Herr Bockhop, wann ist Ihr letzter Arbeitstag?
Cord Bockhop: Tatsächlich am 30. Juni, dann bin ich beim Abschluss des Kreisjugendfeuerwehr-Zeltlagers. Eigentlich habe ich noch zwei Tage Urlaub, aber dann gehe ich doch noch einmal wieder in den Dienst am Sonntag. Da überbringe ich aber nur Grüße und sage Tschüss.
Was werden Sie als erstes tun, wenn Ihre Zeit hier als Landrat jetzt endet?
Am nächsten Tag, dem 1. Juli, geht es um 9 Uhr gleich los, und nicht mal in Hannover, sondern in Berlin bei einer Aufsichtsratssitzung. Ich kann mich erst am Dienstag in Hannover den neuen Mitarbeitern im Sparkassenverband zeigen.
Freuen Sie sich darauf oder scheiden Sie auch mit ein bisschen Wehmut aus dem Amt?
Für Wehmut war Zeit beim Abschiedsempfang nach der letzten Kreistagssitzung, jetzt nicht mehr. Aber es fällt mir schon schwer, zu gehen, weil das Kommunale wirklich mein Ding ist und war. Da habe ich das Glück gehabt, genau die richtige Ausbildung zu haben. Schon als Bürgermeister in Stuhr und davor als Kämmerer in Lohne habe ich die Chance bekommen, genau das machen zu dürfen. Alles hat gepasst, und das hat mich glücklich gemacht. Meine Frau hat das auch unterstützt. Und trotzdem wollte ich gern noch mal etwas anderes machen. Immer so nach spätestens zehn Jahren ziehe ich innerlich Bilanz: Habe ich das umgesetzt, was ich machen möchte? War das gut? Und wenn da Dinge waren, die ich nicht angepackt habe, frage ich mich: Sollte die vielleicht jemand anderes machen? Das war so, als ich Bürgermeister in Stuhr war, und war jetzt als Landrat auch so. Gleichzeitig stellte ich mir die Frage, ob ich 2026 noch mal antreten will, nach meiner regulären zweiten Amtszeit. Ich hätte mir das auch gut vorstellen können. Aber ich wollte, wie gesagt, gern noch einmal etwas anderes machen. Und dann muss man auch gucken, was bietet sich mit Mitte 50 noch an? Und was passt familiär? Aber in diesem Jahr gehen unsere Kinder aus dem Haus, es ist der richtige Zeitpunkt. Ich freue mich auf die neue Aufgabe.
Sie haben Ihren ersten Arbeitstag als Landrat im Jahr 2011 erwähnt, als Sie als erste Amtshandlung die letzte Geburtenstation im Landkreis schließen mussten. Wie sehr hat Sie das geprägt?
Das war eine Katastrophe, so etwas wünscht man sich nicht. Wenn man sich auf die neue Aufgabe freut und weiß, dass man eine breite politische Mehrheit hinter sich hat und eine tolle Verwaltung, und dann das – das vergisst man auch nicht. Mein Vorgänger Gerd Stötzel hatte mich fairerweise vorgewarnt. Insbesondere mit den Landfrauen habe ich später viel darüber gesprochen, was die Schließung gerade für Frauen bedeutet. Überhaupt ist das Thema Krankenhaus ja etwas, was die Menschen stark beschäftigt. Schon in meinem Wahlkampf hatte ich ja gesagt, dass es da wohl in die Richtung Zentralkrankenhaus gehen würde und dass es Konsequenzen haben wird, nämlich irgendwann Krankenhäuser schließen zu müssen. Was haben wir nicht alles probiert: versucht, eines nur zu schließen und zwei zu erhalten. Dabei hat jeder gehofft, dass es das Krankenhaus der anderen trifft und nicht das eigene.
Was war das schönste Erlebnis, an das Sie sich erinnern?
Das Schönste war wirklich der Beschluss zur Schließung der drei Krankenhäuser. Weil eine Schließung ja etwas Negatives ist, muss ich das erklären, denn erst damit konnte der Beschluss für den Neubau des Zentralklinikums fallen. Das ist ein riesiger Kraftakt gewesen und ein Vertrauensbeweis. Ein riesiger Beweis dafür, dass Kommunalpolitiker Verantwortung übernehmen und nicht Kirchturmdenken machen. Damit verbunden war also der Beschluss für den Neubau des Zentralklinikums mit Geburtshilfe. Aber diesen Neubau gibt es nur mit der Schließung der drei Krankenhäuser. Dass das so schnell funktioniert hat, dafür haben wir ja Anlauf genommen. Die Entscheidung, die wir 2019 getroffen haben, war dann eine echte Anerkennung und ein großes Glücksgefühl. Denn es sollte keine Gewinner und keine Verlierer geben. Gemeinsam schließen wir, und gemeinsam bauen wir neu. Wir müssen uns vor Augen führen, dass es in Zukunft immer weniger Krankenhäuser in der Fläche geben wird. Wir sind aber die Gewinner, wir haben eines. Wir wollen ja auch noch eine Kinderklinik angliedern. Zumindest für die nächste Generation haben wir eines. Was in 25 oder 30 Jahren im Bereich der medizinischen Versorgung ist, weiß niemand.
Und was hat Sie am meisten genervt?
Anonyme E-Mails, die mich oder meine Mitarbeiter beleidigen und als unehrlich oder als Idioten bezeichnen. Ich habe dieses Geschäft immer mit Herzblut und immer ehrlich gemacht, ich und die gesamte Verwaltung. Wenn etwas schiefgelaufen ist, dann habe ich oder haben wir immer informiert. Und nicht nächstes Jahr, sondern zeitnah, möglichst heute oder morgen. Oder wenn in E-Mails unterstellt wird, „ihr lügt doch sowieso“ und ich oder wir würden versuchen, etwas zu vertuschen. Dieses Misstrauen gegenüber den Mitarbeitern im Kreishaus finde ich schlimm. Natürlich sind wir nicht perfekt. Manchmal werden auch Fehler gemacht. Aber wenn unterstellt wird, wir würden betrügen, wären faul und überbezahlt oder würden uns etwas in die eigene Tasche stecken, das verletzt nicht nur mich, sondern das ist auch verletzend für alle Mitarbeiter und auch für den Kreistag, der ehrenamtlich arbeitet. Wir sind gemeinsam die kommunale Selbstverwaltung und machen das gemeinsam nach bestem Wissen und Gewissen. Solche anonymen Vorwürfe kamen schon immer, aber sie werden mittlerweile immer heftiger. Eine Anzeige pro Monat gebe ich durchschnittlich raus wegen Beleidigung von Mitarbeitern.
Was waren die größten Herausforderungen in Ihrer Amtszeit?
Die Herausforderungen sind insgesamt größer geworden. Zu allem, was an uns herangetragen worden ist in den vergangenen Jahren – Krankenhaus- und Gesundheitsreform, Flüchtlinge, Corona-Pandemie, Hochwasser – wird es auch immer mehr vonseiten des Landes und des Bundes. Wir sind am Ende des Tages die ausführende Ebene. Gut, dass wir es hier dezentral machen: Wenn mal eine Kommune nicht so stark ist, helfen wir untereinander. Der Landkreistag fordert aktuell berechtigterweise eine Politik des Machbaren. Denn immer mehr zu wollen, das führt zu Verdrossenheit, wenn man es nicht schaffen kann. Ein Beispiel ist die Forderung nach der dritten Kraft in Kindertagesgruppen. Wir suchen aktuell gerade die zweite. Wie kann man in so einer Zeit die dritte versprechen? Das führt zu Enttäuschung bei Eltern und Mitarbeitern. Für mich gibt es zwei Arten von Projekten: Die, die ich umsetzen kann, die ziehen wir durch. Und Projekte, die ich nicht umsetzen kann, lasse ich liegen. Vielleicht kommt später mal jemand, der es umsetzen kann, vielleicht ist die Zeit noch nicht reif. Wir hätten auch 2011 schon über den Neubau des Krankenhauses sprechen können, aber da waren wir noch nicht so weit. Die Erfindung des Farbfernsehers in der Steinzeit hätte auch nicht funktioniert. Aber wenn ich merke, dass die Zeit reif ist für ein Projekt, informiere ich gern alle frühzeitig. Wenn dann die ersten Reaktionen kommen, aber das Projekt doch noch auf breite Ablehnung stößt und ich die Politik nicht dabeihabe, oder wenn meine Fachleute aus dem Haus ablehnen und das Geld vielleicht auch noch fehlt – warum soll ich dann das Projekt weiterverfolgen? Dann packe ich es beiseite und dann machen wir das, was wir können. Moor zum Beispiel ist etwas, was wir können. Und das machen wir auch und schützen damit nebenbei das Klima.
Was heißt das? Gibt es da etwas, was Sie gern noch geschafft hätten?
Das Thema Moor hätte ich gerne noch vertieft – in einem ganz harten Ringen mit der Landes- und Bundesregierung. Da können wir als Landkreis ganz viel bieten. Denn wenn das Land möchte, dass wir das Moor wieder vernässen, um das Klima zu schützen, dann müsste dafür ein Ausgleich kommen, und es könnte dafür auch mal ein bisschen Geld auf den Tisch gelegt werden. Das Moor gehört ja nicht dem Landkreis, sondern da wohnen viele Menschen, die in und mit dem Moor leben. Das sind die Letzten, die ans Breitband angeschlossen werden, wenn noch Geld da ist, und die mit den schlechtesten ÖPNV-Busverbindungen. Wenn die Landwirte jetzt auch das Moor nicht mehr bewirtschaften dürfen, dann müssen sie zumindest Dankbarkeit erfahren und einen Ausgleich an Lebensqualität. Vielleicht muss auch mal ein Haus rausgekauft werden aus dem Moor, und Wege, die dort häufiger kaputt gehen, müssten gemacht werden. Auf jeden Fall müsste dort auch noch jeder bis zur letzten Milchkanne schnelles Internet bekommen. Gleiche Lebensverhältnisse in Stadt und Land werden wir nicht hinkriegen, aber zumindest einen Ausgleich müssen wir dem ländlichen Raum gewähren. Das hätte ich gerne noch vorangetrieben und gefragt: Wir haben hier fast 3000 Hektar Moor, die torfen wir nicht ab, die können wir wieder vernässen und damit CO2 einsparen; was gibt es dafür?
Als Sie im Jahr 2011 als Landrat antraten, wurden Sie von CDU, SPD und Grünen unterstützt. Jetzt schickt jede Partei einen eigenen Kandidaten ins Feld. Was glauben Sie, warum?
Ich hatte damals ja einen anderen Werdegang: Ich habe als Bürgermeister angefangen und wurde bei der Wiederwahl von allen unterstützt. Danach konnte ich glaubhaft machen, dass ich auch ein Landrat für alle sein kann. Jetzt ist die Situation eine andere, weil die Kandidaten jeder eine andere Vita haben. Man muss in der kommunalen Selbstverwaltung nicht unbedingt mehrere Kandidaten haben, das ist kein Drama. Auch das ist Demokratie. Bei mehreren Kandidaten wird natürlich eine Stichwahl wahrscheinlicher.
Landrat zu sein, das scheint immer noch von Männern geprägt. Was sagen Sie dazu, dass als Ihre Nachfolger nun auch zwei Frauen in den Wahlkampf ziehen?
Auffällig ist, dass tatsächlich mehr männliche Kandidaten überall da sind. Aber auch da, wo Frauen kandidieren, wird trotzdem entsprechend gewählt. Es findet aber eine Entwicklung statt. Die ist zwar zu langsam, aber auch wir unterstützen Frauen in Führungspositionen in der Verwaltung. Von vier Kreisräten sind zwei weiblich. Auch bei den Teamleitungen sind die Frauen auf dem Vormarsch.
Sie haben mal angedeutet, dass Sie als Sparkassenpräsident ein bisschen mehr Freizeit an den Wochenenden haben werden als bisher. Was wollen Sie dann am liebsten machen?
So ein richtiges Hobby habe ich nicht, dafür war keine Zeit. Ab und zu mal gehe ich in den Garten, ich habe da nur ein ganz kleines Hochbeet. Wir bleiben ja in Heiligenrode wohnen, ich habe aber auch eine Wohnung in Hannover gefunden. Seit einiger Zeit gehen meine Frau und ich gern Tanzen – zusammen – und machen Yoga – getrennt in Männer- und Frauengruppen. Was ich unbedingt gerne wieder anfangen möchte, ist mehr zu lesen. Und zwar keine Fachliteratur oder was Oberflächliches für den Strand, sondern ein Buch Stück für Stück durchlesen zu können, das mich spontan interessiert. Auch ein bisschen mehr Sport und Bewegung für die Gesundheit würde ich mir gerne gönnen.
Das Interview führte Sabine Lüers-Grulke.