Martfeld. Wenn es um erneuerbare Energien geht, dann sind hitzige Debatten in Martfeld gewiss. Das war auch am Dienstagabend nicht anders. Denn der Gemeinderat musste sich dem Thema Freiflächen-Fotovoltaik (FF-PV) annehmen, genauer: einem Kriterienkatalog, mit dem über den Bau solcher Anlagen entschieden werden soll. Dabei kamen nicht nur die Fraktionen zu Wort, sondern auch zahlreiche Bürger, die die Sitzung im Dorfgemeinschaftshaus verfolgten.
Warum muss sich Martfeld mit Freiflächen-Fotovoltaik auseinandersetzen?
"Will Martfeld das Weltklima retten? Nein, das wollen und werden wir nicht, aber wir wollen unseren Beitrag dazu leisten", mit diesen Worten eröffnete Gemeindebürgermeister Michael Albers (SPD) den Tagesordnungspunkt. Grund, sich in Martfeld mit dem Thema FF-PV zu beschäftigen, ist der Landkreis Diepholz. Wie berichtet, hat der Landkreis im vergangenen Jahr ein Gutachten erstellt, mit dem geeignete Flächen im Kreis für FF-PV ausfindig gemacht wurden. Als eine von vier Gemeinden ist dort Martfeld aufgelistet, mit einem Potenzial von rund 800 Hektar Fläche.
"Das erschreckt erst mal", sagte Albers. "Bei 3500 Hektar Gemeindefläche macht das fast ein Viertel aus." Erste Projektierer und Investoren hätten sich bereits gemeldet, und ihr Interesse an den Flächen bekundet. "Für uns steht aber fest: Wir wollen diese Größe nicht und wir wollen mitgestalten", kündigte der Bürgermeister an. Aus diesem Grund hat der Gemeinderat gemeinsam mit der Samtgemeinde einen Kriterienkatalog entwickelt. Der soll zum Einsatz kommen, wenn Anträge zum Bau vom FF-PV vorliegen und evaluiert werden müssen.
Welche Kriterien sollen angewandt werden?
"Die Gemeinde macht damit einen Spagat. Zum einen wollen wir Freiflächen-Fotovoltaik zulassen, zeitgleich aber auch die Natur und Anwohner möglichst wenig belasten", sagte Albers. Im Vorfeld hatten sich Rat und Verwaltung auf insgesamt sieben grundlegende Kriterien:
- Die Errichtung von FF-PV soll lediglich auf Flächen möglich sein, die innerhalb des Flächenpotenzialkatasters des Landkreises liegen.
- Es kommen nur Flächen in Betracht, die über eine Acker- beziehungsweise Grünflächenzahl von maximal 40 verfügen.
- Die Mindestgröße für FF-PV soll fünf Hektar betragen.
- Die maximale Größe soll bei 30 Hektar liegen.
- Der Zuwachs an FF-PV soll auf maximal 30 Hektar pro Kalenderjahr begrenzt werden.
- Pro Kalenderjahr sollen maximal zwei Bauleitverfahren für die Errichtung von FF-PV durchgeführt werden.
- Ein Mindestabstand zu großen Siedlungsgebieten soll nicht festgelegt werden. Stattdessen sollen Einzelfallentscheidungen gefällt werden.
Was die Verwaltung dazu sagt
Anders als bei Windkraft hätten Interessenten keinen Anspruch Rechtsanspruch darauf, ihre Fotovoltaik-Anlagen aufzustellen. Anders als Windkraft-Flächen seien solche für PV-Anlagen nicht privilegiert, erläuterte Gemeindedirektor Bernd Bormann. Jedoch müsse Martfeld ein Planungsrecht schaffen. Sowohl der Planungsausschuss als auch der Samtgemeindeausschuss hätten nicht öffentlich über die Kriterien beraten und sie zum Beschluss empfohlen.
Was sagen die Fraktionen zu den Kriterien
Die Grünen: "Es wäre angenehmer, wenn die Freiflächen-Fotovoltaik etwas dezentraler im Landkreis wären", sagte Marlies Plate. Insgesamt könne sie mit den Kriterien mitgehen, regte jedoch einen Zusatz an: Zehn Prozent der PV-Fläche muss ökologisch aufgewertet werden und mit einem Sichtschutz versehen werden.

So sind die Gebiete für FF-PV in Martfeld verteilt.
Die Unabhängigen Wähler: "Die Entscheidung des Landkreises hat uns vom Hocker gehauen", gab Torsten Tobeck hinsichtlich der Flächenanalyse zu. Aber die Beratungen hätten gezeigt, dass man der FF-PV "ein Stück weit Raum geben muss". Ein "Zukleistern der Gemeinde mit PV-Anlagen" könne er sich aber nicht vorstellen. Die Kriterien seien eine gute Entscheidungshilfe. Mit der "Gesamtsituation unzufrieden", zeigte sich in des Tobecks Fraktionskollege Arne Wolters. Größtenteils seien die Kriterien sinnvoll, sagte er, befand aber auch, dass es geeignetere Flächen als die im Kataster gebe. Außerdem befürchtete er, dass einige Dorfteile durch die FF-PV mehr belastet seien, als andere.
Die SPD: "Fotovoltaik gehört aufs Dach", war Burkhardt Radtke der Auffassung. Aber: "Wir haben eine Gesamtverantwortung." Innerhalb von Fraktion und Rat habe man kritisch über die Kriterien debattiert. "Wir machen heute den ersten Schritt und in zwei Jahren bewerten wir und schauen, wo man noch nacharbeiten kann."
Die CDU: "Große Bauchschmerzen" bereitete Verena Hruby die Grenze von 40 Bodenpunkte für infrage kommende Flächen. "Das ist bestes Ackerland. Diese Flächen müssen der Lebensmittelproduktion zur Verfügung stehen." Den vorliegenden Beschluss könne sie daher nicht mittragen.
Was die Einwohner dazu sagten
Von den zahlreichen Bürgern, die die Sitzung verfolgte, waren die meisten gegen ein Aufstellen von FF-PV-Anlagen im Gemeindegebiet. Einige gingen mit der Argumentation, dass durch das Aufstellen "bestes Ackerland" verloren ginge, da diese während der PV-Nutzung oder auch danach nicht mehr genutzt werden könnten. Andere kritisierten, dass die Gemeinde schon genug durch den Bau der Windparks belastet wäre. Es kam aber auch die Frage, ob nicht eine Akzeptanzabgabe in den Kriterienkatalog aufgenommen werden könne. Für Bormann sei dies keine Option: "Wenn ein Projektierer das freiwillig anbietet, dann bekommt sein Antrag mehr Punkte."
Es ging einigen Einwohnern in der Debatte aber auch darum, dass sie sich von der Politik nicht abgeholt fühlten und die Art und Weise, die Rat und Verwaltung mit dem Thema umgegangen seien, kritisierten. Oder auch: "Was passiert, wenn wir eine Einheitsgemeinde werden? Dann ist das doch alles hinfällig."
Es gab aber auch beschwichtigende Stimmen innerhalb des Publikums, nämlich von der Bürgerenergiegenossenschaft Dorfgemeinschaftenergie, sie sich erst jüngst gegründet hatte (wir berichteten) und ihren Sitz in Martfeld hat. "Ich nehme hier viele Ängste wahr", sagte Michael Krzikalla von der Genossenschaft. Er bot daher an, diese Unsicherheiten gemeinsam aufzuklären und diese so abzubauen. Ein Angebot, das bei einigen Einwohnern Zuspruch fand.
Welchen Beschluss der Rat schließlich fasste
Am Ende der Beratungen hatte der Gemeinderat die Kriterien, ergänzt durch den Vorschlag der Grünen, bei zwei Gegenstimmen und einer Enthaltung angenommen.