Stuhr. An vielen Orten ist es schon zu sehen: Der Frühling steht vor der Tür. Die Bäume bekommen ihre ersten Knospen, Krokusse und Osterglocken blühen. Damit dieses Naturschauspiel auch in den Stuhrer Gärten ankommt, hat sich die Gemeinde Stuhr vor drei Jahren an einem Projekt der damaligen Win-Region, bestehend aus den Gemeinden Stuhr und Weyhe sowie den Städten Syke, Bassum und Twistringen, beteiligt und ehrenamtliche Stellen für Naturgarten- und Insektenbeauftragte geschaffen. Nach einer kurzen Vakanz ist das Trio wieder komplett. Nach dem Ausscheiden von Gerold Leschke komplettiert Tina Maibach aus Groß Mackenstedt jetzt das Team um Reinhild Olma aus Fahrenhorst und Michaela Werner aus Neukrug. Ihr gemeinsames Ziel: Die Artenvielfalt in der Gemeinde fördern und schützen.
Im Zentrum des im Jahr 2021 gestarteten Projektes steht die Beratung der Einwohner. "Die Berater sollen für die naturnahe Gestaltung von Gärten werben", erklärt Stuhrs Umweltbeauftragter Marc Plitzko. Er betont, dass sich die Bezeichnung sowohl auf den Naturgarten als auch auf Insekten bezieht. "Gerade Gärten sind für Insekten wichtige Lebensräume und Refugien", sagt Plitzko mit Blick auf das zunehmende Insektensterben. Diesen Bereich sieht auch Reinhild Olma als "großes Problem". Für einen Großteil der Bevölkerung seien "Insekten Wespen", sagt sie über die Wahrnehmung. Viele Anrufe bei ihr würden sich daher auch um die Entfernung von Wespennestern drehen. "Dafür sind wir aber nicht zuständig", sagt Olma. Für diese Fälle gebe es spezielle Wespenbeauftragte im Landkreis Diepholz.
"Es ist wichtig, die Leute da abzuholen, wo sie stehen. Wir müssen erstmal die Fragen hören, um dann herauszuhören, was die Leute möchten", sagt Olma über die Aufgabe des Trios. Im vergangenen Jahr haben Olma um die 20 Anfragen erreicht, Michaela Werner berichtet von "wenig Anfragen", oft sei es dabei um Nachbarschaftsstreitigkeiten gegangen, was auch nicht in den Aufgabenbereich der Naturgarten- und Insektenbeauftragten fällt. Werner kann aber auch über einen Fall berichten, bei dem eine Tochter das Haus und den alten Garten ihrer Eltern übernommen hatte und diesen umgestalten wollte. "Das war ein richtig schöner alter Garten", sagt Werner. Sie habe dann eine Vorschlagsliste mit Pflanzen herausgegeben, die sich für den Garten eignen könnten.
Auch Reinhild Olma war unterwegs. Sie erzählt von einer Beratung bei älteren Menschen, die sich eine Blumenwiese für ihren Garten wünschten. "Blumenwiesen sind die Königsdisziplin. Das ist eine große Herausforderung", sagt Olma. Es gehe nicht nur darum, Samen auf die eine Wiese zu streuen. Für ältere Menschen könnte das schon zu viel werden. "Da muss man dann sehr sensibel mit umgehen", sagt Olma.
Oft würden auch Leute Rat einholen, was an welchen Standort gepflanzt werden kann. "Das Wissen ist sehr unterschiedlich, aber das Interesse ist groß", sagt Reinhild Olma über die Gespräche. "Manche Menschen wundern sich, dass sie keine Insekten im Garten haben", berichtet Michaela Werner. Schon mit kleinen Dingen wie Blumenzwiebeln, Thymian oder wachsenden Brennnesseln könnte dies aber geändert werden. "Ich bin damals angetreten, um das Insektensterben aufzuhalten. Wir wollen zeigen, dass ein naturnaher Garten ein Booster sein kann", fasst Olma zusammen.
Neu im Team mit Olma und Werner ist seit Kurzem nun Tina Maibach. Die 39-Jährige ist vor zwei Jahren aus Bremen nach Groß Mackenstedt gezogen und hat dort einen eigenen Garten, den sie auch gerade nach und nach umgestaltet. "Ich wollte ein bisschen ländlicher wohnen", sagt Maibach, die ursprünglich aus Berlin kommt und bei einem Tochterunternehmen von Radio Bremen arbeitet. Im Januar 2023 habe sie einen Aufruf des Stuhrer Nabu gesehen, dass Helfer zum Schneiden der Kopfweiden am Kuhteichweg in Heiligenrode gesucht wurden. Daran habe sie sich beteiligt. Anschließend habe sie dann auch an den regelmäßigen Treffen des Nabu teilgenommen. Dort erfuhr Maibach dann, dass ein Platz bei den Naturgarten- und Insektenbeauftragten frei wurde. Da habe sie sich gleich gemeldet, erzählt Maibach. "Die kleinsten Lebewesen werden oft übersehen", sagt sie über die Insekten und ergänzt: "Ich wollte Naturschutz vor der eigenen Haustür gestalten." Für sie sei ein "naturnaher Garten ein Refugium für alle Lebewesen". "Nicht nur für mich als Mensch", betont Maibach.
In ihrem Garten in Groß Mackenstedt habe sie begonnen, ein neues Beet anzulegen und Steine und Bambuspflanzen zu entfernen. "Ich habe auch damit angefangen, ein Stück meines Rasens stehen zu lassen", sagt sie. Das habe den Vorteil, dass sich dort Insekten zurückziehen konnten und sie nicht mehr so viel mähen müsse, sagt Maibach über die "Win-Win-Situation". "Da kommen Gräser hoch, die man sonst nicht bewusst wahrnimmt", berichtet sie weiter. Außerdem legte sie Hochbeete für Gemüse an. Auch dort pflanzte sie aber Wildblumen mit an.
Viele in ihrem Alter wünschten sich zwar einen Garten, hätten aber wenig Zeit dafür, sagt Maibach. Deshalb empfiehlt sie kleine Schritte. "Ich habe zum Beispiel einen Pflaumenbaum und ein paar Obstgehölze gesetzt", berichtet sie weiter.
Das unterstützt auch Marc Plitzko: "Die Gärten in Deutschland sind ungefähr so groß wie die Naturschutzgebiete. Das zeigt, was für ein Potenzial in den Gärten liegt." Selbst Gemüsegärten könnten Lebensraum sein, wenn sie extensiv gepflegt werden. "Jeder Bereich des Gartens lässt sich naturnah umgestalten", sagt er und Reinhild Olma ergänzt: "Mein Vater hat immer gesagt: Es muss immer etwas blühen."
Das große Negativbeispiel seien daher Schottergärten. "Viele denken, dass diese einfacher sind. Aber das meiste Unkraut kommt nicht von unten, sondern von oben", sagt Tina Maibach. Auch würden die Steine nach wenigen Jahren schon unansehnlich aussehen. "Es muss immer auch eine wilde Ecke geben", findet Reinhild Olma. "Es gibt immer auch Alternativen", sagt Michaela Werner, die sich gemeinsam mit Tina Maibach vor Kurzem auch zum Thema Blumenwiesen weiterbilden ließ und auch viel Fachliteratur zum Ausleihen vorrätig hat.
Aktuell sei die Zeit, um Stauden zu Pflanzen, sagt Marc Plitzko. Für Bäume sei die beste Pflanzzeit im Herbst. "Bis Mitte April geht es aber auch noch", sagt der Stuhrer Umweltbeauftragte. Im Herbst könnten dann auch Blumenzwiebeln gesetzt werden, gibt Michaela Werner als Tipp.