Martfeld. Wenn mehr Bürger als Ratsmitglieder einer Ratssitzung beiwohnen, bedeutet das meist: Es geht um ein brisantes Thema. Auf der Sitzung des Martfelder Gemeinderates am Donnerstagabend war dies der Fall. Das Sondergebiet "Windpark – Neue Weide" stand einmal mehr auf der Tagesordnung und sorgte für reichlich Diskussionsbedarf bereits in der Einwohnerfragestunde.
Womit befasste sich der Tagesordnungspunkt?
Die Gemeinde Martfeld möchte mit der Aufhebung des Bebauungsplans Nr. 16 "Sondergebiet Windpark – Neue Weide" die rechtlichen Voraussetzungen für die Aufstellung von moderneren Windkraftanlagen schaffen, sogenanntes Repowering. Damit könne die Fläche für das Erzeugen von Windenergie optimal ausgenutzt werden, sagte Gemeindedirektor Bernd Bormann. Dafür ist ein Aufhebungsbeschluss notwendig. Im Zuge des Verfahrens wurde der Plan ausgelegt. "Stellungnahmen aus der Öffentlichkeit sind nicht eingegangen", erläuterte Bormann weiter. Vonseiten der Träger öffentlicher Belange seien größtenteils nur Kenntnisnahmen eingegangen, jedoch keine Einwände. Um das Bauleitverfahren fortführen zu können, sind die Stellungnahmen abzuwägen und der Auslegungsbeschluss zu fassen. "Hier haben die Bürger erneut die Möglichkeit, ihre Einwände darzulegen", erläuterte Martfeld Bürgermeister Michael Albers.
Warum sahen viele Bürger diesen Punkt kritisch?
Bereits in der ersten Einwohnerfragestunde gab es vonseiten der anwesenden Einwohner reichlich Gesprächsbedarf hierzu. Unter anderem kritisierten sie, dass erst im Dezember 2021 ein Beschluss zur Vergrößerung des Gebietes gefasst worden sei (wir berichteten). Im Dezember 2020 beschloss der Rat den Start des Aufhebungsverfahrens (wir berichteten). Die Begründung: Um die Einschränkungen für die Zulässigkeit der Anlagen möglichst gering zu halten und den B-Plan nicht regelmäßig dem aktuellen Stand der Technik anpassen zu müssen, soll die zukünftige Zulässigkeit der Windenergieanlagen in den jeweiligen Genehmigungsverfahren nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz auf Grundlage des Baugesetzbuchs entschieden werden. Damals regten Bürger eine Informationsveranstaltung an. "Da warten wir immer noch drauf", hieß es aus dem Plenum.
Weiterhin warfen einige Einwohner den Entscheidungsträgern fehlende Transparenz vor. "Seit drei Jahren gibt es keine Informationen dazu. Es ist unser gutes Recht, zu fahren, was geplant ist. Es ist unmöglich, wie sich der Rat verhält." Auch, dass weder Gemeinde noch Verwaltung den Namen des Investors nennen konnten – aus Datenschutzgründen – sorgte für reichlich Unmut.
Und so manche fühlten sich von den Ratsmitgliedern einfach unverstanden. So sagte ein Zuschauer bezüglich: "Ich vermisse es, dass der Rat mit den Bürgern spricht, um eine gewisse Sensibilität zu erzeugen. Man bekommt das Gefühl, dass die Interessen der Bürger nicht vertreten werden." Er wünsche sich, dass die Ratsmitglieder vor Ort die Auswirkungen der Windräder, etwa hinsichtlich des Lärms oder des Schattenwurfes, selbst begutachten.
Schließlich ging es den Kritikern auch um das Finanzielle. Der Vorwurf: Die Samtgemeinde versuche die Vergrößerung des Windparks durchzudrücken, um die Akzeptanzabgabe der Investoren zu kassieren. Gut eine dreiviertel Stunde dauerte die hitzige Debatte an.
Wie reagierten Rat und Verwaltung auf die Vorwürfe?
Bürgermeister Michael Albers und Gemeindedirektor Bernd Bormann hatten in vielerlei Hinsicht Verständnis für die Besorgnisse der Bürger, warben aber auch gleichzeitig um ein solches.
"Der Bebauungsplan wurde damals nach bestem Gewissen so beschlossen", sagte Albers. Viele Diskussionen seien in den öffentlichen Ratssitzungen geführt worden, die Einwohner hätten reichlich Gelegenheit gehabt, sich einzubringen. "Es bringt nichts, wenn wir etwas beschließen, was rechtlich keinen Bestand hat."
Der Gemeindedirektor ergänzte: "Die Aufhebung ist das gute Recht des Rates." Die Rahmenbedingungen werden vom Landkreis vorgegeben und geprüft. Auch den Vorwurf hinsichtlich der Akzeptanzabgabe wies er von sich: "Die Samtgemeinde hat da gar nichts von. Die Abgabe ist standortgebunden und fließt komplett nach Martfeld." Persönlich könne er auch verstehen, dass sich die Bewohner am Rande des Windparks durch die Anlagen gestört fühlen, aber: "Die subjektive Betroffenheit ist etwas anders als die gesetzliche Betroffenheit." Daran könnten weder Gemeinde noch Samtgemeinde etwas ändern.
Wie fiel der Beschluss aus?
So ausführlich die Diskussion war, desto kürzer waren die Beratungen zum Tagesordnungspunkt selbst. Einstimmig beschloss der Rat die Aufhebung des Bauplans mit gleichzeitiger öffentlicher Auslegung.