriert ist, ist unverkennbar – doch sie sei keine Kopie, betont Ibelherr. Sich mit dem US-amerikanischen Medienkonzern anzulegen, wäre chancenlos und teuer. Dass sich die Macher des Kinofilms selbst ausgiebig in der europäischen Märchen- und Kunstgeschichte bedient hatten? Das nur am Rande.
Die Zielgruppe selbst – überwiegend Mädchen im Alter von drei bis sechs Jahren – kümmert all das nicht, auch wenn die Unterschiede auffallen. „Du trägst ja ganz andere Schuhe", sagten sie dann, erzählt Ibelherr lachend. Die Charaktere im Ibelherrschen Ensemble – neben der Schneekönigin sind das bislang die Rosenprinzessin, das Rapunzel und die Einhornprinzessin – kommen nicht nur, um sich bewundern zu lassen.
Für Kindergeburtstage oder andere Kinderfeste bietet „Annas Märchenzeit“ Programmpakete von optional ein- bis zweistündiger Dauer an, inklusive Kennlernrunde, gemeinsamen Spielen, Singen, Tanzen und Krönung des Geburtstagskinds. Ibelherr ist zu sehr junge Pädagogin, um sich nicht über Rollenbilder und Gender-Fragen Gedanken zu machen. Die Figuren, die ihre Charaktere inspiriert haben, sind als starke, furchtlose, unabhängige Typen nicht die schlechtesten Vorbilder. „Wenn die Kinder sagen, 'Du bist total schön', sage ich: 'Jeder Mensch ist schön.'"
Die Heldinnen und Helden der aktuellen Kindheit kennt sie so gut, weil sie ein großer Fan von Animationsfilmen sei, erzählt Ibelherr. Die Idee, die beliebtesten Charaktere zu verkörpern, schaute sie sich während ihres Au-pair-Jahres in den USA ab. „Kindergeburtstage sind dort richtig große Events.“ Im Sommer 2021 begann sie, in der Familie und im Freundeskreis aufzutreten. „Das sprach sich erstaunlich schnell herum. Ich war überrascht über die große Nachfrage."
In der Phase der Recherche und Aufbauarbeit – Konzepte und Programme wollten entwickelt, ein Fundus an Kostümen und Accessoires besorgt, die Abläufe einstudiert, die Fertigkeiten etwa im Kinderschminken trainiert werden – habe sie dann herausgefunden, dass sie gar nicht die Erste mit diesem Geschäftsmodell war. „In anderen Städten und Regionen, vor allem in Süddeutschland und Nordrhein-Westfalen, gibt es so etwas schon länger", erklärt Ibelherr.
Ihre Auftraggeberinnen und Auftraggeber finden sie bislang über Empfehlungen, über die Instagramseite von "Annas Märchenzeit" sowie über einen provisorischen kleinen Flyer, der an Orten ausliegt, an denen sich Kinder gerne aufhalten. Zukünftig soll das Marketing professionalisiert werden, im Oktober soll die Website im Netz sein. Mittelfristig soll sich das Repertoire an Charakteren erweitern – vor allem auch im Sinne der Jungs, die bislang noch etwas zu kurz kommen.
In zehn Jahren sehe sie sich nicht mehr als Schneekönigin bei Kindergeburtstagen und anderen Events hereinschneien, erzählt Ibelherr, sondern wolle die Märchenzeit hinter den Kulissen managen. „Ich selbst bin dann ja hauptberuflich Lehrerin.“ Aktuell gibt es genug Geburtstagseinladungen für die Schneekönigin, Rosenprinzessin, Rapunzel und die Einhornprinzessin, sodass Ibelherr sich von einem kleinen Team von Akteurinnen unterstützen lässt – darunter die eigenen beiden Schwestern sowie zwei Studentinnen.
Dabei sei keine Veranstaltung genau wie die andere, jede sei so unterschiedlich wie die Kinder selbst, erzählt Ibelherr. „Aber wenn sie uns ihre Begeisterung und Wertschätzung zeigen: Das ist ein Glücksgefühl, das man mit nichts vergleichen kann.“