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Naturprodukte aus der Tiefsee Schwamm drüber! Wie eine Bremer Familie zur Größe im Geschäft wurde

Das Familienunternehmen Croll & Denecke handelt mit Naturprodukten aus dem Meer – und ist damit europaweit führend. Fast bei allen Naturschwämmen im Handel haben die Bremer ihre Finger im Spiel.
10.07.2022, 05:00 Uhr
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Von Anke Velten

Jahrhundertelang wuschen und wischten, spülten und putzten Menschen mit Naturschwämmen. Dann kam die künstliche Konkurrenz. Die meisten Schwammveredlungsfirmen gaben auf – Croll & Denecke blieb. Dank dieser Beharrlichkeit wurde das familiengeführte Bremer Unternehmen zum europäischen Marktführer in seiner Branche, und seine handverarbeiteten Produkte sind in 60 Ländern gefragt. Peter Hankiewicz und seine Töchter Nina und Sara sind davon überzeugt: Keine synthetische Kopie kann es mit den Originalen aus dem Meer aufnehmen.

„Schauen Sie mal“, sagt Brenda Bott, zieht ein plattes Stück trockener Materie aus einem Ballen und dreht den Wasserhahn auf. Innerhalb von Sekunden plustert es sich auf zur Größe eines Blumenkohls und macht sich mit sanftem Händedruck wieder ganz klein. „Naturschwämme haben offene Kanäle, durch die das Wasser durchläuft, und mit ihm auch sämtlicher Schmutz, der beim Gebrauch aufgenommen wurde“, erklärt Nina Hankiewitz. „So etwas kann man gar nicht künstlich herstellen."

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So formlos und braungrau, wie er jetzt aussieht, wird der Schwamm selbstverständlich nicht unter die Leute kommen. Es steht ihm noch einiges bevor in der „Hexenküche“, wie Brenda Bott ihren Arbeitsbereich nennt. Die gelernte Friseurmeisterin wird ihn zunächst für mehrere Stunden in einer Salzsäurelösung einweichen, die sämtliche Muschel-, Algen- oder Kalkrückstände zersetzt. Nach einem Waschgang erhält der Schwamm in einem Laugenbad seine typische blonde Farbe, und dann ist Zeit für eine Ruhepause in der Trockenkammer. Kollegen werden ihn noch in Form schneiden und klassifizieren, bevor der Schwamm schließlich konfektioniert und auf den Weg in den Handel gebracht wird.

Er könnte dann zum Beispiel in der Wellness- oder Naturkosmetikabteilung einer Parfümerie oder Drogerie landen, im Baby- oder im Künstlerbedarfladen oder auch bei einer der kleinen, feinen Adressen, die sich auf nachhaltige Produkte spezialisiert haben. „Fast alle Naturschwämme, die man im Handel findet, stammen von uns“, erklärt Sara Hankiewicz. Und nicht nur das: Viele Schwämme, die als Urlaubssouvenir auf den Balearen oder in Frankreich erstanden wurden, dürften tatsächlich „Made in Bremen“ sein.

„Als ich in die Firma eintrat, gab es noch mehr als hundert Schwammfabriken in Deutschland“, erzählt Peter Hankiewicz, der, 82-jährig, an sieben Tagen in der Woche im Betrieb zu finden ist. Dann kam die moderne Generation an Wasch- und Putzmaterialien. Wichtige Abnehmer wie die einst zahlreichen deutschen Schuhfabriken und viele Porzellanmanufakturen verschwanden. Während andere Betriebe aufgaben, richtete der Bremer Unternehmer seinen Blick über den Tellerrand. „Eines Tages stand ich am Rheinufer von Kehl und sagte mir: Mal sehen, was auf der anderen Seite ist.“ Zwischen dem Elsass und der Côte d´Azur fand er zahlreiche kleine alte Drogerien und Parfümerien, die seine Schwämme ins Sortiment aufnahmen. „Es brauchte schon ein bisschen Überzeugungsarbeit“, erinnert er sich und lacht. „Aber die Franzosen hatten schon immer einen Sinn für natürliche Produkte und für Handarbeit.“ Mittlerweile ist Frankreich der wichtigste Exportmarkt. Auch die Schweizer Malerbranche braucht permanenten Nachschub. „Dort wird eine spezielle Kalkfarbe verwendet, die beim Neuanstrich mit einem Naturschwamm entfernt wird“, erzählt er. Und in Skandinavien gebe es einen erstaunlichen Bedarf an Aquarellschwämmen.  

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Doch auch hierzulande steigt wieder das Interesse an dem Naturmaterial. „Wir merken schon, dass immer mehr Kundinnen und Kunden Wert auf Nachhaltigkeit und verantwortungsvollen Konsum legen“, sagt Nina Hankiewicz. Die Schwämme, die von den Tauchern vor Ort geschnitten werden, regenerieren sich selbst und wachsen weiter, erklärt Sara Hankiewicz, selbst ausgebildete und erfahrene Taucherin. „Eine echte Gefahr sind dagegen die Verschmutzung der Meere und die Schleppnetzfischerei, die sämtliches Leben auf dem  Meeresboden zerstört.“

Bei guter Pflege bleibe ein Naturschwamm monate-, sogar jahrelang brauchbar. Mit vielen Lieferanten arbeite das Unternehmen seit Generationen zusammen. „Wir wissen von jedem Schwamm, wo und von wem er geerntet wurde.“ Es sind oftmals traditionelle Schwammtaucher-Familien auf den griechischen Inseln, an der kroatischen Küste, in Tunesien oder auf den Bahamas, die ihre gesamte Ernte nach Bremen verschiffen. Man kennt sich persönlich, weil Urlaube immer auch Dienstreisen waren. „Wir haben früher mit den Kindern der Schwammtaucher gespielt. Heute spielen meine Kinder mit deren Kindern“, erzählt Nina Hankiewicz. Trotz der engen Zusammenarbeit: Jeder Ballen, der in Bremen ankommt, ist ein echtes Überraschungspaket. „Wir wissen vorher nie genau, was sich darin verbirgt“, sagen die Schwestern. „Jeder Naturschwamm ist einzigartig."

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Mit „Bade-Schwämmen en gros“ machten sich die beiden Kompagnons Gustav Croll und Theodor Denecke im Jahr 1897 selbstständig. Die Familie Hankiewicz ist dem Großhandelsunternehmen seit drei Generationen verbunden. Im Jahr 1929 übernahm Erich Hankiewicz die Firma, Sohn Peter folgte 1958. Jahrzehntelang diente das Haus am Doventorsdeich 23 als Wohnhaus und Produktionsstätte. 2002 bezog der Betrieb mit 20 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern den Standort an der Emil-Sommer-Straße, und nacheinander traten die Töchter Nina und Sara, heute 38 und 33 Jahre alt, in die Geschäftsführung ein. Neben Schwämmen aus der eigenen Manufaktur beliefert Croll & Denecke den Handel auch mit einer Palette an Utensilien für Körperpflege, Wellness und Haushalt – Bürsten, Luffa- und Sisal-Produkte, Fensterleder und mehr aus Partnerbetrieben. Mehr Informationen gibt es unter www.crolldenecke.com.  

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