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Rektorin Jutta Günther Bremer Universität will die Exzellenz: "Aufgeben ist keine Option"

Bremen will wieder Exzellenzuni werden. Rektorin Jutta Günther spricht über die Bedeutung des Wettbewerbs für die Universität und die Stadt.
23.03.2025, 08:56 Uhr
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Bremer Universität will die Exzellenz:
Von Silke Hellwig

Frau Günther, die Uni soll wieder exzellent werden, heißt es. Was halten Sie von dieser Feststellung?

Jutta Günther: In vielen Forschungsbereichen ist die Uni hervorragend aufgestellt und exzellent. Wäre das nicht so, hätten wir uns nicht für die laufende Runde des Exzellenzwettbewerbs qualifiziert.

Als Wissenschaftler der Uni kann man vermutlich hören, dass die Uni ihren Status als Exzellenzuni verloren hat und wiedergewinnen will. Es klingt ein wenig nach Abstieg in die zweite Liga.

Das sehe ich anders. Wir sind auch jetzt ein Ort der Spitzenforschung. Die Meereswissenschaften sind seit 2007, also seit Beginn der Exzellenzförderung, durchgängig als Cluster dabei. Und wir haben uns für einen zweiten Vollantrag qualifiziert. Nun hätten wir gerne das Label zurück.

Was ist wichtiger an der Veredelung zur Exzellenz-Universität? Das Geld oder der Status?

Beides ist sehr wichtig. Wir bekämen sieben Jahre lang zusätzliche Mittel in Millionenhöhe. Das Geld wäre für uns fantastisch, um Projekte umzusetzen, die der gesamten Uni zugutekommen. Es geht aber auch darum, internationale Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nach Bremen zu ziehen. Auch für Studierende könnten wir mit dem Geld mehr tun. Im laufenden Geschäft haben wir dazu keine Möglichkeiten, das gibt unser Budget nicht her. Mit dieser Auszeichnung spielt man in der Topliga der deutschen Universitäten. Das spielt schon eine Rolle, nicht nur bei der Wahl der Uni bei internationalen Studierenden, Doktorandinnen und Doktoranden sowie Professorinnen und Professoren. So ein Titel hat auch eine Strahlkraft für ganz Bremen. Deshalb haben auch nicht nur wir an der Uni großes Interesse, wieder als Exzellenzuni ausgezeichnet zu werden.

Das Geld fließt also nicht etwa nur in die Exzellenzcluster?

Es gibt zwei verschiedene Förderlinien. Es gibt zum einen Geld für die Cluster, also für die Fachwissenschaftler, um Forschungspersonal einstellen und Geräte und Materialien beschaffen zu können. Und es gibt zum anderen die Förderlinie „Exzellenzuniversität“, da bekommt man Geld, mit dem die Universität insgesamt Maßnahmen zur Förderung der Spitzenforschung ergreifen kann.

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Ein Exzellenzcluster ist die Forschung des Marum. Es erhält dafür auch schon seit Jahren Fördergelder. Aber die Uni braucht zwei eigene oder mit einer anderen Uni mindestens drei Cluster. Bremen hat sich mit Oldenburg zusammengetan.

Wir wollen zusammen mit Oldenburg einen Verbundantrag stellen. Das heißt, wir würden gemeinsam Exzellenzuni. Das Fördergeld wird geteilt. Es ist allerdings auch etwas mehr, wenn man sich zu zweit oder zu dritt bewirbt.

Wäre es nicht besser, wenn sich Bremen allein bewerben könnte? Auf einen Partner muss man schließlich auch Rücksicht nehmen.

Wir haben uns schnell mit Oldenburg verständigt, dass es besser ist, sich gemeinsam zu bewerben. Das erhöht unsere Chancen, schon allein, weil wir uns nicht gegenseitig Konkurrenz machen. Noch wichtiger aber ist, dass wir uns gegenseitig hervorragend ergänzen und den reformorientierten Spirit teilen. Drei von unseren vier Clustern müssen durchkommen. Wir sitzen gerade daran, den Verbundantrag zu formulieren. Wir haben zwei Anträge im Rennen, einen Folgeantrag für die Meeresboden-Forschung des Marum und einen neuen Vollantrag für die Materialwissenschaften, die extreme Ressourcenknappheit, wie sie etwa auf dem Mars zu finden ist, überwinden will. Die Oldenburger sind sehr erfolgreich in der Hörforschung und haben ein vielversprechendes Wissenschaftsprojekt, das sich um Flugrouten von Vögeln dreht und um die Frage, wie man das Phänomen ihrer Orientierung auf technische Systeme übertragen kann. Die Länder Bremen und Niedersachsen unterstützen das gemeinsame Vorgehen, das ist auch nicht selbstverständlich.

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Die Länder müssen die Förderung mitfinanzieren. Kann sich Bremen das überhaupt leisten?

Das muss sich Bremen leisten. Das ist uns in die Hand versprochen worden.

Bundesweit gibt es momentan elf Exzellenzunis, es dürfen 15 werden. Bremen muss sich mit Unis wie der Ludwig-Maximilians-Universität München messen, deutlich größer und finanziell viel besser ausgestattet.

Das ist so. Wir sind nicht wie München, wir können nicht aus dem Vollen schöpfen. Aber worauf wir setzen in unserem Zukunftskonzept: Wir sind junge und mittelgroße Unis, gegründet als Reformuniversitäten, die das Reformerische sozusagen noch im Blut haben. Das ist eine Kraft, aus der wir schöpfen können, das führt zu unkonventionellen Wegen, die uns von den anderen unterscheiden.

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Konkurrieren nicht nur große mit kleinen Unis, sondern auch reichere mit ärmeren Ländern?

Das spielt sicher auch eine Rolle. Geld ist nicht alles, aber mit Geld kann man Top-Leute einkaufen und ihnen eine tolle Infrastruktur bieten. Das ist ein bisschen wie im Profifußball. Wir sind nicht schlecht ausgestattet, aber andere sind deutlich besser dran. Wir haben allerdings eine Kompetenz an der Uni Bremen: Wir machen das Äußerste aus dem, was wir haben. Ich bin sehr stolz auf meine Teams, die das so hinbekommen. Die Grenzen sind nun aber auch erreicht.

Muss sich das Land die Uni nicht mehr kosten lassen, wenn es will, dass sie wieder den Titel Exzellenzuniversität erhält?

Unsere Grundausstattung ist im bundesweiten Vergleich unterdurchschnittlich, das muss man sagen. In der Forschung sind wir trotzdem überdurchschnittlich stark, was sicher auch auf unsere hoch motivierten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zurückzuführen ist. Hinzu kommt, dass wir Teams über die Fachbereichsgrenzen hinweg und mit den außeruniversitären Instituten zusammenstellen. Wenn wir Exzellenzuniversität werden, muss aber zusätzlich investiert werden.

Über den Länder-Anteil an der Förderung hinaus? Weiß das auch der Senat?

Ja, das wissen alle. Ich weise in jedem Gespräch aber auch wieder darauf hin. Einfach wird das nicht, aber wir kämpfen.

Was muss getan werden, um ein exzellentes Cluster zu bilden? Sucht man sich ein ungewöhnliches Thema, um auf sich aufmerksam zu machen?

Man kann bei Exzellenzclustern, die man einreichen will, nicht mal eben bei null anfangen. Man muss auf dem Gebiet, mit dem man sich bewirbt, schon top sein und einen neuen wissenschaftlichen Durchbruch aufzeigen. Man muss nachweisen, dass man auf einem Forschungsgebiet schon langjährige Erfahrungen hat, dass einzelne Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit Preisen bedacht worden sind, dass es herausragende Publikationen gibt. Das ist die Eintrittskarte in den Wettbewerb. Darauf haben wir über drei Jahre hingearbeitet, mit 25-köpfigen Teams je Cluster aus der Uni und den Instituten. Das sind durchweg Menschen, die zuallererst für ihre Wissenschaft brennen und nicht etwa nur auf Preise und Auszeichnungen schielen.

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2017, als Bremen seinen Status als Exzellenzuni nicht verteidigen konnte, wurde von einem bitteren Tag für Bremen geredet. Ihr Vorgänger Bernd Scholz-Reiter war fassungslos, weil damit niemand gerechnet hatte. Wissen Sie heute, woran es gelegen hat?

Es ist schwer zu sagen, woran eine Bewerbung scheitert. Es gehört Leistung und sicher auch Glück dazu. Hatten wir uns zu viel vorgenommen damals mit vier neuen Themen als mittelgroße Uni? Hätten wir die Kräfte bündeln müssen? Ich weiß es nicht, es war auch eine andere Zeit. Auf jeden Fall gab es auch damals starke Forschungsleistungen, aber auch starke Konkurrenz. Der Wettbewerb ist hart.

Das ist dieses Mal auch wieder so.

Das stimmt – wir hatten drei Skizzen für neue Vollanträge eingereicht. Davon sind zwei nicht durchgekommen. Sie waren ausgezeichnet, aber in solchen Wettbewerben müssen auch sehr gute Skizzen ausscheiden. Da waren wir auch geknickt. Aber wir schauen nach vorne: Es gibt noch andere Förderprogramme, bei denen wir uns mit diesen Themen bewerben werden.

Welche Folgen hat es, wenn man solch einen Titel verliert oder wenn sich die Bewerbung nicht durchsetzt? Wandern Forscher ab?

Nicht Knall auf Fall, aber damit muss man in Einzelfällen rechnen. Man wird aber nicht über Nacht zu einer schlechten Universität. Man muss das erst mal verdauen, sich schütteln, die Kritik der Gutachten ernst nehmen und dann unbedingt weitermachen, um es das nächste Mal zu schaffen. Aufgeben ist keine Option.

Als Bremen 2012 den Titel erhielt, wurde vom "Wunder von der Weser" gesprochen. Wäre eine erneute Berücksichtigung wieder ein Wunder? Oder war das schon damals etwas übertrieben?

Ein Hingucker wäre es schon, wenn Bremen und Oldenburg als zwei mittelgroße Unis in peripherer Lage sich mit oder gegen größere behaupten könnten.

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Was würde das persönlich für Sie bedeuten, falls Ihnen nicht gelingen sollte, was sich viele Menschen in Bremen erhoffen? Wäre das eine Schmach für Sie?

Alle werden an dem Tag der Entscheidung auf uns schauen, und wenn wir uns nicht durchsetzen, ist das niederschmetternd, keine Frage, weil man jahrelang darauf hingearbeitet hat. Aber auch damit muss man rechnen. Das Zukunftskonzept werden wir trotzdem versuchen umzusetzen, mit anderen Mitteln. Man muss sich Großes trauen, um Großes zu bewegen. Die Alternative wäre, sich gar nicht erst zu bewerben. Das kommt für uns nicht infrage.

Das Gespräch führte Silke Hellwig.

Zur Person

Jutta Günther

ist seit September 2022 Rektorin der Uni Bremen. Zuvor war sie zwei Jahre lang Konrektorin. Von 2014 an hatte Jutta Günther eine Professur für Volkswirtschaftlehre in Bremen inne. Sie hat in Oldenburg, Osnabrück und Albany/New York Wirtschafts- und Sozialwissenschaften studiert. 

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