Die Tür dürfte eine halbe Tonne wiegen, wahrscheinlich mehr. Nicht leicht, sie zu bewegen – gut so, denn fällt die Tür zu, macht es klack, und dann ist Feierabend. Ein Raum, acht Quadratmeter groß und mit dekorativen Fliesen ausgelegt, der auf ewig verschlossen wäre, denn ihn zu öffnen, würde einen unverhältnismäßigen Aufwand benötigen. Die Tür gehört zu einem Tresor, es gibt drei davon in dem Bankgebäude. "Sie geben dem Haus Halt und Gewicht", sagt Jens Christian Weiland. Die Geldkammern herauszubrechen, kommt nicht infrage. "Das hätte statisch Probleme bereitet", erklärt der Ingenieur. Eine Unwucht mit ungewissen Folgen. Also bleiben die Tresore drin, auch wenn sie für ihren ursprünglichen Zweck nicht mehr gebraucht werden.
- Lesen Sie auch: Wie die Baustelle an der Bremer Böttcherstraße für Ärger sorgt
Bankhaus Neelmeyer am Bremer Marktplatz. Eine feine Adresse. Seit August 2023 ist sie eine Baustelle. Die Gustav-Zech-Stiftung hat die Immobilie gekauft, lässt sie komplett entkernen und macht hinter den alten Fassaden etwas Neues daraus. Neelmeyer, eine altehrwürdige Privatbank, die seit fünf Jahren zur Oldenburgischen Landesbank gehört, wird nach der Sanierung zurück in ihren Stammsitz ziehen und dort die ersten beiden Geschosse nutzen. Für weiter oben auf den insgesamt 3300 Quadratmetern stehen die Mieter noch nicht fest. "Wir sind in Gesprächen", sagt Weiland. Schwierigkeiten, jemanden zu finden, wird er keine haben. Büros mit direktem Blick auf das Weltkulturerbe Rathaus und Roland, piekfein am Bremer Marktplatz residieren – das ist an Attraktivität kaum zu schlagen.

Der Ausblick aus dem alten Neelmeyer-Sitz. Direkt gegenüber liegt das Bremer Rathaus.
Doch noch ist es nicht so weit. Die Arbeiten werden sich bis ins kommende Jahr hineinziehen. Das Gebäude, ein Konglomerat aus drei Häusern, die sich im Laufe der Zeit zusammengefügt haben, liegt im Inneren wie eine offene Wunde da. Alles raus und nichts drin. Vor dem Umbau gab es einen Innenhof, jetzt nicht mehr. Er wurde von allen Seiten geöffnet und dient künftig als Schacht für zwei geräumige Fahrstühle. Für den Übergang, bevor das Dach draufkommt, sollte ein Gerüst mit Planen vor Regen schützen. Die Stahlkonstruktion war bereits fertig, gut sichtbar vom Marktplatz aus, aber dann – die Miene von Martina Alers verdunkelt sich für einen Moment: „Das Gerüst war nicht das Problem“, sagt die Oberbauleiterin, „mit den Planen drumherum wäre die Windlast aber zu groß geworden.“ Also wurde das provisorische Dach wieder abgebaut.
Lange gebraucht, um das Gebäude zu "verstehen"
Alers und Weiland führen durch die Baustelle, und anders ginge es für die Besucher auch gar nicht. Nur wer sich dort auskennt, behält den Überblick, welches der drei früher getrennten Häuser gerade betreten oder verlassen wird, wohin die vielen Gänge führen und was für Räume in Augenschein genommen werden. „Wir haben lange gebraucht, um die Gebäude zu verstehen“, erzählt Alers. Sie hat ihr Büro auf der Baustelle. Die Wände sind mit Grundrissen tapeziert – Grundlage für die Planung, aber auch hilfreich für die Orientierung. Morgens jedes Mal einen Blick darauf und man sieht klarer, wie sich die Bauten zueinander verhalten.

Martina Alers (Oberbauleiterin) und Jens Weiland (Projektleiter) beim Rundgang durch das Gebäude.
Es geht treppauf und treppab, manchmal auf nur wenigen Stufen. Das erinnert an die Glocke, das Bremer Konzerthaus mit seinen Nebengebäuden. Auch dort ist es so, dass sich die Etagen der Häuser nicht auf gleicher Höhe treffen. Weiland, der das 20-Millionen-Projekt als Manager der Zech-Stiftung leitet, muss Barrierefreiheit herstellen, darf aus Denkmalschutzgründen aber nicht zu tief in das Gefüge eingreifen. „Wir lösen das mit den Fahrstühlen“, erklärt der Ingenieur. Die Etagen werden also nicht neu gepuzzelt, wie das zum Beispiel gerade im Kontorhaus am Markt passiert, einer Baustelle ganz in der Nähe.
Tief unten, im zweiten Untergeschoss, war ein Öltank eingeschweißt. „Da gingen 30.000 Liter rein“, weiß die Bauleiterin. Eine Heidenarbeit, den Tank zunächst zu säubern, um ihn dann rauszuschneiden. Nützte aber nichts, musste sein: „Wir brauchen den Platz für die Aufzugsanlage.“ Die Arbeiter haben an der Stelle eine Grube ausgehoben, und so kann man das wunderbar sehen: Hier wurde auf Sand gebaut, auf Wesersand. „Flache Gründung“, sagt Weiland, und er muss es wissen, „einfach draufgesetzt“.

Der Blick nach oben geht gen Himmel: Die Baustelle ist wie eine offene Wunde im Gebäude.
Von tief unten nach ganz oben. Das freigelegte Gebälk zeigt in einem der Häuser Brandspuren, außerdem ist es mit Schimmel durchsetzt. „Das Dach muss komplett neu gemacht werden“, sind sich Alers und Weiland einig. Die beiden führen hinaus auf eine Fläche, die später als Terrasse genutzt werden soll. Ein ungewohnter Blick auf die Stadt, speziell auf die Böttcherstraße. Viel zu entdecken, wie überhaupt an diesem Ort, in den drei Häusern. Eine Freude, sagt Weiland, „die Baustelle macht Spaß“.