Bruchhausen-Vilsen. Vor 50 Jahren – auf den Tag genau – ging aus der niedersächsischen Kommunalreform die Samtgemeinde Bruchhausen-Vilsen hervor. Nun, ein halbes Jahrhundert später, steht die Samtgemeinde, und damit auch ihre vier Mitgliedsgemeinden, vor einer wegweisenden Entscheidung: Bleibt sie eine Samtgemeinde oder geht sie, wie einige andere ehemalige Samtgemeinden in den vergangenen Jahren, den Weg hin zur Einheitsgemeinde?
In den 1960er-Jahren standen in Niedersachsen viele Kommunen vor großen wirtschaftlichen Herausforderungen. In Bruchhausen-Vilsen war dies nicht anders. Bevölkerungszahlen veränderten sich, die Anforderungen, denen sich die kommunalen Verwaltungen stellen mussten, wuchsen – und damit auch die monetären Belastungen der Gemeinden. Die Rufe nach der Notwendigkeit einer veränderten Aufteilung der Kommunen wurden laut.
Samtgemeinde übernimmt zentrale Aufgaben
Im Zuge dieser Gebietsreform wurden kleinere Gemeinden zu größeren Verwaltungseinheiten zusammengefasst. In dieser Zeit entstand auch die Samtgemeinde Bruchhausen-Vilsen – aus ehemals 23 selbstständigen Gemeinden wurden im Jahr 1974 die noch heute bestehenden Mitgliedsgemeinden Asendorf, Bruchhausen-Vilsen, Martfeld und Schwarme. Drei Jahre später wurde die noch junge Samtgemeinde dem neu gegründeten Landkreis Diepholz zugeschlagen.
In diesem Konstrukt der Samtgemeinde – dass es so nur in Niedersachsen gibt – bleiben die Mitgliedsgemeinden selbstständige Körperschaften, die weiterhin einen eigenen Kreis an Aufgaben selbstverantwortlich ausführen. Von den 939 Gemeinden in Niedersachsen waren zum 1. November 2021 650 Mitgliedsgemeinden von insgesamt 114 Samtgemeinden.
Zu den Aufgaben einer Samtgemeinde – so regelt es das niedersächsische Kommunalverfassungsgesetz – gehören unter anderem das Aufstellen von Flächennutzungsplänen, die Abwasserbeseitigung sowie das Friedhofs- und Feuerwehrwesen. Sie übernimmt zudem die Trägerschaft von Grundschulen, den Bau und die Unterhaltung von Gemeindeverbindungsstraßen, die Einrichtung und Unterhaltung von Büchereien und Sportstätten (soweit diese mehreren Mitgliedsgemeinden dienen) und kann weitere Aufgaben der Mitgliedsgemeinden übertragen bekommen; zum Beispiel den Bereich Tourismus.
Außerdem ist die Samtgemeinde dazu verpflichtet, ihre Mitgliedsgemeinden bei der Erfüllung ihrer Aufgaben zu unterstützen. Auch die Haushaltssatzungen der Mitgliedsgemeinden leitet die Samtgemeinde an die zuständige Kommunalaufsicht weiter.
Situation scheint sich zu wiederholen
Nun scheinen sich die wirtschaftlichen Herausforderungen, so wie sie in den 60er-Jahren bestanden, auf die ein oder andere Weise zu wiederholen. Mit den jüngst verabschiedeten Haushaltssatzungen für das aktuelle Jahr zeigt sich: Martfeld, Schwarme und Asendorf stehen noch auf recht soliden Beinen. Doch der Flecken und die Samtgemeinde Bruchhausen-Vilsen kommen jetzt mehr in finanzielle Bedrängnis. Kreditaufnahmen und damit verbundene Investitionen in Millionenhöhe stehen an, um grundlegende Infrastrukturen wie Bildung und ärztliche Versorgung zu erhalten.
Sollte sich die Samtgemeinde dazu entscheiden, eine Einheitsgemeinde zu werden, wäre sie mit dieser Entscheidung nicht allein. So ist beispielsweise die Gemeinde Walkenried im Landkreis Göttingen diesen Weg gegangen: Mit Gesetz im Juni 2016 wurde aus den Gemeinden Walkenried, Wieda und Zorge die neue Gemeinde Walkenried gebildet und zugleich die bisherige gleichnamige Samtgemeinde aufgelöst. Mit der Bildung der Einheitsgemeinde hatten die Verantwortlichen gehofft, den Weg in eine bessere finanzielle Zukunft beschreiten zu können. Die finale Lösung scheint dies aber nicht gewesen zu sein. Zwar ist das "dicke Loch", das prognostiziert war, nicht eingetreten, doch die mittelfristige Finanzplanung scheint alles andere als rosig. Die Gemeinde hat kaum noch finanziellen Spielraum.
Potenziale und Risiken
An diesem Beispiel zeigt sich: Die Bildung einer Einheitsgemeinde Bruchhausen-Vilsen kann die Situation der Gemeinde (kurzfristig) verbessern. Eine Heilsbringung muss sie aber nicht zwingend sein. Doch geht es in dieser Diskussion nur ums Geld? Zumal es auch Contra-Argumente gibt, die in dieser Diskussion nicht außer acht gelassen werden sollten: Insbesondere der mögliche Verlust lokaler Identität und die weitere Zentralisierung von Entscheidungsbefugnissen könnten auf Widerstand in der Bevölkerung stoßen. Bürokratisierung und der Verlust lokaler Kontrolle könnte zur Entfremdung führen.
Auf der anderen Seite stehen die Pro-Argumente: Eine Einheitsgemeinde könnte effizientere Verwaltungsstrukturen ermöglichen und Kosten senken, insbesondere angesichts der aktuellen finanziellen Herausforderungen der Samtgemeinde Bruchhausen-Vilsen. Die Vereinheitlichung der Verwaltung könnte zu einer besseren Ressourcennutzung führen und die Entscheidungsfindung vereinfachen. Zudem könnte eine stärkere politische Vertretung auf regionaler und überregionaler Ebene die Interessen der Gemeinde besser vertreten und den Zugang zu Ressourcen verbessern.
Insgesamt ist die Entscheidung, ob die Samtgemeinde Bruchhausen-Vilsen zur Einheitsgemeinde werden sollte, eine komplexe und weitreichende Angelegenheit, die sorgfältig abgewogen werden muss. Die finanzielle Lage der Samtgemeinde stellt zweifellos ein wichtiges Argument für eine mögliche Fusion dar. Aber: Es müssen auch die Auswirkungen auf lokale Identität, Bürgerbeteiligung und Verwaltungsstrukturen berücksichtigt werden. Ein Gutachten, das über die Potenziale und Risiken einer Zusammenführung der vier bisherigen Mitgliedsgemeinden Auskunft gibt, ist in Auftrag. Wichtig ist, dass in diesem Prozess die Bürger mitgenommen und informiert werden. Letztlich geht es in dieser Diskussion auch um ihre Interessen, Bedenken und Prioritäten.