Wersabe. „Wir wollen den Schutz unserer Herde verbessern“, erklärt Wersabes Deichschäfer René Krüger kurz und bündig. Am Weserdeich wird gerade die jüngste Ergänzung des Herdenschutzkonzepts vorgestellt. Wie notwendig diese zusätzliche Schutzmaßnahme ist, haben Ende Mai die Ereignisse in der Nachbargemeinde Schwanewede gezeigt. Dort hat vermutlich ein Wolf an drei aufeinander folgenden Tagen Weidetiere angegriffen (wir berichteten). Nachdem ein Hobbyzüchter mehrere Tiere verloren hatte, folgte tags drauf ein Angriff auf eine Ziege. Am dritten Tag wurde ein Rind angefallen und schwer verletzt aus einem Graben gerettet.
Vorige Woche wollen Augenzeugen den Wolf zur Mittagszeit in Schwanewede bei der Jagd auf Pferde beobachtet haben. Verängstigte Halter haben ihre Pferde sicherheitshalber in den Stall gebracht. Zuletzt kam es in Wulsbüttel zu einem weiteren Zwischenfall (wir berichteten).
Wuchtig und wachsam
Am Deich sollen Übergriffe durch den Wolf künftig mit dem Einsatz von zwei großen Herdenschutzhunden verhindert werden. Dabei handelt es sich um ausgebildete Kangals, kräftige Hirtenhunde, deren Rasse aus Anatolien stammt. Auch der Geschäftsführer des Deichverbands Osterstader Marsch, Thomas Ströer, sowie Oberdeichgräfe Hans-Otto Hancken begrüßen den verstärkten Schutz für die tierischen Deichpfleger und hoffen, künftig keine Verluste in den Herden verzeichnen zu müssen.

Diese Kangals werden die Schafe am Deich künftig vor Wolfsangriffen schützen.
Während der Vorstellung können sich Teilnehmer und Gäste von der Aufmerksamkeit der sandfarbenen Hunde mit der schwarzen Maske überzeugen. Im Ruhezustand sind die Kangals kaum von liegenden Schafen zu unterscheiden. Als sich jedoch Radler nähern, kommt Bewegung in die etwa 50 Kilogramm schweren Tiere; durch tiefes Bellen machen sie auf ihre Anwesenheit aufmerksam. So plötzlich, wie der Kangal am Zaun aufgetaucht ist, so schnell beruhigt sich das wuchtige Tier auch wieder und legt sich mitten zwischen die Schafe.
Passanten sollten gewarnt sein
Schäfer und Deichverband haben sich zu der zusätzlichen Schutzmaßnahme durchgerungen, nachdem im November und Dezember 2021 erneute Schafsrisse durch den Wolf stattgefunden hatten. Seinerzeit kamen dabei etwa 60 Tiere ums Leben. Jetzt sollen die beiden Kangals – ein Rüde, eine Hündin – den wolligen Weidetieren zur Seite stehen. „Ich habe die beiden vorerst gemietet“, erzählt Deichschäfer Krüger und verweist auf einen gestellten Fördermittelantrag. Ein positiver Bescheid würde den Kauf eigener Herdenschutzhunde ermöglichen.
Das Bellen der Hütehunde gilt als Warnsignal. An Toren und markanten Punkten entlang der Deichlinie weisen Warnschilder auf den Einsatz der Kangals hin. Die gelben Tafeln raten Reitern und Radfahrern zum Absteigen; Hundebesitzern wird empfohlen, ihre Vierbeiner anzuleinen und zwei Meter Abstand vom Elektrozaun einzuhalten. Beim Auftauchen eines Kangals sollten Passanten nicht weglaufen, sondern sich gemessenen Schrittes entfernen. Natürlich ist das Überschreiten des Elektrozauns besonders gefährlich und daher auch ausdrücklich verboten.
Küstenschutz hat Vorrang
Ausschließlich für Notfälle enthalten die Schilder auch eine besondere Telefonnummer, unter der Deichschäfer Krüger zu erreichen ist. Nur er ist im Umgang mit den Herdenschutzhunden ausgebildet und in der Lage, sie zu führen. „Wir betreiben den Herdenschutz zwischen Wersabe und Rechtebe im Team mit zwei Hunden“, erklärt Krüger und setzt hinzu, mit der Veröffentlichung solle die Bevölkerung über die Veränderungen informiert werden.

Diese Schilder weisen Passanten auf die Arbeit der Herdenschutzhunde hin. Der Deichschäfer rät Einheimischen und Urlaubern dringend dazu, sich an die Ratschläge zu halten.
Der Deichverband sieht den Hundeeinsatz als Versuch eines erweiterten Herdenschutzes; bei erfolgreichem Verlauf würden weitere Hirtenhunde eingesetzt, kündigt Thomas Ströer an und wird deutlich: „Unsere Hauptaufgabe ist der Küstenschutz und nicht der Tourismus.“ Einheimische und Urlauber müssten daher mögliche Unannehmlichkeiten oder Einschränkungen in Kauf nehmen. Vom Hundeeinsatz ausgenommen ist, mit Rücksicht auf den Tourismus, einzig der Deichabschnitt am Sandstedter Hafen. Ströer und Hancken indes heben die Notwendigkeit einer Beweidung der Deiche durch Schafe hervor, „die mit ihren kleinen Hufen die Grasnarbe verdichten und das Hinterland gegen den ,blanken Hans' verteidigen“.
Auswertung im Herbst
In einer weiteren Informationsveranstaltung im Herbst sollen alle Verantwortlichen der Projektgruppe „Deich und Wolf“, das niedersächsische Umweltministerium, Deichverband, Schäfer und der Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz den Schutzhunde-Einsatz bewerten. Deichschäfer René Krüger ist ausgebildeter Hundeführer und durch Fortbildungen im Umgang mit vierbeinigen Schaf-Schützern geschult.
Er sagt, er beteilige sich gern an dem Pilotprojekt, um in Zukunft keine Wolfsübergriffe mehr erleben zu müssen. Zumal die Erhöhung des Knotengittergeflechts um drei Stromlitzen auf 1,5 Meter Höhe noch keine Sicherheit gebracht habe. Auf eine stromführende Litze im unteren Bereich wurde derzeit verzichtet, da der Zaun an einen Bordstein angrenzt und so ein Untergraben als ausgeschlossen gilt. Die Gesamtkosten der Maßnahmen im Bereich Osterstader Marsch belaufen sich auf 420.000 Euro.