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Schwerlast-Terminal in Bremerhaven OTB-Streit findet kein Ende

Der Bremer Senat geht gegen ein Gerichtsurteil vor, wonach der geplante Schwerlast-Terminal für die Windkraftindustrie vorerst nicht gebaut werden darf. Er will den Bau des Hafens notfalls erzwingen.
12.04.2019, 14:46 Uhr
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OTB-Streit findet kein Ende
Von Jürgen Hinrichs

Der Bremer Senat zieht es durch, auch wenn die Grünen bei dem Projekt schon nicht mehr an Bord sind: Rechtzeitig vor Ablauf der Frist am kommenden Montag wird die Regierung Berufung gegen die Entscheidung des Bremer Verwaltungsgerichts einlegen, dass der geplante Offshore-Terminal in Bremerhaven (OTB) vorerst nicht gebaut werden darf. So hat es die Wirtschaftsbehörde auf Anfrage dem WESER-KURIER mitgeteilt.

Damit steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sich der Rechtsstreit über das größte Bremer Infrastrukturprojekt der vergangenen Jahre noch lange Zeit hinzieht. Die Behörde betont allerdings, dass sie mit ihrer Berufung zunächst nur die Frist wahren wolle, um sich alle Optionen offen zu halten. Weiterhin möglich sei, dass sich das Land außergerichtlich mit den Gegnern des Offshore-Terminals einige. Klage eingereicht hatte die Umweltschutzorganisation BUND.

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Anfang Februar hatte das Verwaltungsgericht sein Urteil gegen den Bau des Schwerlasthafens am Blexer Bogen in Bremerhaven verkündet. Demnach ist der Planfeststellungsbeschluss für den OTB rechtswidrig. Das zwingende öffentliche Interesse an dem Hafen sei nicht hinreichend untermauert worden, begründeten die Richter. Dies sei aber notwendig, um den Eingriff in die Natur zu rechtfertigen. Aufgehoben wurde der Beschluss nicht, sodass Bremen in der Planung nacharbeiten könnte. In zwei vorausgehenden Eilverfahren hatten die Gerichte für das anfangs mit 180 Millionen Euro kalkulierte Projekt bereits einen Baustopp verhängt.

Die Grünen, Koalitionspartner der SPD, sind inzwischen vom OTB abgerückt. Es dürfe keine voreilige Festlegung für das weitere Vorgehen geben, hatte Grünen-Fraktionschefin Maike Schaefer betont. Immer weiter zu prozessieren, koste Zeit und Geld. „Das Gericht hat den Bau des OTB eindeutig untersagt“, so Schaefer in einer Debatte der Bremischen Bürgerschaft. „Mir fehlt die rosarote Brille, das anders zu sehen.“ Schaefer sprach davon, dass es ein Fehler wäre, „krampfhaft“ auf den Offshore-Terminal zu beharren. „Es gibt keinen Bedarf und keine Wirtschaftlichkeit.“ Das Geld solle in Bremerhaven besser in sinnvollere Projekte investiert werden. Für die verbliebene Offshore-Industrie könne auf Schwerlastkajen am Containerterminal und im Fischereihafen zurückgegriffen werden.

Adressiert waren diese Aussagen an die SPD, speziell an ihren Wirtschaftssenator Martin Günthner aus Bremerhaven. Er hatte unmittelbar nach dem Urteil seine Einschätzung bekräftigt, dass der Schwerlasthafen für die Montage und Verschiffung von Windanlagen auf hoher See sorgfältig geplant worden sei. Das Gericht habe den Planfeststellungsbeschluss nicht aufgehoben, sondern lediglich Korrekturen verlangt. Daran arbeiteten die Behörden bereits, und zwar auf der bisherigen inhaltlichen Grundlage. Günthner: „Der Senat hält weiterhin an dem Projekt fest.“

Die CDU fordert, den Hafen zu bauen, ihn aber nicht mehr auf Offshore zu beschränken. Verwirrung hatte es kurzzeitig gegeben, als CDU-Bürgermeisterkandidat Carsten Meyer-Heder bei einer Wahlkampfveranstaltung erklärte, dass er voll hinter dem OTB stehe, so wie die Sozialdemokraten das tun. Später korrigierte Meyer-Heder seine Aussage. „Ich bin deshalb für den OTB, weil wir das laufende Verfahren nutzen wollen, um das Projekt noch zu retten – allerdings mit einem ganz anderen Ansatz, als ihn die SPD verfolgt.“

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Eine Kaje für Schwerlast jeder Art könne das vom Gericht angemahnte öffentliche Interesse begründen, argumentiert der Spitzenkandidat. Schließlich werde auf der direkt angrenzenden Luneplate in den kommenden Jahren ein 250 Hektar großes Gewerbegebiet entwickelt. „Und dort werden sich natürlich Unternehmen ansiedeln, die für viele Arbeitsplätze in Bremerhaven sorgen, die aber auch einen seeseitigen Zugang für den Umschlag ihrer Schwerlastgüter benötigen.“

Vor der Bürgerschaftswahl am 26. Mai wird sich im Streitfall OTB, der mittlerweile seit acht Jahren schwelt, wahrscheinlich nichts mehr tun, weil es völlig ungewiss ist, wer danach die Regierung stellt. Sollten die Grünen beteiligt sein, kann es mit ihnen nach Stand von heute keinen OTB und schon gar keinen allgemeinen Schwerlasthafen geben. Das gleiche gilt für die Linken, auch sie wollen das Projekt beerdigen. Allenfalls mit einer großen Koalition von SPD und CDU hätte der Hafen noch eine Chance.

Konkrete Verhandlungen zwischen dem aktuellen Senat und den OTB-Gegnern vom BUND über einen Kompromiss, der auf ein kleineren Hafen hinauslaufen könnte, hat es nach Angaben beider Seiten bislang noch nicht gegeben. BUND-Geschäftsführer Martin Rode hatte sich nach dem Urteil des Verwaltungsgerichts skeptisch gezeigt, ob ein Mittelweg gefunden werden kann: „Da braucht es eine Menge Fantasie. Die Positionen liegen weit auseinander.“ Der Senat solle von dem naturschädigenden Vorhaben endlich Abstand nehmen, so Rode.

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In Bremerhaven hat es unterdessen einen weiteren Rückschlag für die Windkraftindustrie gegeben. Der Hersteller Senvion ist in die Pleite gerutscht und beantragte in dieser Woche beim Amtsgericht Hamburg eine Insolvenz in Eigenverantwortung. Sollte dem Unternehmen die Sanierung nicht gelingen, wäre in Bremerhaven kein einziger Hersteller von Windkraftanlagen mehr übrig. Zuletzt hatte Adwen aufgegeben. Davor waren es Powerblades und Weserwind.

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