Martfeld. Windkraft in Martfeld – ein Thema, das seit Jahren immer wieder Konfliktpotenzial bietet. Am Dienstagabend war es nicht anders. Mehr als 100 Einwohner waren in das Dorfgemeinschaftshaus gekommen. Grund war die Sitzung des Gemeinderates. Auf der Tagesordnung stand die Vorstellung des Windparks Neue Weide. Vertreter der Investoren WPD aus Bremen und E3 aus Hamburg waren gekommen, um über ihre Pläne zu informieren und die Fragen der Bevölkerung zu beantworten. Dabei kam es im Verlauf der rund zweieinhalbstündigen Sitzung zu deutlichen Auseinandersetzungen.
Was soll im Windpark Neue Weide passieren?
Gleich in zweifacher Hinsicht soll sich in dem bestehenden Windpark etwas ändern. Über die Pläne informierten Torsten Bock von der WPD aus Bremen und Jasper Feininger von der E3 GmbH aus Hamburg. Stellvertretend für die Firma Westwind Energy aus Kirchdorf, die nicht anwesend war, gab der Samtgemeindebürgermeister Bernd Bormann die entsprechenden Informationen weiter. Zum einen plant WPD, acht Bestandsanlagen, die vor rund 20 Jahren aufgestellt wurden, abzubauen. Im Gegenzug will der Investor drei neue, moderne Anlagen aufstellen. "Es handelt sich dabei um ein klassisches Repowering-Projekt", sagt Jasper Feininger von dem Unternehmen E3, das zur WPD-Gruppe gehört. Zusätzlich plant die Firma Westwind Energy aus Kirchdorf, sechs zusätzliche Anlagen aufzustellen, also den Windpark zu erweitern. In beiden Fällen handelt es sich um Industriewindkraftanlagen der Multimegawattklasse von knapp 250 Metern. Die bestehenden fünf Windräder sollen weiterhin erhalten bleiben.
Welche Einwände haben die Bürger gegen die neuen Windkraftanlagen?
Um gegen den Bau der Industriewindanlagen vorzugehen, hat sich vor Kurzem die "Bürgerinitiative Windpark Martfeld" gegründet. Sie befürchtet, dass durch die Größe und den Standort der Anlagen die Auswirkungen von Lärm und Schattenschlag viel weiter in den Ort getragen werden und damit auch bisher in nicht betroffenen Bereichen der Gemeinde spürbar sein werden. Damit einher gingen der Wertverlust von Immobilien und eine sinkende Lebensqualität. Zudem kritisiert die Bürgerinitiative, dass der Gemeinderat auf Empfehlung der Verwaltung die Aufhebung des Bebauungsplans der Neuen Weide beschlossen hat. "Hierdurch verzichtet die Gemeinde auf alle Gestaltungs- und Einwirkungsmöglichkeiten und überlässt diese den Investoren und Projektleitern", teilt die Bürgerinitiative mit. Sie fordert daher, das Aufhebungsverfahren einzustellen und den bestehenden Bebauungsplan dem Flächennutzungsplan mit allen Gestaltungsmöglichkeiten anzupassen. Durch die finanzielle Unterstützung vieler Bürger konnte die Initiative bereits einen Rechtsanwalt beauftragen, der deren Interessen durchsetzen soll.
Welche Regelungen gibt es zur Höhenbegrenzung der Anlagen?
Hierauf konnte Bernd Bormann eine Antwort geben. Geregelt werde die Höhe von Windkraftanlagen durch verschiedene Vorgaben. Das Landesraumordnungsprogramm besagt, dass in "Vorrang- und Eignungsgebieten" Höhenbegrenzungen nicht festgelegt werden sollen. Ähnliches sieht auch das Windenergieflächenbedarfsgesetz (WindBG) vor. Und auch der Bebauungsplan begründet die fehlende Notwendigkeit einer Begrenzung, da im benachbarten Hoyerhagen bereits Anlagen mit mehr als 200 Metern Höhe stehen.
Welche Abstände zur Wohnbebauung liegen vor?
"Im Flächennutzungsplan der Samtgemeinde sind Tabuzonen von 400 Metern beziehungsweise 600 Metern festgelegt", sagt Gemeindedirektor Bernd Bormann. Mit den Betreibern der Windenergieanlage konnte die Samtgemeinde jedoch einen Abstand von rund 750 Metern aushandeln.

Die Planungen zum Windpark Neue Weide stellten Jasper Feininger (E3 GmbH) und Torsten Bock (WPD GmbH) vor.
Wie sind die neuen Windanlagen ausgestattet?
Die Anlagen, die von WPD beziehungsweise E3 aufgestellt werden sollen, verfügen laut Jasper Feininger über eine Leistung von 5,6 Megawatt und eine Höhe von 246 Metern. "Die Rotordrehzahl liegt zwischen 4,5 und zehn Umdrehungen pro Minute." Der Rotordurchmesser liegt bei 166 Metern. Erwartet wird ein Energieertrag von 15 Millionen Kilowattstunden pro Anlage pro Jahr.
Was passiert mit den Fundamenten der abzubauenden Anlagen?
Eine Frage, die am Dienstagabend häufiger thematisiert wurde und aus Sicht verschiedener Perspektiven relevant wurde. Aufgrund ihrer Größe sind die Windkraftanlagen mehrere Meter tief im Boden mit Beton verankert. "Etwa drei Meter tief werden sie im Boden gekappt und entsorgt", erklärte Feininger. Ein Teil des Betons verbleibe aber im Boden. Auf Nachfrage sagte er weiter, dass sich Anwohner, die Schäden an ihrem Haus im Zusammenhang mit dem Rückbau vermuten, mit dem Investor in Verbindung setzen können.
Gibt es Speicheranlagen für den erzeugten Strom?
Die Bürgerinitiative fordert, dass Teile des erzeugten Stroms in Martfeld verbleiben oder den Bürgern ein günstiger Stromtarif angeboten wird. Auf die Frage, warum keine Speichermodule im Windpark aufstellt werden, argumentierten die Projektierer mit der Wirtschaftlichkeit. Es sei eine Entscheidung der jeweiligen Geschäftsführung, für die Unternehmen lohne sich so etwas meist nicht. Der Wunsch nach einem günstigeren Stromtarif sei nachvollziehbar, ließe sich aber vonseiten der Investoren aber nicht ohne Weiteres realisieren.
Wird es Akzeptanzzahlungen oder Entschädigungen geben?
Die Zahlung entsprechender Gelder liegt im Ermessen der Investoren. Für die Firma Westwind konnte Samtgemeindebürgermeister Bernd Bormann ausrichten, dass das Unternehmen keine Zahlungen leisten werde und es sich ohnehin um eine freiwillige Zahlung handele. Entsprechende Ersatzzahlungen gehen laut Bormann hingegen direkt an den Landkreis. Torsten Bock von der WPD kündigte an, den Wunsch, Anreize für eine Akzeptanz zu schaffen, mit in die weitere Planung zu nehmen. "Heute können wir aber hier nichts beschließen."
Zu welchem Fazit kamen die Beteiligten?
Die Bürger machten deutlich, dass sie sich unverstanden und den ganzen Planungsprozess hinweg "nicht abgeholt" fühlten. Den Projektierern warfen sie kein Entgegenkommen vor. Kritik gab es auch in Richtung des Ratstisches, dass die Gemeinde nicht genug getan hätte. Bürgermeister Michael Albers stritt dies jedoch ab: "Aus unserer Sicht haben wir alles besprochen und getan, was in unserem Rahmen liegt. Man kann uns nicht vorwerfen, dass wir nichts getan haben." Auch Gemeindedirektor Bernd Bormann betonte, dass für Gemeinde und Verwaltung nur eine begrenzte rechtliche Handhabe vorläge: "Wir müssen uns an die Vorgaben des Bundesgesetzgebers halten."