Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Müllvermeidung beim Einkauf in Bremen Unverpackt einkaufen in der Neustadt

Wer beim Einkauf Verpackungsmüll vermeiden will, findet in der Neustadt jetzt zwei spezialisierte Adressen: Neben dem Füllkorn in der Kornstraße gibt es nun auch L'Epicerie-Bio in der Rückertstraße
31.08.2018, 16:41 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Von Jörg Teichfischer

Eine Kaffeemaschine gibt es noch nicht im „L‘Epicerie-Bio“, dem Tante Emma-Laden, der seit Kurzem in der Rückertstraße 1 eröffnet hat. Dabei sehen manche Automaten in dem Geschäft aus wie Getränkeautomaten - tatsächlich kommen aber Olivenöl, Balsamico-Essig oder andere Flüssigkeiten heraus. Die Gefäße dafür kann man selbst mitbringen, denn der Laden ist auf das Prinzip des unverpackten Einkaufens ausgerichtet.

Die Idee dafür stammt von Geschäftsinhaberin Myriam Carneva. Nach ihrem Master im Bereich Business und Marketing, den sie in ihrer Heimat Frankreich erreichte, arbeitete sie in England als Verkäuferin und als Stewardess, bevor sie ihren Ehemann in Bremen kennenlernte. „Ich möchte etwas anderes“, dachte sie sich vor drei Jahren, als sie schwanger wurde und ihrem Sohn ein besseres Leben bieten wollte.

Lesen Sie auch

Der Umgang mit Bio-Lebensmitteln und fair gehandelten Waren gehörte schon vor der Geschäftsgründung zu ihrem Einkaufsverhalten - schließlich lag ihr der Schutz der Umwelt vor Plastikmüll und anderen Bedrohungen seit Langem am Herzen. Zugleich sah sie die Schwierigkeiten, die entstehen, wenn man verschiedene Produkte frei von Ummantelungen verkaufen will. Nach und nach reifte in ihr die Idee für ein Geschäft ganz ohne Verpackungen.

Gründungskapital per Crowdfunding

Doch ihre Begeisterung fand keine Unterstützung bei einem Geldinstitut, bei dem sie nach einem Kredit fragte, auch wenn sie einen entsprechenden Businessplan vorlegte. Erst eine Sammlung im Rahmen eines „Crowdfunding“ brachte 15 000 Euro für ihr Geschäft zusammen. Daher gibt es nicht einen großen, sondern viele kleine Geldgeber. Im Prinzip sind es Spender, die an eine Idee glauben und im Gegenzug bestimmte Rechte erwerben, die zumeist nur geltend gemacht werden können, wenn die Idee tatsächlich umgesetzt wird. Im Falle Carnevas waren das Einkaufsgutscheine. „Meine Idee hat eine große Resonanz unter den Gebern hervorgerufen“, freut sich Carneva. Wer die Spender im Einzelnen sind, weiß sie allerdings nicht. Aber wann immer ein Kunde einen Gutschein vorzeigt, weiß sie, dass der sich an ihrem Laden finanziell beteiligt hat.

Lesen Sie auch

Ein Freund aus Bremen half schließlich bei der Suche nach einem Raum, der in der Rückertstraße 1 an der Ecke zur Osterstraße gefunden wurde. Eigentlich sollte die Eröffnung bereits im März sein, doch erst ab April waren die 80 Quadratmeter frei, sodass sie erst ab dann die Inneneinrichtung gestalten konnte. Seit 11. August verkauft sie nun endlich Produkte, die sie überwiegend zuvor im eigenen Haushalt getestet hat. Von A wie Aprikosen bis Z wie Zahnbürsten reicht ihre Angebotspalette an unverpackten, biologisch hergestellten und wo immer es möglich war auch fair gehandelten Artikeln. „Alles frei von Kinderarbeit“, beschreibt sie stolz ihre Produktauswahl.

Frisches Obst, frischer Käse, auch Weine, Salben, Babyprodukte, Kosmetik, sechs Sorten Reis und fünf Sorten Nudeln finden sich in den Regalen. Flüssigwaschmittel kann man sich ebenso abfüllen wie Natron oder Soda. Auch Bambus-Sonnenbrillen und Holzprodukte wie Schalen, Roller und Löffel stehen in dem Laden auf Holzpaletten. Ganz fertig ist die Einrichtung noch nicht. Außen sind noch Werbeschilder eines früheren Mieters zu erkennen. Im Innenbereich soll noch ein Kinderbereich und eine Kaffee-Ecke mit kleinen Snacks und Backwaren eingerichtet werden.

Lesen Sie auch

Carneva plant, jeden Monat ein neues unverpacktes Produkt zu präsentieren. Im Keller unter dem Geschäft hortet sie ihre Einkäufe, die sie von rund zehn Anbietern bezieht. „Ich kaufe in großen Mengen ein, daher kann ich fast ähnliche Preise wie in Bio-Läden anbieten“, erklärt Carneva ihr Geschäftsmodell.

Jede Ware wird abgewogen

Beim Abwiegen der Ware zählt sie zum Teil noch auf französisch. Auch bei der Bezeichnung ihres Geschäfts hat sie die französische Bezeichnung für einen Gemischtwarenladen (Epicerie) gewählt. Die deutsche Sprache beherrscht sie gleichwohl hervorragend und kann sich auch mit älteren Kunden bestens verständigen. Die Neustadt hat sie lieb gewonnen und einige Jahre fast gegenüber in der Westerstraße gewohnt.

Viele junge Leute mit Kindern kommen in ihr Geschäft, in dem man sich in der Regel duzt. Ihre Stammkundschaft hat sie auch bereits. „Die meisten wollen aus umweltpolitischen Gründen ohne Verpackungen kaufen“, schätzt sie die Motivation ihrer Käufer ein. So sieht es auch Niklas, der regelmäßig in den Laden kommt. „Ich finde es sinnvoll, unverpackte Waren zu kaufen und mache das etwa zweimal wöchentlich“, so der Kunde, der etwas Kakao mitnehmen wollte. Doch einen Behälter dafür hatte der aus dem Viertel in die Neustadt Gezogene nicht dabei. Carneva kann aber für alle Fälle Papiere und Schalen für den Transport anbieten.

Lesen Sie auch

„Ich bin mit dem Laden zufrieden“, sagt die aus Südfrankreich stammende Inhaberin nach wenigen Wochen Geschäftsbetrieb. Ab und zu muss sie den Kunden noch beim Abfüllen bestimmter Waren helfen. Das Verpacken kann einige Minuten dauern, sodass man sich für den Einkauf etwas Zeit mitnehmen sollte.

Bereits seit April dieses Jahres verfolgt auch das Geschäft „Füllkorn“ in der Kornstraße 12 ein sehr ähnliches Konzept. Auch dort gibt es Artikel des ta?glichen Bedarfs ganz ohne Einwegverpackung, in beliebiger Menge und in Bio-Qualita?t. Besitzer Ulf Sawatzki hat den Antrieb für seinen Unverpackt-Laden während eines längeren Aufenthalts in Indonesien entwickelt, wo er ganze Staudämme und Inseln aus Plastikmüll zur Kenntnis nehmen musste.

Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)