Den Start der Partie hatte sich Ingmar Peters genauso vorgestellt: In der ersten Spielminute brachte der Stürmer den FC Hude im Bezirksliga-Heimspiel gegen den TuS Heidkrug in Führung. Am Ende der Partie stand jedoch eine bittere 1:4-Niederlage. Dass Peters in dem Spiel auflief, ist alles andere als selbstverständlich. Denn Hude und seinen Wohnort trennen mehr als 1800 Kilometer Luftlinie. Der Angreifer ist nach Bulgarien gezogen. Seit Oktober wohnt er in Varna, einer Hafenstadt am Schwarzen Meer, unweit des touristischen Goldstrandes. Wenn Peters dabei ist, spielt er von Anfang an. Der 22-Jährige ist ein Eckpfeiler des Teams. Das belegen neun Tore in den neun Ligapartien, in denen Hudes Akteur mit der Trikotnummer zehn in dieser Saison mit an Bord war.
Beim VfB Oldenburg ausgebildet
Eigentlich ist der Wahlbulgare ein norddeutscher Junge – „voll das Stadtkind“, wie er selbst sagt. Der Offensivspieler kommt aus Oldenburg und ging dort beim VfB seine ersten fußballerischen Schritte. Auch sein Abitur schloss er in der kreisfreien Stadt ab. Anschließend entschied er sich für ein Freiwilliges Soziales Jahr und machte eine Ausbildung als technischer Assistent im Bereich der Anästhesie. Fußballerisch war Peters bis 2019 für die Herren des TuS Eversten im Einsatz, dann ging er nach Hude. Zwei Jahre nach seinem Wechsel hat der Sportler nun ein Studium begonnen. Für ihn war klar: Medizin möchte er studieren. „Das wäre relativ schwer geworden auf normalem Wege“, erklärt Peters. Aufgrund seiner mittelmäßigen Abitur-Note wäre einige Zeit vergangen, bis er das Studium in Deutschland hätte aufnehmen können.
Also kam mit Bulgarien ein Plan B ins Spiel. Er stellte sich einem Aufnahmetest. Im Mai teilte die Uni mit: Er darf sein Studium beginnen. Ende September begann der neue Lebensabschnitt. Wenige Tage vorher hatte der Offensivspieler noch einen Treffer zu Hudes 3:2-Hinspielerfolg beim TuS Heidkrug beigesteuert. „Ich habe das sehr genossen“, blickt er zurück. Seit Anfang Oktober studiert Peters nun in einer anderen Ecke des Kontinents und fühlt sich total wohl. Beim Uni-Fußballteam trainiert er zweimal in der Woche mit, in Spielen ist die Mannschaft aufgrund der Pandemie aktuell nicht im Einsatz. Manchmal bolzt Peters auch mit einem Hobbyteam – „zum Spaß, aber auf recht hohem Niveau“. Zudem geht er viermal pro Woche ins Fitnessstudio und zweimal laufen. Er betont: „Ich mache jeden Tag Sport.“
Das gefällt Hudes Trainer Nikolai Klein. Er informiert sich regelmäßig über Peters' Fitness und Wohlbefinden. Terminliches wurde bis zur aktuellen Corona-Unterbrechung der Bezirksliga ebenso besprochen – auch mit dem Sportlichen Leiter Ralf Buß. „Nikolai und Ralf fragten, ob ich es einrichten kann, zu diesem oder jenem Spiel zu kommen“, schildert der Goalgetter. Er kam gerne, denn der 1,87-Mann fühlt sich von beiden wertgeschätzt und im Team super aufgehoben. Einige seiner besten Freunde sind Mannschaftskollegen. „Das sind die Dinge, die es mir leicht machen, der Mannschaft zu helfen.“ Wenn er sich für einen Einsatz in der Heimat entschied, wurde er vom Verein sehr unterstützt – vor allem von Buß. „Sie holten mich vom Flughafen ab und organisierten viel für mich.“
Vor der Niederlage gegen Heidkrug stand er seit dem Beginn seines Studiums zweimal für Hude auf dem Feld – beim herausragenden 5:3-Sieg gegen den Tabellenführer Tur Abdin und beim 1:2 gegen Stenum. „Ich würde dafür immer wieder einen Flug buchen und die Reisestrapazen auf mich nehmen“, sagt der Werder-Fan. „Es ist super, mit ihnen zocken zu können. Und ein paar Tage in der Heimat sind wie Urlaub.“ Muss sich der Offensivmann ohne Training und regelmäßige Partien jedes Mal wieder eingewöhnen? „Nein, nicht wirklich – nach zehn bis 15 Minuten ist alles wie vorher“, antwortet er. Schließlich würden die Automatismen durch die gemeinsamen Jahre mit seinen Mitspielern weiter greifen. Ein Treffer gegen Stenum und zwei Tore sowie zwei Vorlagen gegen Tur Abdin belegen: Peters ist alles andere als ein Fremdkörper.
Der Traum vom Aufstieg
„Er bringt sehr viel mit als Stürmer“, lobt Klein. Die Wertschätzung des Trainers geht so weit, dass er meint: „Ich hätte ihn gerne schon in der Jugend trainiert, dann hätte man vielleicht noch mehr aus ihm herausholen können.“ Der Coach schätzt seinen Torjäger auch menschlich. „Inge“, wie Peters im Team genannt wird, gibt das Kompliment zurück: „Dass es beim Team und mir läuft, liegt am neuen Trainer. Vorher haben wir ängstlich gespielt. Nun treten wir selbstbewusst und offensiv auf.“ Bekanntlich ruht der Spielbetrieb jetzt erst einmal, mit der Aufstiegsrunde wird es für Hude durch die Pleite gegen Heidkrug wohl nichts mehr. Peters sagt: „Es wäre toll, irgendwann aufzusteigen." Er erhielt im Sommer Angebote von Landes- und Oberligisten: "Einige Trainer und Leute aus meinem Umfeld sind der Meinung, dass irgendwann ein Spielniveau im Bereich der Regionalliga für mich möglich ist." Aber am liebsten möchte sich der Fußballer den Traum von der höheren Spielklasse mit dem Team erfüllen, für das ihm kein Weg zu weit ist.