Weil sich der Inhaber der Bremer Lloyd-Dynamowerke offenbar weigert, die Bilanz für das vergangene Jahr zu unterzeichnen, ist die Firma in der Existenz bedroht. Die Mitarbeiter wurden am Mittwoch über die Entwicklungen informiert.
Dominik Brunner ist mit einem ehrgeizigen Ziel bei den Lloyd Dynamowerken angetreten: Er wollte das Unternehmen schneller zurück in die Champions League der Motorenhersteller bringen, als es Werder Bremen wieder in die Königsklasse des Fußballs schafft. Nun hat Brunner sein Amt als Vorsitzender der Geschäftsführung abgegeben. „Jetzt gibt es einen Trainerwechsel – aber das Spiel wird von den Spielern auf dem Platz entschieden.“
Was der gebürtige Österreicher meint, ist, dass die Belegschaft der Lloyd Dynamowerke auch nach der überraschenden Nachricht vom Mittwochmittag weiterarbeiten soll wie bisher. Brunner hat nach eigenen Angaben gekündigt, weil es zu unterschiedlichen Auffassungen zwischen den Eignern des Hastedter Unternehmens, der südkoreanischen Hyosung-Gruppe, und ihm gekommen ist.
Aus den gleichen Gründen hatte Finanzchef Gerd Onken in der vergangenen Woche seinen Rücktritt verkündet. Die Lloyd Dynamowerke werden nun bis auf Weiteres von Geschäftsführer Moon Shin allein geleitet. Eine Anfrage des WESER-KURIER an die Hyosung-Gruppe blieb am Mittwoch unbeantwortet.
Motorenhersteller ist in schwieriger Lage
Fest steht: Der Motorenhersteller ist nach wie vor in einer wirtschaftlich schwierigen Lage. 2014 war das Bremer Traditionsunternehmen, das leistungsstarke elektrische Maschinen und Antriebssysteme herstellt, in die Insolvenz geschlittert. Damals gehörte das Unternehmen mehrheitlich der indischen Kirloskar Electric Company (KEC).
Diese hatte Brunner zuvor in die Geschäftsführung geholt, um die Produktion am Hastedter Osterdeich wieder anzukurbeln. Wegen Schwierigkeiten bei den Zahlungsabläufen von Indien nach Deutschland und bei den Arbeitsabläufen waren die Lloyd Dynamowerke schließlich zahlungsunfähig. Aus der Insolvenz heraus wurde Anfang 2015 ein neues Unternehmen mit dem gleichen Namen gegründet, in das die Hyosung-Gruppe als Alleineigner einen zweistelligen Millionenbetrag investierte.
Doch auch mit den Südkoreanern wollte es offenbar nicht so recht klappen. Nach übereinstimmenden Angaben von IG Metall und dem ehemaligen Geschäftsführer gab es besonders in der Kommunikation Probleme. Bis heute sei die Bilanz für 2015 nicht testiert, erzählt Brunner. Für das Bremer Unternehmen kann das zu einer existenzgefährdenden Situation werden: Bei Aufträgen in einer Größenordnung, wie sie die Lloyd Dynamowerke abarbeiten, würden entsprechende Patronatserklärungen – das bedeutet, dass der Eigner im Fall der Fälle finanziell einspringt – eingefordert.

Blick auf die Lloyd Dynamowerke (Archivbild).
Geschäftsführer vertröstet Auftraggeber
Als ein konkretes Beispiel nennt Brunner eine Anfrage für drei baugleiche Generatoren für ein Wasserkraftwerk. 4,6 Millionen Euro würde dieser Auftrag den Bremern bringen. Wegen der Nachfrage nach der Bilanz habe der Geschäftsführer die Auftraggeber immer wieder vertrösten müssen. Er sorgt sich, dass nun ein Wettbewerber den Zuschlag bekommt.
Gut 30 Millionen Euro Umsatz machen die Lloyd Dynamowerke im Jahr. Für die Gewinnschwelle reicht das allerdings noch nicht. Dafür fehlt nach Brunners Angaben ein einstelliger Millionenbetrag. Damals, als Hyosung ins Unternehmen eingestiegen war, habe es Absprachen gegeben, dass die Vertriebsbüros der Gruppe, die rund um den Globus aktiv sind, die Motoren aus Hastedt mitvermarkten. „Das ist bis heute nicht passiert“, sagt der Österreicher.
Hyosung ist ein südkoreanischer Mischkonzern mit Sitz in Seoul. Sein Jahresumsatz lag zuletzt bei 17 Milliarden Dollar. Zum Konglomerat gehört ein weites Netz von Tochterfirmen im Immobiliengeschäft, Maschinenbau, der Chemieindustrie und der IT-Branche. Südkorea ist nach wie vor von einer konfuzianischen Gesellschaft geprägt: Dort steht der Mann über der Frau, der Patriarch hat das Sagen – eine strenge Hierarchie, die alle zu befolgen haben, in Firmen wie in Unternehmen.
Mitarbeiter sollen auf 20 Prozent des Gehaltes verzichten
Ein gutes Beispiel dieser Mentalität ist Samsung. Konzernchef Lee Kun-hee lenkte sein Familienunternehmen viele Jahre mit eiserner Hand: Seinem Geschäftsplan musste akribisch gefolgt werden, selbst kleine Fehler wurden mit einem Rauswurf quittiert. Der Erfolg gab ihm recht: Der Weltkonzern macht 300 Milliarden Euro Umsatz und hat etwa 500.000 Mitarbeiter.
In Hastedt geht es nun um die Arbeitsplätze von etwa 230 Angestellten. Laut IG Metall und dem ehemaligen Geschäftsführer hat die Hyosung-Gruppe zwar nicht auf die Kündigung der beiden Firmenlenker und auch nicht auf die mehrfachen Aufforderungen, die Bilanz zu unterschreiben, reagiert, dafür aber Forderungen gegenüber der Belegschaft aufgestellt: Demnach sollten die Mitarbeiter auf 20 Prozent ihres Gehaltes verzichten.
„Unmöglich“, sagen Brunner und der Erste Bevollmächtigte der IG Metall Bremen, Volker Stahmann. Seit der Insolvenz verzichtet die Belegschaft bereits auf zehn Prozent ihres Lohnes. Sollten weitere Abstriche dazukommen, so die Befürchtung, würden viele der Fachkräfte zu anderen Firmen wechseln. „Das Unternehmen hat die kritische Größe erreicht“, sagt Brunner. Mit weniger Angestellten könnten Aufträge nicht mehr abgearbeitet werden.
"Gesellschafter soll seine Verantwortung wahrnehmen"
Stattdessen haben IG Metall und Vertreter der Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite am vergangenen Wochenende ein umfangreiches Maßnahmenpaket ausgearbeitet: „In einigen Abteilungen kann man über Kurzarbeit nachdenken“, sagt Stahmann. In anderen Abteilungen müsste die Arbeitszeit allerdings aus Effizienzgründen verlängert werden. Auch über Altersteilzeit und Abfindungsmöglichkeiten sei in dem Maßnahmenpapier eingegangen worden. Eine Antwort der Hyosung-Gruppe? „Steht immer noch aus“, sagt Stahmann.
Auch Wirtschaftssenator Martin Günthner (SPD) schlussfolgert: „Offensichtlich sind die entstandenen Probleme auch das Ergebnis einer massiv gestörten Kommunikation mit dem Gesellschafter in Seoul.“ Günthner kündigt an, kurzfristig auf den verbliebenen koreanischen Geschäftsführer zuzugehen und diesen zu einem Gespräch einzuladen. „Die Landesregierung erwartet, dass der Gesellschafter seine unternehmerische Verantwortung wahrnimmt. Globalisierung darf nicht zu Wildwest-Methoden führen.“
Ex-Geschäftsführer Brunner ist „extrem enttäuscht“ über die Entwicklungen bei den Lloyd Dynamowerken: „Eigentlich darf es nicht sein, dass der Kapitän als Erster geht.“ Er hofft nun, dass die Südkoreaner schnell tätig werden und Nachfolger für Onken und ihn einsetzen.
Dann sieht er eine Zukunft für das Bremer Traditionshaus: Wenn neue Aufträge abgeschlossen werden, könne es weitergehen. Ein Liquiditätsproblem oder gar eine Insolvenz drohten zum jetzigen Zeitpunkt jedenfalls noch nicht. Sollten die Eigner allerdings weiter keine Entscheidungen treffen, dann kann es eng werden für das Unternehmen, das 2015 seinen 100. Geburtstag feierte.