Wie können Schüler Noten bekommen – in diesem Halbjahr, in dem der normale Unterricht immer wieder durch Quarantäne, Lockdown und Distanzlernen unterbrochen wurde? Diese Frage stellt sich vor allem an den Schulen, an denen durch gehäufte Infektionen immer wieder größere Gruppen in Quarantäne gingen.
Bisweilen kann man alternative Wege einschlagen, so dass auch zu Hause bearbeitete Aufgaben bewertet werden können, sagt Christian Radke, stellvertretender Schulleiter der Neuen Oberschule Gröpelingen (NOG). Er unterrichtet zudem selbst eine 10. Klasse in Mathematik. Weil es an der Schule in den vergangenen Monaten viele Corona-Infektionen gab, sei nach den Sommerferien jeder Jahrgang bereits in Quarantäne gewesen, erklärt Radke. Deshalb wurde an der NOG ab Ende November im Wechselunterricht unterrichtet: Jede Klasse wurde in drei Gruppen geteilt. Zwei der Gruppen waren immer abwechselnd in der Schule und zu Hause. Die dritte Gruppe, die aus Kindern bestand, die zu Hause keine guten Lernbedingungen haben, war durchgehend in der Schule.
Das System habe gut funktioniert, sagt Radke. Dennoch sei die Leistungsbewertung in diesem Jahr herausfordernd. Es sei aber in einigen Fällen durchaus möglich, Aufgaben fürs Distanzlernen so zu entwickeln, dass sich die Ergebnisse bewerten ließen. Radke gibt ein Beispiel: Man könne Schülern in Mathematik den Auftrag geben, selbst ein Erklärvideo zu erstellen, in dem sie ihren Rechenweg zu einer linearen Funktion erklären. Das Video sollten die Schüler dann beim Lernportal Its Learning hochladen. Im Fremdsprachenunterricht könne man ähnlich verfahren: Schüler könnten zum Beispiel einen zuvor eingeübten Dialog auf Englisch am I-Pad einsprechen. „So eine zu Hause erbrachte Leistung kann dann schon in die Note fürs Halbjahreszeugnis einfließen“, sagt Radke. Ein eigenes Video zu produzieren, wecke zum Teil auch den Ehrgeiz der Schüler, es richtig gut zu machen. „Jeder kann sich dann in seinem Video selbst noch einmal ansehen, was er gesagt hat.“
Andere Arten, Wissen abzufragen, seien dagegen zu Hause kaum möglich, so Radke: „Einen Vokabeltest in Distanz stattfinden zu lassen, ist sehr schwierig – man weiß ja nie, ob Schüler die Vokabelliste nicht einfach neben das Tablet legen.“
Digitales Distanzlernen
Als deutlich schwieriger nimmt eine Lehrerin der Wilhelm-Olbers-Oberschule in Hemelingen die Lage wahr: „Wir haben Kinder, die haben nicht mal ein eigenes Zimmer, manche haben kein WLAN, manche kein Papier“, erzählt die Lehrkraft, die Klassenleitung in der Sekundarstufe I ist. Auch an ihrer Schule gab es seit den Sommerferien viele Infektionen. „Wir sollen digitales Distanzlernen machen, aber einige Kinder laden ihre bearbeiteten Aufgaben einfach nicht hoch, auch dann nicht, wenn man die Eltern nochmal anruft.“ An ihrer Schule seien die Schüler-I-Pads erst kurz vor Weihnachten angekommen. Ein gemeinsames Einüben der Nutzung sei deshalb vor den Ferien nicht mehr möglich gewesen: „Die Kinder wissen überhaupt nicht, was sie damit machen sollen.“ Zuletzt habe sie zwei Stunden lang mit Kindern und Eltern gechattet, um eine 30-minütige Video-Konferenz mit ihrer Klasse zu organisieren, erzählt die Lehrerin. Sie ist überzeugt, dass massive Ungerechtigkeiten durch die verschiedenen Bedingungen zu Hause entstehen. „Deshalb ist es ungerecht, wenn wir derzeit Leistungen bewerten.“
Lehrkräfte schildern auch, dass es schwierig sei, Aufgaben für Tests zu formulieren, weil durch die vielen Wechsel zwischen Lernen zu Hause und in der Schule schwer zu sagen sei, welches Wissen überhaupt bei allen Schülern angekommen ist.
„Man will so tun, als ob alles normal an den Schulen weiter läuft“, sagt Barbara Schüll von der Bildungsgewerkschaft GEW Bremen. Das sei aber eine Illusion, denn man kämpfe immer noch damit, dass viele Schüler keinen Zugang zum WLAN hätten. Und das digitale Lernportal Its Learning, das in Bremen alle Lehrer und Schüler nutzen können, sei zuletzt angesichts der starken Nutzung zwischenzeitlich zusammengebrochen. Die Notengebung stelle die Kollegien vor eine Herausforderung, so Schüll. Sie fordert, frühzeitig das Verfahren für Abschlussprüfungen in 2021 festzulegen. Im Sommer wurden bei Schülern, deren Leistungen nach dem Lockdown stark absackten, Noten hochgestuft.
„Das war für die Kollegen eine große Belastung“, so Schüll. „Viele Zeugnisse mussten zweimal ausgestellt werden, für Abschlussprüfungen gab es bis zu drei Termine, für die jeweils andere Aufgaben formuliert werden mussten.“ Schüll betont, viele Lehrkräfte kämen inzwischen an ihre Belastungsgrenzen. Bereits im vergangenen Frühling seien viele „auf dem Zahnfleisch gegangen“. „Wir haben jetzt ein Jahr Corona, das ist auch für uns eine unglaubliche Anspannung.“
Kultusminister tagen
An diesem Montag beraten die Kultusminister. Der Umgang mit Schulen und Kitas ist offenbar strittig. Laut der Frankfurter Allgemeinen Zeitung wollen die stark von Corona betroffenen Länder sie weiter geschlossen halten. Die weniger betroffenen überlegen, Kitas und Schulen bis zur siebten Klasse zu öffnen, in höheren Klassen solle es Wechsel- oder Distanzunterricht geben. Bremen hat beschlossen, vom 11. bis 15. Januar die Präsenzpflicht an Schulen weiter auszusetzen.