Mehr als drei Jahrzehnte im Untergrund endeten für Daniela Klette am 26. Februar 2024 in einer Warteschlange in einem Berliner Polizeigebäude. Dorthin hatten Beamte des Landeskriminalamtes (LKA) Niedersachsen die heute 66-Jährige gebracht, um ihre Identität zu überprüfen. Einer der Fahnder sagte am Dienstag vor dem Oberlandesgericht Celle aus.
Kurz zuvor hatten die Polizisten die Frau an jenem Tag aus ihrer Wohnung abgeholt, zu der Zeit noch in der Annahme, eine „Claudia Schmidt“ angetroffen zu haben. Auf dem Flur des Reviers, während der Wartezeit bis zur Abnahme der Fingerabdrücke, habe sich die Frau ihm gegenüber dann als „Claudia Bernadi“, italienische Staatsbürgerin, zu erkennen gegeben, führte der LKA-Mann aus.
Tatsächlich identifiziert wurde die Frau wenige Minuten später anhand ihrer Fingerabdrücke als Daniela Klette. „Komm‘ mal her“, hätte ihm ein Kollege am Rechner signalisiert, als die Fingerabdrücke nach einigen vergeblichen Versuchen endlich abgeglichen werden konnten. Auf dem Bildschirm sei ein Fahndungsbild von Daniela Klette zu sehen gewesen.
Die Staatsanwaltschaft Verden wirft Klette unerlaubten Waffenbesitz und versuchten und vollendeten Raub vor sowie versuchten Mord bei einem Überfall auf einen Geldtransporter in Stuhr. Als mutmaßliche Komplizen gelten Ernst-Volker Staub und Burkhard Garweg, nach denen weiterhin gesucht wird.
Anonymer Hinweis brachte Staatsanwaltschaft auf Klettes Spur
Die Ausführungen des erfahrenen Beamten am Dienstag gaben einen Eindruck davon, wie viele unvorhersehbare Umstände zusammenkommen mussten, um Daniela Klette auf die Spur zu kommen. Auslöser für die am Ende erfolgreiche Festnahme war demnach ein anonymer Hinweis an die Staatsanwaltschaft Verden vom November 2023. Auf Bildern im Internet soll eine Frau zu sehen gewesen sein, die Daniela Klette sein könnte. Die Frau und ein Mann, der Ähnlichkeit mit Garweg gehabt haben soll, seien offenbar an der Vorbereitung eines Capoeira-Festivals in Berlin beteiligt gewesen.
Der LKA-Mann berichtete, dass ein erster Abgleich der Bilder ohne Ergebnis geblieben war. Wenig später sei eine „Claudia Schmidt“ überprüft worden mit dem Ergebnis, dass es sich bei dieser Person nicht um die Gesuchte gehandelt habe.
Ein ARD-Podcast mit dem Namen „Legion: Most Wanted“, der sich mit der Suche nach der früheren RAF-Terroristin Daniela Klette beschäftigt, hätte ihn Anfang des Jahres 2024 veranlasst, „sich die Sache noch einmal vorzunehmen“, sagte der Fahnder weiter. Über den „Capoeira-Meister“ sei man an die Adresse gekommen, Sebastianstraße in Berlin-Kreuzberg, die sich als die Wohnung der Gesuchten herausstellte. Hier fanden die Ermittler später Waffen, Bargeld, Ausweispapiere und Führerscheine.
Der Fahnder schilderte vor Gericht, dass ihm Klette, die in Untersuchungshaft im Frauengefängnis in Vechta sitzt, bei der ersten Kontaktaufnahme an der Wohnungstür „kooperativ“, „gefasst“ und „unauffällig“ erschienen sei. Einen wirklichen Verdacht habe er in dem Moment noch nicht gehabt, „es war wie bei etlichen Überprüfungen vorher auch“. Man sei im Laufe der Jahre über 2000 Spuren nachgegangen.
Warnte Klette vor der Festnahme ihren Komplizen?
Am Ablauf der Festnahme hatte es im vergangenen Jahr öffentliche Kritik gegeben, da Klette zwischendurch Zeit gehabt haben soll, ihren mutmaßlichen Komplizen Garweg zu warnen. Der LKA-Mann, der damals mit seinen Kollegen auf dem Hausflur gewartet hatte, räumte vor Gericht ein, dass Klette die Wohnungstür nach dem ersten Öffnen noch einmal geschlossen habe, um ihren bellenden Hund wegzusperren. Danach sei sie noch einmal allein auf Toilette gewesen. „Heute ärgert es mich“, sagte der Fahnder.
Insgesamt zeichnete der Fahnder ein recht detailliertes Bild von Klette und der Festnahme. Nach ihrer Identifizierung habe sie sich bei ihm erkundigt, ob ihre Mutter noch lebe, und wie es ihrer Schwester gehe. Außerdem habe man sich darüber unterhalten, wer sich denn nun um ihren Hund kümmern könnte.
Besonders im Gedächtnis geblieben ist dem Mann der Moment, in dem die Gesuchte in Handschellen durch den Warteraum des Polizeigebäudes geführt wurde, um sie zur Gefangenensammelstelle zu bringen. Sinngemäß habe sie gerufen: „Ich bin Daniela Klette von der RAF. Ich bin festgenommen.“ Darauf hätte von den Anwesenden aber niemand reagiert. „Es war wohl nicht ihre Klientel“, mutmaßte der Beamte.
Der Prozess wird am Mittwoch in Celle fortgesetzt.