Das Angebot an großen Verkaufsflächen in der Bremer Innenstadt ist offenbar ein Problem: Unternehmen, wie der Schuhhersteller Lloyd, würden gerne in die City kommen, doch es gibt immer mindestens einen Haken.
Der Weg ins Zentrum ist schwer. Eigentlich beginnt die Geschichte des mittlerweile in Sulingen ansässigen Schuhherstellers Lloyd im Jahre 1888 in Bremen. In vielen Orten in Deutschland gibt es heute eigene Schuhgeschäfte – und sogar in Ägypten, China und Saudi-Arabien. Nur in Bremen hat es bisher nicht mit einem Lloyd-Laden geklappt.
Seit fünf Jahren suche man in der Innenstadt eine geeignete Fläche, sagt Lloyd-Sprecherin Katharina Holzhause. „Wir sind mit dem Wirtschaftsressort dauerhaft in Gesprächen.“ Doch in Verhandlungen getreten sei man nie. Gründe, warum die Pläne scheiterten, gebe es mehrere. „Für uns sind drei Faktoren wichtig: Die Fläche muss groß genug sein, die Nachbarschaft zu unserem Klientel muss passen und der Mietpreis wirtschaftlich sein.“
An einem dieser Punkte habe es an diversen Standorten in der Bremer Innenstadt immer mindestens einen Haken gegeben. Oft seien Läden zu klein gewesen. Das Unternehmen sei dabei sehr engagiert auf der Suche, sagt Holzhause: „Gerade weil Bremen unsere Geburtsstätte ist.“
Nicht ausreichend für einige Marken
Das Angebot an großen Verkaufsflächen in der Innenstadt, das sei ein Problem, sagt Karsten Nowak, Leiter des Geschäftsbereichs Einzelhandel bei der Handelskammer Bremen. Die Einheiten in den beiden Haupteinkaufsmeilen seien kleinteilig – nicht ausreichend für einige Marken. 1000 Quadratmeter seien nicht mal eben so zu finden. Das Zentrum sei dabei deutlich begrenzt durch Weser und Wallanlagen. „Andere Städte haben eine bessere Lage. Der Kern ist größer.“
Am liebsten hätten die Kunden es bequem und erwarteten direkt in den Seitenstraßen, am Rand des Kerns, weitere Einkaufserlebnisse. Das sei in Bremen noch nicht ausgeprägt genug. Die Handelskammer plädiere deshalb für eine Verknüpfung der Innenstadt mit anderen Einkaufsvierteln. Ein Weg zum Steintor könne etwa entstehen, wenn die Wallanlagen belebter seien.
Jan König, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Nordwest, sieht das Problem im Zentrum ebenfalls. Zudem seien die Mieten in bester Lage sehr hoch – wie auch in anderen Städten. Er spricht sich für mehr günstigere Läden und kürzere Laufzeiten für innovative Konzepte aus. Die Stadt könne dabei Starthilfe leisten: „Hierfür könnten öffentliche Gebäude genutzt werden.“ Das neue Citylab sei eine tolle Sache: „Geringere Mieten machen den Einstieg in den stationären Handel möglich. Gerade Start-ups haben hier die Chance, sich auszuprobieren.“ Das befristete Projekt sei einzigartig im Nordwesten. Doch ob es im Anschluss in der Innenstadt für die Läden weitergeht? „Oft sind die Mietverträge ein Problem.“
Spielzeug aus Pappe
Calafant nutzt den Platz im Citylab im ehemaligen Lloydhof. Dort verkauft das Bremer Unternehmen Spielzeug aus Pappe für Kinder. „Wir sind Quereinsteiger und probieren das gerade aus“, sagt Geschäftsführer Boris Schimanski. Das Produkt eigne sich besonders für den stationären Handel. Schimanski wünscht sich nur mehr Kundschaft in seinem Laden. In die 1A-Lage wolle er aber nicht wechseln: „Nicht zu den heutigen Konditionen.“
Für die hohen Mieten sei Calafant zu speziell. Er beobachte zudem, wie es die Bremer ins Umland nach Niedersachsen in die Shoppingcenter ziehe. „Die Innenstadt ist nicht gerade modern. Der 80er-Jahre-Charme hier und da muss weg.“ Die Innenstadt zu „muffig“ – solche Töne hört man auch bei anderen Unternehmen aus der Region. Der Bremer Onlinehändler Reishunger ist dagegen gerade im Viertel und in der Innenstadt aktiv auf der Suche.
In einem zeitlich begrenzten Laden, einem Pop-up-Store in der Langenstraße, sammelt das Unternehmen derzeit Erfahrungen, wie sein Konzept im Netz sich auf den stationären Handel übertragen lässt. „Wir haben ganz spannende Ergebnisse bekommen“, sagt Geschäftsführer Sohrab Mohammad. Die Lage des jetzigen Ladens sei aber nicht ideal. Nur wenige Kunden gingen zufällig daran vorbei. Deshalb wolle man nun für ein halbes Jahr einen Pop-up-Store in hochfrequentierter Umgebung testen.
Klagen junger Kreativer
Bisher scheiterte das Experiment jedoch am passenden Angebot, an zu hohen Mieten oder zu langen Laufzeiten der Mietverträge von gleich mehreren Jahren. „Das geht kakulatorisch nicht auf. Dafür sind wir zu speziell aufgestellt und bisher nur Onlineexperten.“ Klar, er könne die Vermieter verstehen, sagt Mohammad. Der Versuch sei ihnen vielleicht zu heikel. Ein Experiment in bester Lage? Die bezahlbare Auswahl dränge Reishunger bisher doch wieder in die B-Lage. „Das bringt aber nichts.“ An den Schritt in die Innenstadt glaube er jedoch fest. „Wir brauchen nur einen Partner, der das auch tut. Bisher fehlt es aber an Geduld, Verständnis und Fantasie.“
Reishunger sei ein Platz in der Markthalle Acht angeboten worden, sagt Mohammad. Sicher seien dort tolle Produkte und engagierte Händler und Gastronomen zu finden. Doch er vermisse die Begeisterung: „Die Stimmung war während meiner Besuche oft gedämpft. Hier muss noch mehr passieren. Die Markthalle in Hannover geht dagegen total ab.“
Karsten Nowak von der Handelskammer kennt solche Klagen junger Kreativer über das Zentrum. „Dort werden Mieten aufgegeben, die es ihnen schwer machen. Die Preise lassen keine Kreativität zu.“ Kunden wünschten sich dagegen spannende neue Konzepte von einer Großstadt. Doch es fehlten neben mehr Verkaufsflächen im Kern auch attraktive B-Lagen. „Es mangelt insgesamt an Flächen in zweiter Lage.“
Neue Möglichkeiten
In Oldenburg habe es durch die Schlosshöfe neue Möglichkeiten gegeben. Doch die Lösung für Bremen könne nicht sein, einfach weitere Flächen zu bauen. „Das braucht viel Fingerspitzengefühl.“ Jan-Peter Halves, Geschäftsführer der City-Initiative, ist ebenfalls überzeugt, dass Bremen mehr Verkaufsflächen braucht.
„Die Konzentration ist hier stark. Wir haben eigentlich nur drei Straßen: die Sögestraße, die Obernstraße und die Lloydpassage, dazu kommen noch die Domshof- und Katharinenpassage. Danach gibt es jedoch eine deutliche Abschwächung, was die Qualität und Frequenz der Kunden angeht.“ Die hohen Mieten der begrenzten 1A-Lage könnten sich nicht alle leisten.
Teils verlangten die Eigentümer zu viel, Mieten die nicht zu Bremen passten, sagt Halves. Wer nicht bereit sei, sie zu zahlen, habe es schwerer als in anderen Städten. „Wir brauchen mehr attraktiven Raum.“ Halves plädiert zudem für mehr Modernität. Einige Bauten müssten dringend überholt werden. Der ehemalige Lloydhof sei eine Chance, um zeitgemäße Fläche zu entwickeln.
Bekenntnis für Bremen
Neue Möglichkeiten bietet auch das Gebäude der Sparkasse am Brill, das die Bank verlassen möchte. Doch Jan König vom Handelsverband mahnt: „Meine Befürchtung ist, dass es extrem schwierig wird, wenn dort nicht ein richtiger Knaller hinkommt.“ Die Kunden aus der Innenstadt anzulocken sei nicht leicht.
Nowak sieht eine positive Entwicklung derzeit am Domshof mit Manufactum. Die Ansiedlung sei ein Bekenntnis für Bremen. „Manufactum wird die Entscheidung aufgrund seiner Lieferungen nach Bremen getroffen haben. Das zeigt, welches Potenzial der Standort hat.“ Doch ein bisschen Glück gehöre auch dazu: Der Händler habe sich das Haus bestimmt aufgrund der besonderen Wertigkeit ausgesucht – passend zum Image. Laut Nowak haben ganze Stadtteile im besten Fall eine eigene Botschaft für die Kunden. Bremen könne dabei noch mehr für sich werben: „Die Stadt mit ihrem schönen Kern ist an sich ein Ziel. Mit diesem Pfund sollten wir wuchern.“